29.01.2025 Von unbekannten Krankheitserregern zur geplanten Pandemie-Vorbereitung

Diskussionsforum zur Pandemie-Vorsorge MAP-X nimmt unter Leitung von Prof. Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding Fahrt auf

Bild eines Hörsaals über die Köpfe der Zuhörenden zur Vortragenden.
Foto: MAP-X/Uni Marburg
Die Auftaktveranstaltung zog zahlreiche Zuhörer*innen an.

Wie brisant und aktuell das Programm der Auftaktveranstaltung des Forums MAP-X (Marburg Preparedness for X) am vergangenen Mittwoch, dem 22. Januar 2025 war, machten jüngste Schlagzeilen über neu aufgetretene Fälle an Infektionen mit dem Marburg-Virus in Tansania deutlich. Dazu passend hat sich das neu gegründete Forum zum Ziel gesetzt, Einblicke in Erfordernisse und Möglichkeiten der Bewältigung zukünftiger Pandemien zu vermitteln und dabei den interdisziplinären Dialog zu suchen. Gerichtet an das interessierte Marburger Publikum fand die öffentliche Veranstaltung im Rahmen eines Fachsymposiums des Arbeitskreises Vakzine der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) im Zentrum für Synthetische Mikrobiologie (SYNMIKRO) der Philipps-Universität Marburg statt.


„Wir alle haben durch COVID19 eine Pandemie erlebt. Wir wissen jetzt, warum wir für die Zukunft gerüstet sein müssen. Auch oder gerade wenn ein Erreger X noch nicht bekannt ist, sollten wir vorbereitet sein und wissen, mit welchen Technologien und Maßnahmen wir ihm am besten begegnen können“, erklärte Prof. Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding in ihrer Begrüßung und Einführung. Wie die Leiterin des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene an der Philipps-Universität Marburg erläuterte, wurde das MAP-X Forum gegründet, um neuartige Konzepte für die Pandemiebereitschaft zu entwickeln und nach Durchbruchsinnovationen und unkonventionellen technologischen Lösungen für die Impfstoff- und Arzneimittelentwicklung zu suchen.

Marburg-Virus als Modellvirus in der Forschung

Dr. Nadine Biedenkopf vom Institut für Virologie an der Philipps-Universität Marburg erinnerte daran, dass das Marburg-Virus erstmals 1967 in Marburg einen dokumentierten Krankheitsausbruch verursacht hat und seiner ursprünglichen Identifizierung auch seinen Namen verdankt. Wie Dr. Biedenkopf weiter ausführte, handelte es sich bei dem damaligen Ausbruch keineswegs um einen Laborunfall, sondern vielmehr um eine zufällige Einschleppung des Virus infolge des Imports von Labortieren aus Afrika. Die grünen Meerkatzen (Chlorocebus) aus Uganda sollten Verwendung finden als Spender von Nieren zur Herstellung der oralen Polio-Vakzine in Zellkulturen. Da das eingeschleppte Virus bis dahin völlig unbekannt war, konnten die Symptome der Erkrankung anfangs überhaupt nicht zugeordnet werden, was eine Infektionskette mit insgesamt 32 Personen und mehreren Todesfällen möglich gemacht hatte. Heute wird das Marburg-Virus als Modellvirus herangezogen, um in einem internationalen Forschungsprojekt genauere Einblicke in die Virusreplikation gewinnen zu können, berichtete Biedenkopf und verwies auf die Beteiligung ihrer Arbeitsgruppe mit dem BSL-4 (Biosafety-Level 4)-Hochsicherheitslabor auf den Lahnbergen. Die detaillierte Erforschung der Pathogenitäts- und Virulenzfaktoren als Blaupause für weitere Viren aus einem ähnlichen Erregerspektrum soll auch neue Aufschlüsse über den zweiten Vertreter der Familie der Filoviren verschaffen, der 1976 erstmals identifiziert wurde, das Ebolavirus.

Erfahrungsbericht und Lesung über die Ebola-Epidemie in Westafrika 2013-16

In ihrem Vortrag berichtete Dr. Sabine Walter, Regionalärztin des Auswärtigen Amtes in der Deutschen Botschaft Jakarta über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus der großen Ebola-Epidemie in Westafrika 2013 – 2016. Die Fachärztin für Innere Medizin, Infektiologie und Tropenmedizin war damals für das Auswärtige Amt in Westafrika tätig und wurde dort – zufällig und unvorbereitet – Zeugin des weltweit bis heute noch schwersten Ebola-Ausbruchs. Ihre Reisen in mehrere afrikanische Staaten, darunter Ghana und Guinea, Liberia und Sierra Leone, waren die Basis für Sachstandsberichte an Entscheidungsträger des Auswärtigen Amtes und für Betroffene, die in diesen Ländern lebten und arbeiteten. Ihre Erlebnisse und Einschätzungen aus dieser Zeit hat sie mittlerweile in ihrem Buch „Die große Ebolaepidemie in Westafrika 2013 – 2016, Erinnerungen einer Ärztin“ veröffentlicht. In Auszügen daraus, machte sie deutlich, welche Probleme in der Bewältigung von Epidemien auf Seiten der medizinischen Versorgungsstrukturen insbesondere in unterentwickelten Ländern bestehen. In ebenso authentischer wie bewegender Weise skizzierte sie die Entwicklung der Epidemie von anfänglich nur punktuellen Ausbrüchen in einzelnen Orten und begrenzten Regionen bis hin zum wahren Flächenbrand grenzübergreifend in mehreren Ländern Westafrikas. So kam es zu Hochzeiten der Epidemie zu mehr als 1.000 Neuinfektionen pro Woche und insgesamt zu 28.616 dokumentierten Infektionen mit 11.310 Todesfällen. Bei notdürftiger Unterbringung in Zelten konnten die Erkrankten teilweise lediglich mit Wasser versorgt werden, um sie vor akuter Dehydration zu retten.

