15.05.2020 Reisen oder Studium? Ganz einfach! Reisen im Studium!

Wir, die Master Studierenden der Islamwissenschaft und der Nah- und Mitteloststudien am Marburger CNMS (Center for Near and Middle Eastern Studies) kombinieren die zwei unentbehrlichen Wege der Bildung und reisen mit Unterstützung der Universität in der Reading-Week vom 17.11.2019 bis zum 24.11.2019 im Rahmen einer Exkursion nach Kairo.

Foto: Sylvie Cloutier

Reisen oder Studium? Ganz einfach! Reisen im Studium!

In Zusammenarbeit mit dem Liasion Office Kairo (Außenstelle des CNMS in Kairo) Frau Irene El-Khorazaty und der Betreuung von Marburger Islamwissenschaftler Prof. Dr. Albrecht Fuess und dem Historiker Anthony Quickel (Projektleiter-EGYLandscape) haben wir die Gelegenheit bekommen, persönliche Erfahrungen über die historische Hauptstadt Ägyptens zu sammeln. Unter dem Motto „Das islamische Kairo“ möchten wir Orte erkunden, über die wir zuvor nur in Büchern lasen oder durch die Lehrveranstaltungen an der Universität gehört hatten. Obwohl die Exkursion mit der Überschrift auf das islamische begrenzt scheint, besuchen wir Orte in Kairo, deren Geschichte weit über die islamische hinausgeht. Bereits vor der Reise wählen wir jeweils ein Thema aus, zudem wir dann vor Ort Referate halten.

Los geht’s! 

Am frühen Morgen des ersten Tages der Exkursion machen wir uns auf die Zitadelle von Saladin (Qalaʿat Salāḥ ad-Dīn) (12. bis 13. Jhdt.), die den Namen ihres Erbauers, dem Herrscher der Ayyubiden trägt. Dort lernen wir während des Referats, dass die Zitadelle für den Schutz der Stadt vor den Kreuzrittern gebaut wurde. Nach den Ayyubiden entwickelte sich die seit 1979 zur UNESCO-Weltkulturerbe zählende Zitadelle zum strategischen Mittelpunkt für die regierenden Herrscher und diente den Sultanen der Mamluken und später osmanischen Paschas als Residenz. Hinter den hohen Mauern auf der Anlage der Zitadelle sind mehrere zum Teil renovierungsbedürftige Gebäude, welche die damalige Hofkultur und den Wandel auf der Zitadelle ansatzweise veranschaulichen lassen. Unsere Referentin erklärt anhand einer Skizze, wofür welches Haus zu welcher Zeit errichtet und genutzt wurde. Zu diesen Häusern gehörten auch die mamlukische Ibn Qalawun-Moschee sowie die osmanische Muhammad Ali Pascha-Moschee, ein weiteres Zeichen der Stadt Kairo, welches schon weit aus der Ferne aufgrund ihrer Lage ins Auge sticht. Nach dem Besuch dieser beeindruckenden Bauten, genießt die Gruppe die Aussicht von der Zitadelle auf den historischen Teil von Kairo. Ohne ein Foto verabschiedet man sich von diesem Anblick natürlich nicht.

Esat Öztürk

Als nächstes gehen wir zu Fuß zur von der Zitadelle unweit entfernten Sultan Hasan Moschee mit Madrasa (14 Jhdt.), die zu ihrer Zeit als die größte Moschee auf der Welt galt und kein Dach hat, was für die dortigen Moscheen üblich ist. Dort bekommen wir zu sehen wie die traditionelle islamische Unterweisung auf höherem Niveau stattfand. Die Madrasa war nicht nur für eine bestimmte Rechtsschule bestimmt. Alle vier Rechtsschulen des traditionellen Islam hatten im gleichen Haus ihren Platz gehabt. Benachbart zu dieser Moschee ist die im Zuge der Modernisierung gegen Ende des 19. Jhdt. bis Anfang des 20. Jhdt. erbaute Ar-Rifai-Moschee. Diese Moschee wird, wie man ihrem Namen entnehmen kann, einem früheren Sufi-Orden der Rifai zugeschrieben. Unter dem Dach dieses Hauses befindet sich auch das Grab von Mohammad Reza Pahlavi, der im Exil in Kairo starb.

