05.07.2017 Neues LOEWE-Zentrum erforscht vernachlässigte Tropenkrankheiten

Philipps-Universität Marburg an zwei neuen, von der hessischen Exzellenzinitiative geförderten Forschungsvorhaben beteiligt

Foto: Anna Schroll
Die Marburger Virologie ist am neuen LOEWE-Zentrum „Novel Drug Targets against Poverty-Related and Neglected Tropical Infectious Diseases“ (DRUID) beteiligt.

Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst fördert im Rahmen der „Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“ (LOEWE) ein neues LOEWE-Zentrum zur Erforschung vernachlässigter Tropenkrankheiten. Partner in dem Zentrum sind die Justus-Liebig-Universität Gießen (Federführung), die Philipps-Universität Marburg, die Goethe-Universität Frankfurt, das Paul-Ehrlich-Institut in Langen und die Technische Hochschule Mittelhessen. Das Zentrum erhält eine Gesamtfördersumme in Höhe von 19 Millionen Euro für die erste Förderperiode von 2018 bis 2021.

Das Epilepsiezentrum Hessen der Philipps-Universität ist an dem neuen LOEWE-Schwerpunkt „Center for Personalized Translational Epilepsy Research“ (CePTER) beteiligt. Das mit rund 4,8 Millionen Euro für zunächst vier Jahre bewilligte Projekt startet 2018.

DRUID: Über 40 Wissenschaftler verschiedener Disziplinen beteiligt

Mehr als eine Milliarde Menschen in rund 150 Ländern der Welt leiden unter vernachlässigten Tropenkrankheiten – „Neglected Tropical Diseases“ (NTDs) – die sich unter den Bedingungen von Armut und Elend rasch verbreiten. Dengue-Fieber und Chikungunya, Ebola- und Zika-Virusinfektionen, aber auch Leishmaniose, Trypanosomiasis und Schistosomiasis sind derartige gefährliche Krankheiten, die durch Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilze verursacht werden und die für Patientinnen und Patienten akut lebensbedrohlich sein oder zu schweren chronischen Erkrankungen führen können.

Im LOEWE-Zentrum „Novel Drug Targets against Poverty-Related and Neglected Tropical Infectious Diseases“ (DRUID) leisten über 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in mehr als 30 interdisziplinären Arbeitsgruppen einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der NTDs. Die Gesamtleitung und wissenschaftliche Koordination des neuen LOEWE-Zentrums liegt bei der Gießener Biochemikerin, Molekularbiologin und Medizinerin Prof. Dr. Katja Becker; die JLU war Antragstellerin. Ihr Stellvertreter ist der Virologe Prof. Dr. Stephan Becker vom Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg.  

Entwicklung von Wirkstoffen, Impfstoffen und Diagnostika

Im neuen LOEWE-Zentrum DRUID sollen dringende Fragen zur Identifikation und Charakterisierung potenzieller Zielmoleküle für die Entwicklung von Wirkstoffen, Impfstoffen (Vakzinen) und Diagnostika gegen vernachlässigte Infektionskrankheiten geklärt werden, an denen überwiegend von Armut betroffene Menschen leiden.

An der Vorbereitung des Antrags haben maßgeblich folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitgewirkt, die größtenteils auch dem Lenkungsausschuss (Steering Committee) angehören werden: Sprecherin Prof. Dr. Katja Becker, JLU, der stellvertretende Sprecher Prof. Dr. Stephan Becker, Virologie, Universität Marburg; Prof. Dr. Christoph G. Grevelding, Parasitologie, JLU; Prof. Dr. Roland K. Hartmann, Pharmazeutische Chemie, Universität Marburg; Prof. Dr. Volkhard Kempf, Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Universität Frankfurt; Prof. Dr. Ger van Zandbergen, Immunologie, Paul-Ehrlich-Institut Langen; Prof. Dr. John Ziebuhr, Virologie, JLU. Die administrative Koordination liegt bei Ulrike Burkhard-Zahrt, Biochemie und Molekularbiologie im IFZ der JLU.

Der Präsident der Universität Gießen, Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, gratuliert allen beteiligten Forscherinnen und Forschern in den verschiedenen Institutionen herzlich, die mit ihrer Expertise und langjährigen wissenschaftlichen Kooperationen die Realisierung des neuen LOEWE-Zentrums erst möglich gemacht hätten: „Sie alle haben frühzeitig Weitblick bewiesen und stellen sich gemeinsam im neuen LOEWE-Zentrum DRUID hochaktuellen internationalen Herausforderungen, die sich bei der Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten ergeben. Es zeigt sich einmal mehr, dass internationale Spitzenforschung nur in einem funktionierenden Netzwerk gelingen kann.“ Der Dank des Präsidenten richtet sich auch an die Verantwortlichen in Wiesbaden: „Ich bin dem Land Hessen sehr dankbar, dass mit dieser wegweisenden Entscheidung die Infektions- und Wirkstoffforschung in Hessen, ausgehend vom Medizin-Standort Gießen, noch einmal eine deutliche Aufwertung erfährt.“

Die Präsidentin der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Katharina Krause, schließt sich den Glückwünschen an und betont: „Das neue LOEWE-Zentrum vereint die wissenschaftliche Kompetenz in Hessen auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten. Es ist seit langer Zeit das erste große gemeinsame Forschungsvorhaben der drei hessischen Medizinstandorte Gießen, Marburg und Frankfurt. Diese Konstellation ist aus meiner Sicht ein Garant für den Erfolg des Vorhabens.“

