12.07.2023 Statement zur Tierforschung an der Uni Marburg
Statement der Hochschulleitung mit allgemeinen Informationen und Infos zum 3R-Prinzip
Die Forschung an der Philipps-Universität Marburg ist geleitet von Neugier und Verantwortung, um fundiertes Wissen über die Menschen und die Welt zu schaffen. Tierforschung ist vor allem im medizinischen Forschungskontext entgegen anderslautender Behauptungen noch nicht überall ersetzbar und liefert sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Entwicklung von Therapeutika wichtige Erkenntnisse. Die Hochschulleitung der Philipps-Universität stellt sich auch bei diesem Thema hinter ihre Forscher*innen. Sie verwahrt sich insbesondere gegen Unterstellungen gegen die Forscher*innen, denen systematisch Gefühllosigkeit, Willkür und Grausamkeit vorgeworfen wird.
Besonders im Fokus der Kritik stehen häufig Tierversuche mit Primaten, wie zum Beispiel bei der AG Neurophysik an der Philipps-Universität Marburg. Die Grundlagenforschung der AG Neurophysik liefert wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung von Therapeutika oder biomedizinischer Produkte. Die Arbeit hat zum Beispiel zur Entwicklung eines Retinaimplantats (Sehprothese) beigetragen. Der überwiegende Teil der Experimente in der AG Neurophysik findet ohne Tierversuche statt. Vielmehr arbeitet die AG überwiegend mit menschlichen Versuchspersonen und Computersimulationen.
Sehr viele relevante wissenschaftliche Fragestellungen lassen sich aber leider immer noch nicht ohne Tierversuche beantworten. So ist die Messung der Aktivität einzelner Hirnzellen beim Menschen nur beim Vorliegen einer medizinischen Indikation und damit bei Krankheit möglich. EEG-basierte Verhaltensstudien bei Menschen geben zwar darüber Aufschluss, wie das gesamte Gehirn Informationen verarbeitet, können diese Verarbeitungsschritte aber nicht spezifischen Gehirnregionen zuweisen.
Es gibt Organisationen, die das völlige Verbot von Tierversuchen fordern. Diese Organisationen arbeiten häufig mit Appellen an Emotionen, zeigen Bilder von Tieren, die das Framing der Grausamkeit unterstützen sollen und sprechen Tierversuchen jede Übertragbarkeit auf den Menschen ab.
Dabei wird übersehen, dass viele einst tödliche Krankheiten ihren Schrecken verloren haben und heute behandelbar sind. Viele grundlegende Fortschritte in der Medizin beruhen auf Ergebnissen, die zuvor durch Tierversuche erzielt worden sind. Das gilt sowohl für Impfstoffe gegen zahlreiche Infektionskrankheiten als auch für Medikamente wie Antibiotika. Es gilt aber genauso für das Hormon Insulin, mit dem an Diabetes leidenden Menschen erstmals grundlegend geholfen werden konnte.
Forschung bewegt sich im Unbekannten und hat deshalb keine 100-prozentige Erfolgsquote. Forschung hilft aber, Zusammenhänge besser zu verstehen. Tierversuche liefern wichtige Einsichten in Krankheitsprozesse, die nicht anderweitig gewonnen werden können. Wissenschaftler*innen sind sich des ethischen Dilemmas dabei stets bewusst, dass sie das Wohl des Menschen über das des Tieres stellen.
Tierforschung an der UMR
Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie unerlässlich sind. Jeder Tierversuch muss unter Einbeziehung der Tierschutzbeauftragten der Universität bei der Behörde beantragt werden. Das Grundprinzip eines solchen Antrags ist das folgende: Im Antrag muss erläutert werden, was erforscht werden soll, warum dazu Experimente an Tieren nötig sind und was der mögliche Nutzen dieser Forschung ist. Alle Experimente müssen im Detail beschrieben werden. Teil der Ausführungen ist auch, ob bzw. in welchem Umfang bei den Tieren Stress oder Schmerzen entstehen können. Im Anschluss erfolgt eine ethische Abwägung, bei der Nutzen und mögliche Schäden gegeneinander abgewogen werden (3R-Prinzip, Replacement, Reduction, Refinement). Bei der Entscheidung über die Genehmigung oder Ablehnung eines Tierversuchsantrages wird die Behörde durch eine Kommission beratend unterstützt. Neben Expertinnen und Experten aus der Tiermedizin, der Medizin und/oder einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung sind mindestens ein Drittel der Kommissionsmitglieder von Tierschutzorganisationen.
3R-Prinzip
Die Philipps-Universität Marburg forscht im Zusammenhang mit dem 3R-Prinzip - „Reduction, Refinement, Replacement“, Verminderung, Verfeinerung, Ersatz von Tierversuchen – intensiv an der Verringerung von Tierversuchen, zum Beispiel in der AG Stiewe, die in der Krebsforschung die Genschere CRISPR einsetzt und damit die Zahl von Versuchstieren erheblich reduzieren konnte. Für die Verdienste um die Schonung von Versuchstieren erhielt Stiewe schon 2014 den Hessischen Tierschutzpreis.
Zudem ist die Universität Marburg am Aufbau der Webseite 3R-smart, einer Schulungsplattform für methodische Ansätze zur Reduktion von Tierversuchen, beteiligt. Weitere Informationen: https://www.3r-smart.de/