Esat Öztürk

Nach einem Gang durch die historischen Gassen Kairos besuchen wir als letzten Besichtigungsort des ersten Tages die Ibn-Tulun-Moschee. Diese wurde von dem Herrscher der Tuluniden Ahmad-Ibn-Tulun im 9. Jhdt. errichtet. Diese historischen Moscheen stellen zur Schau, dass Kairo unter den Muslimen das Haus unterschiedlicher Herrschaften und überwiegend islamisch geprägten Kulturen war. Jede Moschee ist in ihrem Kontext für ihre Zeit zu verstehen und bringt eine andere historische Perspektive mit sich.

Nach einem kurzen Besuch des Hauses des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), welches ehemals die Residenz des deutschen Botschafters war und heute die Außenstelle der Freien Universität Berlin, Technischen Universität München, Technischen Universität Berlin und Philipps Universität Marburg zugleich, begeben wir uns in ein Restaurant, das sich wie das DAAD-Haus auf der Insel Zamalek befindet. Zamalek erstreckt sich parallel zu Zentral-Kairo auf dem Nil. Viele ausländische Institute und auch Botschaften sind dort ansässig. Dementsprechend wird es nicht schwer dort die europäische Küche wiederzufinden.

Der lange Tag endet dann mit einer gemütlichen Bootsfahrt auf dem Nil, während eine Kommilitonin über die Insel Zamalek referiert. Nach der Bootsfahrt verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg zu unseren Bleiben, die wir bereits vor der Exkursion selbst organisiert hatten.

Am zweiten Tag fahren wir mit dem Bus zur Amr Ibn al-As-Moschee (7. Jhdt.). Die erste Moschee auf ägyptischem Boden und somit auf dem afrikanischen Kontinent. Ein Beispiel für die frühislamische Architektur, wobei mit der Zeit einige Ergänzungen und Änderungen stattgefunden haben sollen. Amr Ibn al-As war ein Gefährte des islamischen Propheten Muhammad. Zur Zeit des zweiten Kalifen Omar Ibn al-Khattab machte er sich in das ägyptische Land und dadurch breitete sich die arabisch-islamische Kultur aus. Ibn al-As gilt als Gründer der Stadt Al-Fustat. Als erstes errichtete er dort die Moschee, die bis heute seinen Namen trägt. Nach der Besichtigung und dem Referat geht es hoch auf den Muqattam Hügel mit dem Bus.

Einst Dynastie der Pharaonen, heute ausgegrenzte Minderheit: Die Kopten

Esat Öztürk

Die Straßen führen durch Manschiyyet Nasser (engl. Garbage City; Müllstadt). Manschiyyet Nasser ist ein Stadtteil von Kairo, der gegenüber der Zitadelle von Saladin unterhalb des Muqattam-Hügels liegt und als Mülldeponie von ganz Kairo bekannt ist. Zum größten Teil leben dort Menschen koptischer Ethnie christlichen Glaubens und versorgen ihre Familien mit dem Aussortieren und Recyceln des dort deponierten Mülls der aus ganz Kairo dorthin transportiert wird. Der Begriff Kopte bedeutet nichts anderes als Ägypter. So wird heute die Bevölkerung bezeichnet, die bereits mehrere Jahrhunderte vor der arabisch-islamischen Eroberung ansässig war und ihre durch das römische Reich christlich geprägte Kultur und Identität nicht gänzlich verloren hat. So bilden die Nachfahren der alten Ägypter eine Minderheit, welche in vielerlei Hinsicht Ausgrenzung erfährt. Nach einer mühsamen Busreise durch enge Straßen mit viel Verkehrsaufkommen kommen wir am Ziel an. Auf dem Gipfel des Hügels befindet sich die sehr große Höhlenkirche Sankt Sama'an für über 20.000 Gläubige. Zwei inmitten der Felsen platzierte Steinplatten mit den zehn Geboten empfangen die Besucher.

