29.05.2020 Erste Erkenntnisse zur Qualität von Homeschooling

Studie der TU Dortmund und der Philipps-Universität: Umfrage bei fast 1.000 Eltern zeigt zwiespältiges Bild der digitalen Schule

Foto eines Kindes, das Hausaufgaben macht
Foto: Colourbox.de
Beim Homeschooling können Wissenslücken entstehen, die im Alleinstudium kaum wieder aufgeholt werden können - das ist eines der Zwischenergebnisse einer Studie der TU Dortmund und der Philipps-Universität Marburg.

Seit über zwei Monaten sind Eltern und ihre schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen mit der häuslichen Beschulung konfrontiert. Auch wenn aktuell Lockerungen eingetreten sind, betreffen diese nur ausgewählte Jahrgangsstufen und der Unterricht findet weiterhin sehr reduziert und vorwiegend zu Hause statt. Prof. Dr. Ricarda Steinmayr von der TU Dortmund und Prof. Dr. Hanna Christiansen von der Universität Marburg führen derzeit eine Studie zur Qualität des Homeschoolings durch. Erste Zwischenergebnisse zeigen ein zwiespältiges Bild der aktuellen Beschulung.

Ziel der Studie ist, mehr über die Qualität von Homeschooling zu erfahren, etwa wie genau an verschiedenen Schulen das Homeschooling realisiert und wie das von den Eltern empfunden wurde. Vor dem Hintergrund, dass die meisten Bundesländer aktuell noch nicht mit einem Regelschulbetrieb nach den Sommerferien planen, kommt der Qualität der häuslichen Beschulung eine immer größere Bedeutung zu, um für alle Kinder und Jugendlichen eine qualitativ hochwertige Beschulung sicherzustellen. Auch wenn die Studie noch läuft, präsentieren die Wissenschaftlerinnen jetzt – basierend auf den Angaben der bisher rund 1.000 Eltern, die teilgenommen haben – erste vorläufige Ergebnisse. An der Studie nahmen überwiegend sozial besser gestellte Eltern und Mütter teil, wie es bei Onlinestudien meist der Fall ist. Die beurteilten Kinder besuchten etwa jeweils zur Hälfte Grundschulen oder weiterführende Schulen. Im Mittel wurden die Kinder seit 6 Wochen zu Hause beschult.

Bei der Frage, ob die Eltern mit der Organisation des Homeschooling zufrieden sind, gaben die meisten „teils teils“ an. Homeschooling setzt der überwiegende Teil der Lehrkräfte durch das Zusenden von Aufgaben um. Die Aufgaben werden mehrheitlich, zumindest in den Hauptfächern, einmal die Woche an die Eltern geschickt. Viele, aber nicht alle Lehrkräfte schicken den Familien auch Lösungen für die Aufgaben zu. Ungefähr ein Drittel der Eltern gab an, dass die Mathematik-Lehrkräfte bislang keine Lösungen für die Aufgaben geschickt hatten. Bei den Deutsch-/Englisch-/Biologie-/Sachunterricht-Lehrkräften traf das auf ungefähr 43, 47 bzw. 53 Prozent zu. 40 (Deutsch) bis 56 (Biologie/Sachunterricht) Prozent der Eltern gaben an, dass ihre Kinder bislang noch keine Aufgabenlösungen an die Lehrkräfte schicken sollten. Zwischen 59 (Deutsch) und 74 (Biologie/Sachunterricht) Prozent der Eltern berichteten, dass ihr Kind noch kein Feedback von Lehrkräften zu den Lösungen der Aufgaben bekommen hat.

Foto von Prof. Christiansen
Foto: Dr. Tilman Fischer
Prof. Dr. Hanna Christiansen ist an der Studie zum Homeschooling beteiligt.

„Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse, dass selbst bei Familien, die überwiegend über die technischen Möglichkeiten für Onlineunterricht verfügen, in den meisten Fällen die häusliche Beschulung in den Fächern Mathematik, Deutsch, Englisch und Biologie bzw. Sachunterricht durch das Versenden von Aufgaben realisiert wurde“, sagt Steinmayr, die die Studie leitet. „Auch scheinen viele Schülerinnen und Schüler wenig oder häufig keine Rückmeldungen zu den von ihnen gelösten Aufgaben bekommen zu haben. Das ist aus motivationspsychologischer Sicht bedenklich, da Feedback sowohl mit einer positiven Entwicklung der Leistung einhergeht und motiviert – wenn die Rückmeldung richtig formuliert wird.“ Insbesondere für Kinder mit Lernschwierigkeiten zum Beispiel aufgrund von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sei eine solch fehlende Ansprache und Strukturierung fatal, so Christiansen (Foto). „Die Kinder können sich nicht selber strukturieren und planvoll vorgehen und die Delegation an die Eltern ist schwierig, da gerade die Hausaufgabensituation oftmals stark konfliktbehaftet ist“, sagt Christiansen.

Bei der Häufigkeit des Unterrichts per Videokonferenz gaben die Eltern an, dass 74 Prozent der Mathe-, 77 Prozent der Deutsch-, 78 Prozent der Englisch- und 85 Prozent der Biologie-/Sachunterrichtlehrkräfte noch keinen Unterricht per Videokonferenz durchgeführt hatten. Ebenso gab mindestens die Hälfte der Eltern an, dass keine der genannten Fachlehrerinnen und -lehrer bislang persönlichen Kontakt mit ihren Kindern per Telefon oder anderen medialen Kommunikationsmöglichkeiten hatte. Die Prozentzahlen bei der Frage nach dem Kontakt mit den Eltern war noch höher. „Der in vielen Fällen nicht stattfindende Unterricht und der fehlende Kontakt zu Lehrkräften kann für den Lernfortschritt von Kindern und Jugendlichen, aber auch für ihr Wohlbefinden negative Konsequenzen haben“, sagt Steinmayr.

„Aufgrund des hohen Bildungs- und sozialen Niveaus der teilnehmenden Eltern ist nicht auszuschließen, dass die Angaben von weniger gut gestellten Eltern anders ausgefallen wären. Insgesamt ist hier von einer großen Bildungs- und Teilhabe-Ungerechtigkeit auszugehen“, sagt Christiansen. „Gerade Kinder aus benachteiligten Bevölkerungsschichten, zum Beispiel Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften, und Kinder mit Lernschwierigkeiten werden nun abgehängt. Es entstehen Wissenslücken, die kaum im Alleinstudium wieder aufgeholt werden können. Die Schulen müssen bundesweit Lösungen finden, wie alle Kinder aus allen Schichten bestmöglich erreicht werden können, um strukturiert und ohne Benachteiligung unterrichtet werden zu können, so dass Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit vollumfänglich gewährleistet werden können“, betont Christiansen.

Hier können Sie noch an der Umfrage teilnehmen: https://umfragen.tu-dortmund.de/index.php/481225?lang=de

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