03.08.2018 In der Radiosendung "Tag für Tag" des Deutschlandfunk sprach Monika Dittrich mit Pierre Hecker über Atheismus in der Türkei

Foto: Malte Wingen

Pierre Hecker leitet das von der Mercator Stiftung geförderte Forschungsprojekt Atheismus & Die politische Bedeutung von Kultur in der heutigen Türkei in Kooperation mit dem Institut für Soziologie der Bahçeşehir Universität in Istanbul. Ziel des Forschungsprojektes ist die Untersuchung zeitgenössischer Diskurse um Atheismus in der Türkei im Kontext des sich gegenwärtig in der Türkei vollziehenden Kulturkampfes.

Interviewausschnitt

Monika Dittrich: Jahrzehntelang galt in der Türkei das Dogma: Religion ist Privatsache. Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk hatte den Laizismus als Verfassungsprinzip etabliert und alles Religiöse und Islamische weitgehend aus dem öffentlichen Leben verbannt. Das war für ihn der Inbegriff einer modernen Türkei.

Seit einigen Jahren allerdings erlebt das Land eine Re-Islamisierung. Von einer "neuen Türkei" und einer "frommen Generation" ist die Rede. Dafür verantwortlich ist vor allem Recep Tayyip Erdogan, der Gründer der regierenden AK-Partei und Staatspräsident der Türkei. Was aber bedeutet diese Entwicklung, diese Re-Islamisierung für Menschen in der Türkei, die nicht religiös sind und sich selbst als Atheisten bezeichnen?

Der Islamwissenschaftler Pierre Hecker von der Universität Marburg leitet dazu ein Forschungsprojekt. Ich habe ihn gefragt, wie viele Atheisten es überhaupt in der Türkei gibt.

Pierre Hecker: Wirklich präzise kann ich Ihnen die Frage leider gar nicht beantworten, was schlichtweg der Tatsache geschuldet ist, dass wir nicht über das entsprechende Datenmaterial verfügen - beziehungsweise: Bisher wurde noch keine repräsentative Umfrage zu dieser Thematik in der Türkei durchgeführt. Das türkische Amt für Statistik hat allerdings in der Vergangenheit die Zahl der in der Türkei lebenden Muslime immer wieder mit 99,8% angegeben.

Und eine im Jahr 2014 durchgeführte Umfrage zu religiösem Leben in der Türkei von der türkischen Behörde für religiöse Angelegenheiten sprach wiederum von 99,2% bekennender Muslime in der Türkei, wobei die übrigen 0,8% - das waren entweder Personen, die keine Antwort gegeben haben oder unter die Kategorie "Andere" fielen, wobei "Andere" entweder meint: Christen oder Juden in der Türkei.

Trotz dieser Datenlage würde ich dennoch behaupten, dass der Anteil der Nichtgläubigen, der Atheistinnen und Atheisten in der Türkei durchaus signifikant ist - auch wenn ich weiß, dass ich mich damit ein bisschen aus dem Fenster lehne mit der Aussage. Und wahrscheinlich würden fromm-konservative Personen sagen: Nein, das ist auf gar keinen Fall da …

Das vollständige Gespräch können Sie nachlesen oder hören.

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