Esat Öztürk

Auf dem Programm des zweiten Tages steht zunächst die in 1968 eingeweihte St. Markus Kathedrale. Ihren Namen hat die Kathedrale von dem Evangelisten Markus, der als Gründer und auch erster Papst der koptischen Kirche angesehen wird. Die vom Zentrum von Kairo östlich gelegene Kathedrale ist Sitz des gegenwärtigen Oberhauptes Tawadros II. der koptischen Kirche und eine der größten Kirchen in Afrika. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen am Eingang wird der Exkursionsgruppe die Besichtigung der Gebetsstätte erlaubt. Für den restlichen Tag bleibt den Studierenden noch Zeit für einen freiwilligen Bummel auf dem Markt. Die perfekte Gelegenheit um auf die im Studium angeeigneten Arabisch-Kenntnisse zurückzugreifen.

New Cairo; der langsam blühende Kapitalismus in der Wüste

Am dritten Tag der Exkursion fährt die Gruppe ca. 50 km aus der historischen Stadt raus in die östliche Wüstengegend, um sich einen persönlichen Eindruck über das Prestigeprojekt „New Cairo Capital“ des Landes zu machen, das als Zukunft der Stadt Kairo und somit Ägyptens betrachtet wird. Eine mehrere milliardenschwere staatliche Investition, die vorwiegend aus dem Ausland finanziert wird. Je mehr der Bus vom veralteten städtischen Gebiet in Richtung New Cairo fährt, desto augenfälliger scheinen einige neue Unternehmensgebäude mit großen Fensterscheiben, sowie bewohnte gepflegte Siedlungsgebiete hinter Mauern und Geschäfte, auf deren Vitrinen berühmte Namen italienischer und englischer Modehersteller angebracht sind.

Der erste Halt ist die Christi-Geburt-Kathedrale. Eine im Frühjahr 2019 eingeweihte koptische Kathedrale, die gleichzeitig Platz für ca. 8.000 Gläubige bietet und damit die größte Kathedrale im Nahen Osten ist. Danach fährt die Gruppe weiter zum administrativen Zentrum, das allerdings noch in der Entstehungsphase ist. In Begleitung des Pressesprechers des Projekts bekommen wir vor dem zukünftigen Parlamentsgebäude Informationen über die Pläne und den Gebäudekomplex, wo nach Abschluss der Bauarbeiten 23 Ministerien ansässig werden sollen. Abschließend zeigt der Pressesprecher der Gruppe eine Gegend mit unzähligen Appartements, die Wohnräume für die Bevölkerung bieten soll. 

Esat Öztürk

Das nächste Ziel ist die American University of Cairo (AUC). Diese in der ersten Hälfte des 20. Jhdt gegründete Universität ist eine der renommiertesten Universitäten im Nahen Osten. Der später errichtete Campus gehört von der geographischen Lage her zum bereits entstandenen Teil von New Cairo. Dort bekommen die Studierenden in einer Präsentation Informationen über die Fachbereiche und Forschungsmöglichkeiten, welche für sie interessant sein könnten. In der Bibliothek werfen wir einen Blick in die handschriftlichen Sammlungen der AUC, die wir jedoch nicht berühr dürfen. Mit dem Sonnenuntergang endet der Besuch und wir machen uns auf die Rückfahrt.

Downtown Kairo. Moderne europäische Architektur des 19. Jahrhunderts im Stadtkern

Am Morgen des vierten Tages treffen wir uns am Midan Talaat Harb (Platz des Talaat Harb). Auf dem Programm steht die Besichtigung Downtown Kairos. Der für diesen Tag organisierte ägyptische Reiseführer zeigt uns die historischen Bauten und erklärt auf Englisch, welche architektonischen Merkmale der Häuser zu welcher Zeit gehören und was das zu bedeuten hat.

