27.11.2017 Erfolg für drei Sonderforschungsbereiche
DFG verlängert Forschung mit Beteiligung der Universität Marburg zu Dynamiken der Sicherheit, der Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen und der Spiegelbildlichkeit von Molekülen
„Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“
In aktuellen politischen Diskussionen wird Sicherheit als Schlüsselbegriff gerne benutzt, wenn es gilt, das eigene politische Handeln zu legitimieren. Dieser Effekt gab im Jahr 2014 den Anstoß zur Konzipierung eines eigenen interdisziplinären Sonderforschungsbereichs, in dem sich Forscherinnen und Forscher der Philipps-Universität Marburg, der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung mit der Bedeutung, des Wandels und der Interpretation politischer Sicherheit in historischer Perspektive beschäftigen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat nun die Weiterführung der Forschungsarbeit mit einem Fördervolumen von rund 11 Millionen Euro für weitere vier Jahre bewilligt.
„Was ist Sicherheit und wann fühlen sich Gesellschaften in ihrer Sicherheit bedroht? Um Fragen wie diese zu beantworten, ist es sehr wichtig zu verstehen, wie sich in der Geschichte Vorstellungen von Sicherheit entwickelten und wie diese in den politischen Prozess gelangten“, sagt Prof. Dr. Christoph Kampmann von der Universität Marburg, Sprecher des Sonderforschungsbereichs. "Der gemeinsame Sonderforschungsbereich besitzt mit seiner Ausrichtung auf historische Sicherheitsforschung schon heute weltweit ein Alleinstellungsmerkmal“, ergänzt Prof. Dr. Horst Carl von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Anfang 2018 wird wie zwischen beiden Universitäten von Anfang an vereinbart die Federführung des Sonderforschungsbereiches an die JLU wechseln und Prof. Carl das Amt des Sprechers übernehmen. „Wir werden die nächsten vier Jahre nutzen, den Forschungsverbund unserer beiden Universitäten zum international führenden Zentrum für historische Sicherheitsforschung zu machen", kündigt er an.
„Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung: Prädiktion, Bewertung, Kategorisierung“
Die Sinnesorgane sind das „Fenster zur Welt“, sie ermöglichen den Empfang von Reizen aus der Umwelt. Doch wie verarbeitet das Gehirn die Informationen? Wie funktioniert Wahrnehmung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der interdisziplinäre Sonderforschungsbereich/Transregio 135 „Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung: Prädiktion, Bewertung, Kategorisierung“ nunmehr seit vier Jahren. Die DFG hat nun beschlossen, den SFB bis ins Jahr 2021 zu verlängern. Die Sprecherschaft für den interdisziplinären SFB liegt bei dem Gießener Psychologen Prof. Dr. Karl Gegenfurtner. Sein Marburger Kollege und Direktor des Marburger Zentrums für "Mind, Brain and Behavior" Prof. Dr. Frank Bremmer von der Universität Marburg ist Mitglied im geschäftsführenden Komitee. „Wir konnten unseren SFB in der ersten Förderperiode zu einem internationalen Leuchtturm der Wahrnehmungsforschung etablieren. Die Verlängerung des SFB wird eine Vielzahl von hochgradig interdisziplinären Projekten ermöglichen, die geeint werden durch das gemeinsame Ziel, zu verstehen, wie wir die Welt wahrnehmen und mit ihr interagieren“, sagte Prof. Gegenfurtner. Prof. Bremmer fügt hinzu: „Der Sonderforschungsbereich wird die Zusammenarbeit unserer beiden Universitäten im Forschungscampus Mittelhessen weiter bestärken, innerhalb dessen der Themenbereich Geist, Gehirn und Verhalten bereits als Schwerpunkt ausgewiesen wurde.“
Der SFB will untersuchen, wie das menschliche Gehirn aus sensorischen Eingangssignalen übergeordnete Bedeutung ableitet. Dazu soll der Prozess der Wahrnehmung umfassend auf der Basis dreier grundlegender Prinzipien erklärt werden: Prädiktion, Bewertung und Kategorisierung. Die dadurch entstehenden internen Modelle der Umwelt ermöglichen es dem Menschen, den künftigen Zustand der Umgebung sowie Handlungskonsequenzen vorherzusagen, die möglichen Risiken und den Nutzen von Reizen und Reaktionen zu bewerten sowie die unendliche Menge an Umweltreizen in Kategorien von Konzepten und Verhaltensweisen abzubilden. So bietet der SFB eine einzigartige Kombination aus Verhaltensexperimenten, Physiologie und Modellierung, um zu einem umfassenden Verständnis dieser drei Prinzipien zu gelangen.
„Extreme light for sensing and driving molecular chirality“ (ELCH)
Die Spiegelbildlichkeit von Molekülen verstehen und manipulieren – das ist das Ziel eines großen Forschungsverbundes, der im Januar 2018 seine Arbeit aufnimmt. Sprecher ist Prof. Dr. Thomas Baumert, Leiter des Fachgebiets Femtosekundenspetroskopie und ultraschnelle Laserkontrolle an der Universität Kassel. Am Vorhaben beteiligt ist Prof. Dr. Robert Berger von der Philipps-Universität Marburg. Die DFG finanziert den Sonderforschungsbereich „Extreme light for sensing and driving molecular chirality“ (ELCH) zunächst für die kommenden vier Jahre mit rund 9 Millionen Euro.
Für die physikalische Grundlagenforschung, aber auch für die Medizin und Lebenswissenschaft ist es wichtig, die „Chiralität“ zu verstehen, also die Tatsache, dass zwei Moleküle aus denselben Atomen spiegelverkehrt aufgebaut sein können. So kann eine Chemikalie in der einen Variante giftig und in der anderen ein Medikament sein. Die Forschungsgruppe will chirale Moleküle hochempfindlich analysieren und letztlich ihre Chiralität oder „Händigkeit“ manipulieren und umkehren. Dafür werden die Moleküle mit extremen Lasern beschossen und mit modernsten Nachweistechniken erfasst. Im Rahmen des Forschungsprojekts soll dabei weltweit erstmals ein Gasphasenlabor für die ausschließlich mit Licht getriebene Physik chiraler Moleküle entstehen.