13.04.2022 Vor dem Schaden klug sein

Marburger Kultureinrichtungen bilden Notfallverbund

Die Beteiligten unterzeichnen die Notfallvereinbarung
Foto: Hessisches Landesarchiv, Willi Schuhmacher
Angela Dorn, Nadine Bernshausen, Prof. Dr. Thomas Nauss, Dr. Christian Schmidt und Gottfried Graf Finck von Finckenstein (von links) unterzeichnen die Vereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Rettung von Kulturgut nach Schadensereignissen.

Mehr Sicherheit für Marburger Kulturgüter: Das wollen die Stadt und mehrere Einrichtungen, die sich um Kulturgüter kümmern, mit einer besseren Zusammenarbeit erreichen. Deshalb bilden sie nun einen Notfallverbund. Die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn, die Marburger Bürgermeisterin Nadine Bernshausen, der Präsident der Philipps-Universität Marburg Prof. Dr. Thomas Nauss, der Verwaltungsleiter des Herder-Instituts Dr. Christian Schmidt sowie Gottfried Graf Finck von Finckenstein für die Stiftung Deutsches Adelsarchiv haben dazu am Dienstag im Landgrafensaal des Hessischen Staatsarchivs Marburg eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Rettung von Kulturgut nach Schadensereignissen unterzeichnet.

Foto von Angela Dorn
Foto: HLA / Willi Schuhmacher

Ministerin Angela Dorn betonte: „Mit diesem Notfallverbund leisten die Marburger Einrichtungen einen entscheidenden Beitrag, um den Schutz des ihnen anvertrauten Kulturgutes zu verbessern. Sie rücken dabei über die bereits gepflegte Zusammenarbeit hinaus ein Stück weiter zusammen, um den Auftrag aus Artikel 62 der Hessischen Verfassung zu erfüllen: Dort ist die Aufgabe des Staates verankert, unsere Kultur im besonderen Maße zu sichern und nachhaltig zu schützen.“

Der Notfallverbund entstand auch vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Sie hat verheerende Schäden an denkmalgeschützten Gebäuden sowie in Kommunal- und Kirchenarchiven verursacht. Nach vorläufiger Bilanz wurden alleine etwa fünf Regalkilometer Schriftgut in Archiven, Behörden und Gerichten beschädigt. Sie mussten schnell geborgen, eingefroren und anschließend aufwändig in Spezialverfahren getrocknet werden, um sie zu retten.

Starkregen, Stürme und Gewitter treten infolge des Klimawandels immer öfter und heftiger auf. Ende Januar 2021 gab es in Teilen Mittelhessens, etwa in Büdingen, massive Überschwemmungen. Im Mai 2018 drang nach einem Gewitter Wasser in den Neubau der Universitätsbibliothek Marburg ein, im Staatsarchiv Marburg stand es bis an die Schwelle zu den Archivmagazinen, in der Archivschule knöchelhoch.

Deshalb haben Kultureinrichtungen in Marburg Anfang 2021 eine Arbeitsgruppe gebildet, um im Austausch mit Feuerwehr und Polizei ihre Notfallvorsorge auf eine gemeinsame Grundlage zu stellen, ihre Kräfte als „Kulturgutretter“ zu bündeln und sich gegenseitig effizient unterstützen zu können. Etwa, wenn es darum geht, durch Wasser geschädigte wertvolle Buchbestände, Urkunden, Akten und Sammlungsgegenstände in Kulturguteinrichtungen zu bergen und zielgerichtet eine „Erstversorgung“ in die Wege zu leiten. Eingeübtes, fachgerechtes und beherztes Handeln möglichst vieler Hände kann Totalverlust verhindern und die Kosten einer Restaurierung senken. Als ersten Meilenstein haben die Marburger Partnereinrichtungen gebäudespezifische Gefahrenabwehrpläne nach einem abgestimmten Muster erstellt. Für die kommenden Jahre sind die Beschaffung gemeinsamer Notfallausrüstung und Notfallübungen vorgesehen. Denn für den Ernstfall gewappnet zu sein, bedeutet vor allem: Üben, üben, und nochmals üben.

Gründungsmitglieder des Verbunds sind neben der Universitätsbibliothek und dem Hessischen Staatsarchiv Marburg als Initiatoren das Archiv der Philipps-Universität, das Stadtarchiv, das Deutsche Adelsarchiv und die Archivschule sowie das Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas, das Herder–Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft, das Hessische Landesamt für geschichtliche Landeskunde sowie die Außenstelle Marburg des Landesamts für Denkmalpflege Hessen. Weitere Einrichtungen und auch private Initiativen sind eingeladen, sich dem Verbund anzuschließen.

Deutschlandweit gibt es aktuell etwa 60 solcher Notfallverbünde. Die Marburger Beteiligten hoffen, dass in den kommenden Jahren auch in Hessen ein dichteres regionales Netz solcher Notfallverbünden entsteht – noch weist die Karte weiße Flecken auf.

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