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Die 63. Rencontre Assyriologique Internationale wird vom 24.-28. Juli 2017 an der Philipps-Universität Marburg stattfinden. Es ist das zehnte Mal, dass die Rencontre in Deutschland veranstaltet wird (nach Heidelberg 1959, 1992, München 1970, Göttingen 1975, Berlin 1978, 1994, Münster 1985, 2006, und Würzburg 2008).
Das Leitthema lautet
Dealing with Antiquity – Past, Present, and Future.
Past
Für die Kulturen des Alten Orients spielte die Vergangenheit stets eine entscheidende Rolle. Dies gilt für die materiellen genauso wie für die ideellen Bereiche:
Der Erhalt von traditionsreichen Orten war für die Herrscher eine vorrangige Pflicht, historische Monumente wurden öffentlich ausgestellt, Artefakte gesammelt, überlieferte Motive im Repertoire der Bildkunst etabliert.
Die Erklärung der Welt geht oft an den Anfang der Geschichte zurück. Dort entstanden die idealen Modelle und die kulturellen Leitideen, die von den „Sieben Weisen“ der Menschheit übermittelt wurden. Die Erinnerung an berühmte Vorfahren wurde lebendig gehalten, und sie dienten als Vorbilder.
Mündliche Tradition und schriftliche Überlieferung wirkten bei der Wahrung des kulturellen Gedächtnisses zusammen. Narrative verbreiteten sich über weite Regionen, und die Geschichte von Texten kann sich über Jahrhunderte und sogar Jahrtausende erstrecken. Das literatursprachliche Ideal konservierte eine alte Sprachstufe, und die archaisierende Schrift erhielt hohes Prestige.
Das kulturelle Gedächtnis übernahm eine Schlüsselfunktion für die Ausbildung von kollektiver Identität. Die Konstruktion der Vergangenheit war ein Mittel, Institutionen zu legitimieren und der Gegenwart Sinn zu verleihen. Der Alte Orient zeigte eine bemerkenswerte Kreativität bei der erfolgreichen Integration von Konvention und Innovation.
Dieses breite Themenspektrum kann unter den Perspektiven von schriftlicher Überlieferung, Geschichte, Archäologie und Kunstgeschichte behandelt werden und die Perioden von der prähistorischen Zeit bis zum Ende der altorientalischen Kultur umfassen.
Present
„Present“ darf hier in einem sehr weiten Sinn verstanden werden. Es umfasst das Erbe des Alten Orients und seinen Beitrag zur Weltkultur, die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte von der Spätantike bis in die Gegenwart. Die Prägung der nachfolgenden Kulturen in Asien, Nordafrika und Europa sind dabei ebenso von Interesse wie die Inspirationen, die seit seiner Wiederentdeckung vom Alten Orient ausgingen und auf die neuzeitliche Kultur, insbesondere in der Literatur, bildenden Kunst und Musik, einwirkten.
In den modernen Staaten des Nahen Ostens spielte das kulturelle Erbe eine bedeutsame Rolle bei der Ausbildung der nationalen Identität, und die Vergangenheit wird häufig instrumentalisiert, um aktuelle Interessen zu vertreten. „Dealing with Antiquity“ zeigt in diesem regionalen Kontext sehr spezifische Ausprägungen.
Future
Die Altorientalistik hat große Aufgaben vor sich und muss sich neuen Anforderungen stellen. Die Bedeutung der Vergangenheit Mesopotamiens erreicht zunehmend das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit, von Medien, Bildungseinrichtungen und Kulturorganisationen. Der Kulturgüterschutz ist auf die Agenda der Politik gerückt. Die reichen und einzigartigen Wissensbestände finden vermehrt das Forschungsinteresse von Nachbardisziplinen. Die Vermittlung dieser Kenntnisse ist die Domäne der Altorientalistik. Die Rencontre kann ein Forum für die Reflexion über die Aufgaben und den Austausch von Erfahrungen sein sowie Impulse für zukunftsweisende Aktivitäten setzen.
Die Altorientalistik erlebt ferner durch die neuen Informationstechnologien eine entscheidende Umbruchphase. Erstmalig können die großen Datenbestände, die mit konventionellen manuellen Verfahren nicht umfassend zu bearbeiten waren, erschlossen werden, und zahlreiche Projekte beteiligen sich an dieser Aufarbeitung. Die modernen Möglichkeiten der Digital humanities haben viele neue Wege eröffnet und einen Schub an innovativen Forschungsthemen, Methoden und Erkenntnissen ausgelöst. Die Rencontre fungiert als Plattform für die Vorstellung von Projekten und für den Austausch von Ideen und Konzepten.