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

„Die Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten ist aus medizinischer und humanitärer Sicht eine zwingende Notwendigkeit“, erläutert Prof. Katja Becker die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die wissenschaftliche Kooperation im LOEWE-Zentrum DRUID. „Wir leisten mit unserer interdisziplinären Arbeit zugleich auch einen entscheidenden Beitrag zur Unterbrechung von Armutskreisläufen, die nicht nur Infektionsrisiken erhöhen, sondern auch zu existenzbedrohenden Lebensumständen, sozialer Ungerechtigkeit, Gewaltbereitschaft und Migration führen.“ Die Erfahrungen hätten gelehrt, wie sehr Instabilität, Gewalt, Verschleppung, Migration und Mobilität sowie klimatische Veränderungen die Verbreitung von NTDs begünstigen. Zudem gebe es für die meisten NTDs zu wenige wirksame Medikamente; viele der derzeit eingesetzten Wirkstoffe hätten schwere Nebenwirkungen zur Folge und es seien immer stärker auch Resistenzen zu befürchten, ergänzt die Gießener Wissenschaftlerin.

„Die jüngsten Ausbrüche von Ebola- oder Zikavirus haben gezeigt, dass solche Ereignisse nicht nur die Gesundheit vieler Menschen bedrohen, sondern auch die soziale und politische Stabilität ganzer Regionen beeinflussen können und weltweit Sorge auslösen. Deshalb ist die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen tropische Krankheitserreger ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung der betroffen Länder“, ergänzt der Marburger Virologe Prof. Dr. Stephan Becker.

Wissenschaftliche Arbeit am LOEWE-Zentrum DRUID

Am LOEWE-Zentrum DRUID sollen die in Hessen vorhandenen Kapazitäten und Expertisen gebündelt werden. In fünf Projektbereichen werden Targets (Zielmoleküle) aus Transkription/Translation, zytosolische und membranassoziierte Targets sowie Targets in Wirten und Vektoren adressiert. Für die vorgeschlagenen Projekte sind die enge Kooperation mit Partnern aus der Wirtschaft und der Weg in die Anwendung vorgesehen. Um der Komplexität des Themas gerecht zu werden und effiziente Vernetzungsstrukturen aufzubauen, sollen darüber hinaus weitere Partner auf nationaler und internationaler Ebene eingebunden werden.

Die Wissenschaftsakademien der G7-Länder haben eine Verstärkung der Forschung der NTDs gefordert. Auf diese Forderung geht das neue LOEWE-Zentrum DRUID sehr konkret ein. Hier wird neben der Identifikation neuer Zielmoleküle für die Wirkstoffentwicklung auch die Grundlagenforschung im Vordergrund stehen – insbesondere zur Biologie der Infektionserreger, der Wirtsantwort und der Wechselwirkung mit anderen Erkrankungen oder Infektionen. Gleiches gilt für die Untersuchung der krankheitsübertragenden Vektoren und Zwischenwirte und die Erarbeitung neuer Strategien zu ihrer Kontrolle. Dies alles soll von der Entwicklung neuer Technologien, der engen Kooperation mit Industriepartnern sowie der Ausbildung spezialisierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler begleitet werden.

Marburger Beteiligung am LOEWE-Schwerpunkt CePTER

Die Klinik für Neurologie der Philipps-Universität Marburg ist Mitantragsteller des neu bewilligten LOEWE-Schwerpunkts zur Erforschung der Epilepsien. Das „Center for Personalized Translational Epilepsy Research“ (CePTER) wird von der Klinik für Neurologie der Goethe-Universität Frankfurt koordiniert. Die Fördersumme für vier Jahre liegt bei rund 4,8 Millionen Euro. Der LOEWE-Schwerpunkt erforscht die Ursachen und Erscheinungsformen von Epilepsien mit dem Ziel, auf der Basis eines besseren Verständnisses der Erkrankung neue Ansätze für personalisierte Therapien zu entwickeln und Patienten frühzeitig für individuell angepasste Therapiestrategie auszuwählen. Hier ist eine enge Zusammenarbeit des Epilepsiezentrums Hessen am UKGM mit der der Goethe-Universität in vielen Teilprojekten geplant.

Die Mitantragstellerin und Leiterin des Epilepsiezentrums Hessen, Prof. Dr. Susanne Knake, leitet ein Teilprojekt, das über die nächsten vier Jahre neue Methoden der MRT-Bildgebung zur individuellen Charakterisierung jedes Patienten erforscht. Durch neue Bildgebungsmethoden sollen bisher MRT-negative Patienten erkannt und bestehende strukturelle Ursachen besser charakterisiert werden sowie der eventuelle Effekt verschiedener Therapieformen auf die Mikrostruktur des Gehirns untersucht werden.

Ziel des gesamten Projektes ist es, durch ein besseres Verständnis der Ursachen, Erscheinungsformen und Krankheitsverläufe neue, individualisierte Therapien zu ermöglicht. Prof. Knake und das Team des hessischen Epilepsiezentrums in Marburg wirken außerdem an einem Teilprojekt zur Krankheits- und Therapiekostenschätzung mit. Analysiert werden unter anderem die direkten und indirekten Kosten bei Patienten, die nicht auf eine Therapie ansprechen oder unter seltenen Epilepsiesyndromen leiden. Ein weiteres Thema ist die Bestimmung individueller biochemischer und genetischer Faktoren von individualisierten Behandlungen.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Stephan Becker, Fachbereich Medizin, Institut für Virologie
(stv. Sprecher LOEWE-Zentrum DRUID)
Tel. 06421 28-66253
E-Mail:

Prof. Dr. Susanne Knake, Fachbereich Medizin, Epilepsiezentrum Hessen,
(Beteiligte am LOEWE-Schwerpunkt CePTER)
Tel. 06421 58-65435
E-Mail: