10.06.2022 Würdigung herausragender Dissertationen

Universität Marburg verleiht Promotionspreise des Jahrgangs 2021

Mit dem Promotionspreis würdigt die Philipps-Universität Marburg hervorragende Dissertationen aus den unterschiedlichen Fachkulturen der Universität. In diesem Jahr werden vier Nachwuchswissenschaftlerinnen und ein Nachwuchswissenschaftler geehrt: Mirjam Luber in der Sektion „Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“, Alisa Kronberger in der Sektion „Philosophie, Theologie, Geschichte, Erziehungs-, Sprach- und Kulturwissenschaften“, Johanna Marlene Orellana Alvear und Simon Werner in der Sektion „Mathematik und Naturwissenschaften“ sowie Lea Albert in der Sektion „Lebenswissenschaften und Medizin“. Der Promotionspreis der Universität Marburg ist mit insgesamt 4.000 Euro dotiert.

„Herzlichen Glückwunsch an die Preisträgerinnen und den Preisträger. Durch ihre Forschung haben sie neue Erkenntnisse gewonnen und aktiv zum wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt beigetragen. Sie haben bewiesen, dass sie zu herausragenden Forschungsleistungen fähig sind“, sagt Prof. Dr. Sabine Pankuweit, Vizepräsidentin für Chancengleichheit und Karriereentwicklung der Philipps-Universität. „Von diesem Preis profitieren nicht nur die Preisträgerinnen und der Preisträger – er sendet auch ein wichtiges Signal an andere junge Forscherinnen und Forscher, dass ihre Arbeit auch außerhalb ihres Fachbereichs gesehen und gewürdigt wird“, sagt Pankuweit.

Lea Albert: “Photoswitchable Peptides as Tools for Light-controlled Modulation of Epigenetic Protein Complexes”

Im Rahmen ihrer Dissertation am Fachbereich Chemie erforscht Lea Albert lichtgesteuerte Moleküle, die auf das WDR5-Protein abzielen. Dabei handelt es sich um eine Untereinheit des MLL1-Histon-Methyltransferase-Komplexes. Dieser Komplex spielt eine wesentliche Rolle bei der Chromatin- und Genregulation und korreliert mit einer Vielzahl von Krebsarten, wie beispielsweise Leukämie. Die von Albert entwickelten, synthetisierten und charakterisierten Moleküle stören die Wechselwirkung zwischen WDR5 und dem MLL1-Histon-Methyltransferase-Enzym, was zu einem Verlust der Integrität und Funktion des MLL1-Komplexes und damit zur Beeinflussung des Zellwachstums von Krebszellen führen kann.

Alisa Kronberger: „Diffraktionsereignisse der Gegenwart. Neu-materialistische Beugungen feministischer Medienkunst“

In ihrer Dissertation am Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften widmet sich Alisa Kronberger der feministischen Medienkunst und spannt dabei einen Bogen von den 1960er Jahren zu aktuellen, zeitgenössischen Kunstwerken. Ihrer Analyse liegt das Konzept der „Diffraktion“ zu Grunde, das auf die Situierung von Wissen abzielt – Wissen entwickelt sich dynamisch aus den aktuellen Gegebenheiten. Dieses methodische Vorgehen ermöglicht, ontologisierende Kategorien zu umgehen, was insbesondere bei der Definition und Semantisierung von Weiblichkeit eine wichtige Rolle spielt. Die Studie systematisiert die Kunstwerke nach Themengebieten weiblicher Lebensbereiche, die sich in die feministische Medienkunst eingeschrieben haben: "privat/öffentlich", "Körper/Geist", "Natur/Kultur", "Repräsentation/Affekt" sowie "Subjekt/Objekt". Der systematisierende Blick legt Gemeinsamkeiten und Differenzen der Kunstwerke frei und ermöglicht somit differenzierte Analysen zur feministischen Medienkunst.

Mirjam Luber: „Unionsbürgerschaft als Kompetenzproblem: Grundlagen und Grenzen von Auslegung und Rechtsfortbildung am Beispiel der Unionsbürgerschaft“

Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wurde bereits wenige Jahre nach seiner Gründung eine herausragende Rolle für die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts zugeschrieben – denn der EuGH beschränkte sich nicht auf eine reine Urteilsfindung, sondern gestaltete das Gemeinschaftsrecht durch Rechtsfortbildung von Beginn an mit. Das löste früh Diskussionen über die Grenzen des EuGH aus: Was ist noch zulässige, was unzulässige Rechtsfortbildung? Denn mit jeder Kompetenzüberschreitung seitens des EuGH ist stets ein Eingriff in die mitgliedsstaatliche Souveränität verbunden. In ihrer Dissertation am Fachbereich Rechtswissenschaften entwickelt Mirjam Luber unter anderem die theoretischen Grundlagen für Handlungsrahmen und -spielräume der Europäischen Union und wendet die von ihr dabei herausgearbeiteten Kriterien auf die Rechtsprechung des EuGH anhand von Fallbeispielen zur Unionsbürgerschaft an.

Johanna Marlene Orellana Alvear: “Exploitation of X-band weather radar data in the Andes high mountains and its application in hydrology: a machine learning approach“

Die tropischen Hochanden wirken als Frühwarnsysteme des Klimawandels. Die Untersuchung des Niederschlags in diesen Regionen ist daher von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der komplexen hydrologischen und ökologischen Phänomene in diesem schwer zugänglichen Teil der Erde. Im Rahmen ihrer Dissertation am Fachbereich Geographie hat Johanna Marlene Orellana Alvear zentral dazu beigetragen, das erste und weltweit höchstgelegene Regenradarnetzwerk der Anden im Süden Ecuadors zu etablieren. Das Netzwerk ermöglicht eine bildgebende Radarniederschlagsschätzung in hoher raum-zeitlicher Auflösung sowie die Vorhersage von Wasserabflüssen, insbesondere bei Extremereignissen. Dabei wertete sie Radarniederschlagsdaten erstmals mit Hilfe eines maschinellen Lernansatzes (Random Forest) aus, was Niederschlagsschätzungen deutlich verbesserte. Außerdem können die gerade in Hochgebirgen notwendigen, komplexen Korrekturalgorithmen deutlich vereinfacht werden.

Simon Werner: “Studies towards Reductive Aromatizations of Polyaromatic Hydrocarbons and Synthesis of Precursors for on-Surface Synthesis of Nanographenes“

Polyaromatische Kohlenwasserstoffe sind von großem Forschungsinteresse, da sie vielseitige technische Anwendungen finden, beispielsweise in organischen Solarzellen oder Leuchtdioden. In seiner Dissertation am Fachbereich Chemie widmet Simon Werner sich der Synthese polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAKs) sowie ihrer Derivate und Vorstufen. Für einen optimalen Einsatz von PAKs sind maßgeschneiderte Eigenschaften entscheidend. Der erste Teil seiner Dissertation befasst sich daher mit der reduktiven Funktionalisierung von PAKs – dabei wendet Werner erfolgreich bislang selten verfolgte Strategien an, um die Eigenschaften der PAKs zu verändern. Im zweiten Teil widmet Werner sich Kooperationsprojekten mit Oberflächenchemikern der Arbeitsgruppe Physikalische Chemie von Prof. Dr. Michael Gottfried. Dabei diskutiert er unter anderem den Einfluss der Art der Oberfläche auf die entstehenden Produkte sowie die individuellen elektronischen Eigenschaften der porösen Nanographenstrukturen.

 

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