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Das Phänomen ‚Scheintod‘ in der arabischen Medizin anhand des Buches „Über das Verbot der Beerdigung Lebender [d.h. Scheintoter]“ von ʿUbaidallāh ibn Ǧibrīl Ibn Buḫtīšūʿ (11. Jh. AD)
Bearbeiter: Oliver Kahl
ʿUbaidallāh war ein Angehöriger der berühmten syro-persischen Ärztefamilie der Buḫtīšūʿ, die über einen Zeitraum von mehr als 300 Jahren, von der Mitte des 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts AD, die Entwicklung der medizinischen Theorie und Praxis in der östlichen islamischen Welt nachhaltig mitbestimmt hat, zuerst als gesundheitliche Berater der abbasidischen Kalifen in Bagdad und später auch an den Höfen der Buyidenherrscher.
In ʿUbaidallāh’s Schrift wird der Übergangscharakter des Todes vom Sein zum Nichtsein und seine potenziell trügerische Natur auf einer rein medizinischen Grundlage diskutiert, und in eben dieser Thematisierung des Problems und seiner Loslösung von mythologisch-religiösen und rituellen Aspekten liegt die große Bedeutung des Werkes. Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und hervorheben, dass ʿUbaidallāh’s Schrift durch ihre Betrachtung des Todesphänomens unter dem ausschließlichen Gesichtspunkt der Medizin auch in den vormodernen europäischen Literaturen oder etwa in der reichen medizinisch-literarischen Tradition der Inder und Chinesen kein Gegenstück hat.
Das Werk ist in einer einzigen, vollständigen arabischen Handschrift erhalten (Leiden 1333), die von der Forschung bisher weitgehend unbeachtet geblieben ist. Im Rahmen dieses Projekts der Marburger Semitistik hat Oliver Kahl eine kritische Edition des Werks erstellt, eine Übersetzung, ebenso wie eine inhaltliche Analyse und ein Glossar der wichtigen arabischen Termini technici angefertigt.