Lehren aus der Epidemie

Frau Dr. Walter veranschaulichte in ihrem Bericht auch in drastischer Weise, wie die medizinische Versorgung im Falle einer Epidemie eines solchen Ausmaßes von finanziellen Ressourcen abhängig ist. Nach dem nahezu vollständigem Zusammenbruch der ohnehin nur rudimentären Gesundheitssysteme brachte ein Hilferuf der damaligen Staatspräsidentin von Liberia Ellen Johnson Sirleaf an die Industrieländer der westlichen Welt den Beginn einer Wende. Erst mit finanzieller personeller und materieller Unterstützung konnte die Epidemie beendet werden.

Forum Marburg Preparedness for X (MAP-X) – eine Marburger Initiative mit Modellcharakter

Die Corona-Pandemie, deren Beginn sich zum fünften Mal jährt, hat gezeigt, dass Infektionserreger beim Individuum und in einer Population am effektivsten und nachhaltigsten mit vorbeugenden Impfungen bekämpft werden können. Epidemien und Pandemien lassen sich entsprechend am wirkungsvollsten durch Kenntnis der möglichen Maßnahmen und die Bereitstellung und den schnellen Einsatz von Technologien für die Impfstoffentwicklung bekämpfen. Was auf individueller Ebene zum Schutz einzelner Personen gilt und daraus abgeleitet auf kollektiver Ebene zum Schutz einer Population gegenüber einem Virus oder Bakterium erforscht, geplant und umgesetzt werden kann und sollte, lässt sich auf die nächst höhere Ebene übertragen. Auf individueller, populationsbezogener und gesellschaftlicher und daraus abgeleitet auf politischer und administrativer Ebene sollten Maßnahmen zur Pandemie-Vorbereitung getroffen werden, die aufbauend auf die Epidemiologie insbesondere auch organisatorische Aspekte ihrer realitätsnahen Umsetzung berücksichtigt.


Der grundsätzliche Zusammenhang von infektionsbiologischen, technologischen und gesellschaftspolitischen Dimensionen in der Auseinandersetzung zwischen Menschen und Infektionserregern bildet die Grundlage für Idee und Konzeption des Forums MAP-X, das Anfang 2025 auf Initiative von Prof. Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding ins Leben gerufen wurde. Sie erläuterte, dass bereits eine Auflistung der Risikofaktoren für eine pandemische Ausbreitung von Infektionserregern die Multidimensionalität der Gesamtproblematik deutlich macht: Globalisierung, Klimawandel (Wassererwärmung, Vektorenverbreitung, Eisschmelze), schlechte Hygienebedingungen (Naturkatastrophen, Kriegsgebiete), Tier-Mensch-Kontakt (Zoonosen) und Exposition gegenüber antimikrobiellen Substanzen.
Auf Seiten der biologischen und medizinischen Forschung kommt es ihren Ausführungen zufolge für eine verbesserte Pandemiebereitschaft zum einen darauf an, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Epidemiologie voranzutreiben und dabei die Risikobewertung bekannter Infektionserreger zu validieren ebenso wie Frühwarnsysteme gegenüber neuen Bedrohungen zu etablieren. Zum anderen sollten alle technologischen Möglichkeiten mobilisiert und weiterentwickelt werden, um Impfstoffe und Therapeutika als Erreger-abhängige und -unabhängige Vorsorgemaßnahmen zu erforschen, entwickeln und in Verkehr zu bringen.
Eine verbesserte Pandemiebereitschaft ist aber keineswegs nur auf rein naturwissenschaftliche Aspekte beschränkt und bedarf eines vorbeugenden Engagements insbesondere auch derjenigen, die mit der organisatorischen Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen und mit der Kommunikation während einer Pandemie betraut sind.
Ganz in diesem Sinne legt das Forum MAP-X allergrößten Wert auf eine von Beginn an interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen, die im Ernstfall in eine Pandemiebewältigung involviert sind. Dazu gehören neben den einzelnen Fachbereichen aus der biologischen und medizinischen Forschung und Psychologie vor allem auch Fachbereiche der Geisteswissenschaft wie die Politologie, Soziologie, Geschichte, und die Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Ganz in diesem Sinne sind Vertreter und Angehörige all dieser Fachdisziplinen dazu aufgerufen, sich mit ihrer Expertise und Ideen an MAP-X zu beteiligen, um für die Vorbereitung auf die nächste Pandemie einen Beitrag zu leisten.

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