Esat Öztürk

Nach der interessanten Führung durch die Straßen gehen wir in das Restaurant Eish wa Malh. Nach einem weiteren Referat auf dem Platz der Republik geht es weiter ins Museum für islamische Kunst. Die Sammlung von Handschriften bis zu Schmuckstücken verleiht uns einen Einblick in die islamische Kunst. Der Tag endet dann im großen und gepflegten Al-Azhar-Park, der für die Einwohner Kairos eine Auszeit im Grünen ermöglicht.

Na endlich! Die Pyramiden von Gizeh

Wer schon in Kairo ist, sollte selbstverständlich die Pyramiden von Gizeh gesehen haben. Dafür machen wir uns mit dem Bus am Freitagmorgen in Begleitung von Mitarbeiterinnen des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo auf den Weg nach Gizeh. Eine außergewöhnliche Erfahrung für die, die das erste Mal da sind. Die Mitarbeiterinnen führen uns über das Gelände und referieren über die Geschichte und baulichen Merkmale der Pyramiden. Archäologische Funde weisen darauf hin, welche Rolle der Glaube an den Tod spielte, wie umfassend im alten Ägypten der Totenkult war und was die Funde bei den Ausgrabungen zu bedeuten hatten. Unter der strahlenden Sonne sind dort nicht nur die Pyramiden besonders. Die Große Sphinx von Gizeh, eine Statue mit menschlichem Kopf und dem Körper eines Löwen, gehört wie auch die Pyramiden zu den historischen Merkmalen des alten Ägyptens. Nach einer Mahlzeit im Restaurant Felfela geht es zum Egyptian Museum das in der Nähe des durch die Demonstrationen während der Aufstände ab 2011 berühmt gewordenen Tahrir-Platzes ist. In dem Museum sind Ausstellungen archäologischer Funde über die bekanntesten Pharaonen und über das alte Ägypten zu besichtigen. Die berühmten Schätze des altägyptischen Pharaos Tutanchamun, dessen nahezu unbeschädigtes Grab erst im 20. Jhdt entdeckt wurde, werden zur Sicherheit in einem besonderem Raum zur Schau gestellt. Der Freitag an dem es hauptsächlich um das alte Ägypten ging, endet mit dem Besuch des Museums.

Abschied von Kairo auf dem Bab Zuweila

Samstag ist der letzte Tag der Exkursion. An diesem Tag begeben wir uns in die historische islamische Altstadt von Kairo, wo die Spuren der Fatimiden (969-1171), Ayyubiden (1171-1250), Mamluken (1250-1517), Osmanen (1517-1798) zu finden sind. Dazu gehört die von den schiitischen Fatimiden erbaute Azhar-Moschee mit Funktion eines Bildungszentrums, das bis heute besteht. Die gegenwärtige innerhalb der islamischen Welt wertgeschätzte Azhar Universität ist die Fortsetzung des Bildungszentrums. Im Hospital vom mamlukischen Herrscher Qalawun gibt es Manuskripte mit Abbildungen, die darstellen wie medizinische Eingriffe etc. zu der Zeit ausgeführt wurden.

Für einen unvergesslichen Abschied von Kairo sorgt die Besteigung der Bab Zuweila, eines der erhaltenen Tore der islamischen Altstadt von Kairo mit zwei Minaretten. Als der osmanische Sultan Selim I. nach Straßenkämpfen die Schlacht für sich entschieden hatte, wurde der mamlukische Gegenspieler Tuman Bay unter diesem Tor vor den Augen seines Volkes erhängt. So grausam die Geschichte unter dem Tor klingt, ist der weite Anblick auf Kairo auf dem Dach sehenswert. Abschließend können wir festhalten, dass Kairo für uns nicht mehr nur eine Stadt ist, die wir vorwiegend aus den Medien kennen, sondern ein Ort, über den wir persönliche Erfahrungen gesammelt haben, die uns neue Perspektiven beim Studium bringen werden. Auf diesem historischen Bab Zuweila verweilen wir und machen Fotos von der schönen Aussicht beim Sonnenuntergang.

Ein Reisebericht von Esat Öztürk

Esat Öztürk

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