24.04.2025 Terrorismusprozesse: Zwischen Staat und Öffentlichkeit

Forschungsprojekt der DFG untersucht die Dynamiken zwischen den Beteiligten in Gerichtsprozessen

Gruppe mit Forschenden
Foto: Ulrike Niemann
Das Projektteam zu "Judging Terror": (v.l.n.r.) Dr. Nicole Bögelein (Uni Köln), Dr. Kerstin Eppert (Uni Bielefeld), Dyana Rezene (Uni Köln), Franca Heuer (Uni Bielefeld), Viktoria Roth (Uni Bielefeld), Dr Anja Schmidt-Kleinert (Philipps-Universität Marburg) und David Zimmermann (Uni Bielefeld).

Ein neues Forschungsprojekt der Universitäten Bielefeld, Köln und Marburg befasst sich mit gerichtlichen Praktiken in deutschen Terrorismusprozessen. Im Fokus stehen vergleichende Beobachtungen von Verhandlungen an deutschen Gerichten gegen Angeklagte, die dem extrem rechten oder dschihadistischen Umfeld zugeordnet werden. Die Forschenden beziehen auch die mediale Berichterstattung über die beobachteten Gerichtsverfahren ein. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Projekt mit 1,2 Millionen Euro über eine Laufzeit von drei Jahren. Das Teilprojekt von Dr. Anja Schmidt-Kleinert an der Uni Marburg wird mit 380.040 Euro ausgestattet.

Das Forschungsteam richtet den Blick auf die Verknüpfung von Ideologie, Identität, Interessen und Wissen in Terrorismusverfahren. „Die Gerichtssäle sind nicht nur Orte der Rechtsprechung, sondern zentrale Räume, in denen sich gesellschaftliche Vorstellungen von Terrorismus entwickeln und verfestigen“, sagt Dr. Kerstin Eppert, die das Teilvorhaben am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld gemeinsam mit Viktoria Roth leitet.

Im Projekt untersuchen die Wissenschaftlerinnen unter anderem, welche Rolle geschlechtliche, religiöse und kulturelle Zuschreibungen in den Gerichtsverhandlungen spielen. „Frühere Studien zeigen, dass gesellschaftliche Geschlechtervorstellungen in der Bewertung der Beteiligung von Angeklagten an schweren Straftaten eine Rolle spielen – sowohl in Gerichtsverfahren als auch in der medialen Darstellung“, berichtet Dr. Anja Schmidt-Kleinert, die das Teilvorhaben am Institut für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg leitet.

Dynamiken zwischen Beteiligten in Gerichtssälen bisher wenig erforscht 

Im internationalen Vergleich steht die Gerichtsforschung in Deutschland noch sehr am Anfang. Daher versprechen sich die Forscherinnen im Projekt auch neue Erkenntnisse zu sozialen Dynamiken im Gerichtssaal. „Insbesondere, wie sich Menschen vor Gericht präsentieren, inwiefern sie Reue zeigen oder sich von einer Ideologie distanzieren, wird von Gerichten erwogen“, sagt Dr. Nicole Bögelein, die das Teilvorhaben am Institut für Kriminologie der Universität zu Köln leitet. 

Die Forscherinnen beobachten die Verhandlungen direkt vor Ort und werten die prozessbegleitende Medienberichterstattung aus. Sie untersuchen dabei drei Ebenen: die direkten Interaktionen im Gerichtssaal, die Entstehung rechtlichen Wissens und die öffentliche Wahrnehmung in den Medien. Das Projektteam arbeitet mit den Ansätzen der Gerichtsethnographie und der Grounded Theory. Dafür werden Daten aus Gerichtsbeobachtungen gesammelt und Inhaltsanalysen von medialer Berichterstattung durchgeführt. Der Ansatz ermöglicht es, neue Theorien aus dem Material heraus zu entwickeln.

Das Projekt heißt „Terror verhandeln: Deutsche Gerichte als gesellschaftliche Orte der Verhandlung und Wissensproduktion zu extrem rechtem und dschihadistischem Terrorismus“, Kurztitel: „Judging Terror“. Es läuft von Januar 2025 bis Dezember 2027. Geplant ist die Veröffentlichung der Ergebnisse in nationalen und internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften sowie die Vorstellung auf Fachkonferenzen. Zudem kooperieren die Projektteams mit dem internationalen IN-COURT-Netzwerk, über das Forschende der Gerichtsforschung international vergleichend zusammenarbeiten.

Weitere Informationen: Kurzbeschreibung zum Projekt

Quelle: Pressemitteilung der Universität Bielefeld

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