22.06.2022 Inklusion zum Anfassen

Kunstmuseum Marburg erhält taktile Modelle für Blinde und Sehbehinderte

Gruppenfoto vor dem Eingang zum Museum, bei dem einzelne Personen taktile Modelle des Museums in der Hand halten
Foto: Bettina Hartmann / BSBH e.V.
BSBH und blista überreichten dem Kunstmuseum taktile Modelle, die auch bei einer neuen Architekturführung zum Einsatz kommen.

Für blinde und sehende Menschen haben der Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen e.V. (BSBH), die Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista) und das Kunstmuseum Marburg eine neue Architekturführung entwickelt. Sie bringt den Teilnehmenden kunsthistorische Entwicklungen und die Verbindungen zwischen Architektur, Kunst und Gesellschaft näher. Für die Umsetzung der 3D-Objekte leisteten Heekyung Reimann und Knut Büttner wichtige Beiträge. Nun haben BSBH und blista dem Kunstmuseum Marburg die entstandenen taktilen Modelle feierlich überreicht. Finanziell gefördert wurde das Projekt von der Aktion Mensch.

Um Architektur als Kunstform zu verstehen und in ihrer Komplexität zu begreifen, können Bauwerke und ihre Gestaltungsmerkmale teilweise haptisch erfasst werden. Dies kommt blinden Menschen zugute, die ihre Umwelt vorwiegend über den Hör-, Tast- und Geruchssinn wahrnehmen. Das Kunstgebäude Marburg bietet in diesem Sinne zahlreiche Möglichkeiten. Die als Vierflügelanlage konzipierte Architektur aus den 1920er Jahren versinnbildlicht den interdisziplinären Gedanken des Hauses. Neben dem Kunstmuseum mit seinen Präsentationsräumen sind mehrere kunstnahe Institute unter einem Dach ansässig und gruppieren sich um einen Innenhof mit einem historischen Brunnen im Zentrum. In einer inklusiven Architekturführung erhalten Menschen mit und ohne Sehfähigkeit die Möglichkeit, das Kunstgebäude als Gesamtkunstwerk zu begreifen. Dazu gibt es zeittypische Art déco-Ornamente in verschiedenen Bauelementen zu entdecken. Viele dreidimensionale Dekore befinden sich auf gut erreichbarer Höhe, so dass sie direkt mit den Händen erkundet werden können. Für den Überblick über das Gesamtgebäude hat die blista Modelle erstellt.

Der erste Prototyp entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein der Museumsfreunde Marburg, gefördert durch den Jürgen-Markus-Preis. Um das historische Konzept hinter der Architektur zu verstehen, nämlich verschiedene Disziplinen der Kunst und Wissenschaft in einem Gebäude zu vereinen, dient ein taktiler Stockwerkplan als farbig gestaltete Schwellkopie. Halbreliefs von architektonischen Wahrzeichen verschiedener hessischer Städte, die sich in mehreren Metern Höhe und damit außerhalb der tastbaren Zonen befinden, können als Modell ertastet werden. Dargestellt sind Rathäuser und Kirchen von Gemeinden, die sich an der Spendenkampagne zur Errichtung des Gebäudes in den 1920er Jahren beteiligten. Damit schlagen sie die Brücke zur Entstehung des Gebäudes. Architekturmodelle, taktile Stockwerkpläne und betastbare Reliefs bauen eine schwer zu überwindende kommunikative Barriere für blinde und sehbehinderte Menschen ab und sorgen für mehr Teilhabe. Mit zusätzlichen verbalen Beschreibungen, Erläuterungen und Erklärungen der tastbaren Phänomene entsteht über die Kombination von Sinneseindrücken eine Vorstellung des Kunstgebäudes als Gesamtkunstwerk.

Zu den Modellen werden auch besondere Architekturführungen angeboten. Die nächste Führung wird von Ulrike Schönhagen, langjährige Kunstlehrerin an der blista, und Samira Idrisu, Museumspädagogin im Kunstmuseum Marburg, durchgeführt und findet am Samstag, 2. Juli 2022, um 11:15 Uhr statt. Die Teilnahme und der Eintritt ins Museum sind kostenlos.

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