14.02.2024 Podiumsdiskussion am 30. Januar 2024

Diskriminierungsrisiken im juristischen Staatsexamen

Rechtswissenschaftlerinnen im Gespräch mit dem Justizprüfungsamt
„Diskriminierungsrisiken im juristischen Staatsexamen – Hintergründe und Lösungsansätze“ Zu diesem Thema fand am 30. Januar 2024 im Vortragsaal der Universitätsbibliothek Marburg eine Podiumsdiskussion statt, an der ca. 100 Personen teilnahmen. Ziel der Veranstaltung war es, mögliche strukturelle und individuelle Hintergründe und Lösungsansätze von Diskriminie-rung in juristischen Prüfungen aufzuzeigen, Bewusstsein für Diskriminierungsrisiken zu schaffen und einen Austausch mit der interessierten Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Alle Fotos: Thomas Farnung, Pressestelle der Philipps-Universität

Das Podium besetzten MDgt’in Annell Zubrod (2. v. links), seinerzeit amtierende Präsidentin des Justizprüfungsamtes Hessen, sowie die Rechtswissenschaftlerinnen Prof. Dr. Stefanie Bock (2. v. rechts), Professorin am Fachbereich Rechtswissenschaften Marburg, und Susanna Roßbach (ganz rechts), Marburg-Alumna und Vorsitzende des Arbeitsstabs Bildung und Beruf des Deutschen Juristinnenbundes e. V. (djb). Prof. Dr. Roman Poseck als ehemaliger Landesjustizminister hatte seine Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Die Moderation über-nahm Sarah Praunsmändel, Referentin des Prüfungscoachings für Studentinnen* in Frankfurt und Marburg (ganz links).
Nach Eröffnung der Veranstaltung durch das Team der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Fachbereichs sprach Vizepräsidentin Prof. Dr. Sabine Pankuweit ein Grußwort. In ihrem Grußwort betonte Prof. Pankuweit die Bedeutung der vorbehaltlosen Auseinandersetzung mit dem Thema Diskriminierung als Ausgangspunkt für den Abbau von Diskriminierungseffekten wie etwa einen Gender Noten Gap.

Anschließend stellten Prof. Bock und Frau Roßbach in zwei Impulsvorträgen relevante Studien
vor. Frau Roßbach stellte eine grundlegende Untersuchung aus dem Jahr 2017 vor, die belegte,
dass Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte in der mündlichen Prüfung im Durchschnitt
schlechter abschnitten.1 Auf dieser Grundlage habe der Deutsche Juristinnenbund durch
Auswertung der Ausbildungsgesetze und -verordnungen der Länder sowie Gespräche mit den
Prüfungsämtern Lösungsansätze für eine diskrimierungssensiblere mündliche Prüfung erarbeitet,
darunter die Einführung verpflichtender Schulungen für Prüfende, klare und verbindliche
Vorgaben für die Bewertungskriterien, die geschlechtergerechte Besetzung der Prüfungskommissionen
sowie die Abschaffung des Prüfungsvorgesprächs und der Vornotenkenntnis.Auf
diese Forderungen des Deutschen Juristinnenbundes wurde auch in der anschließenden Diskussion
eingegangen.
Prof. Bock stellte sodann die umfassenden Bemühungen des Fachbereichs in Gestalt verschiedener
Initiativen zum Abbau von Diskriminierung sowie ihre Untersuchung zu einem möglichen
Gender Noten Gap zulasten von Frauen dar. Während ein solcher für das Studium in Marburg
nicht belegt werden konnte, zeigt sich eine solche Abweichung auf allen Notstufen in der
staatlichen Pflichtfachprüfung.3
In der folgenden Podiumsdiskussion nannte Prof. Bock die Geschlechterverteilung der Korrekturkräfte
sowie zusätzliche Belastungs- und Diskriminierungsfaktoren von Frauen im Sinne der
intersektionalen Diskriminierung als mögliche Gründe für ein Gender Noten Gap zulasten von
Frauen. Die Diskussion wurde abschließend für das Plenum geöffnet.

Offene Fragen und Handlungsbedarf bleiben dennoch: Es braucht mehr Anreize für junge Prüferinnen (z. B. Kinderbetreuung, Entlastung etwa durch die Reduzierung der Anzahl der zu korrigierenden Examensklausuren sowie stärkere Berücksichtigung der Prüfungstätigkeit im Hinblick auf das berufliche Fortkommen). Wünschenswert wäre zudem eine verbesserte statistische Datenlage, etwa die Aufschlüsselung nach mündlichen und schriftlichen Prüfungsergebnissen durch das Justizprüfungsamt oder die Untersuchung der Prüfungsergebnisse im Schwerpunktstudium durch den Fachbereich.
Für weitere Fragen und Vertiefung bot der anschließende Sektempfang Gelegenheit.
Die Podiumsdiskussion wurde durch die Förderlinie „nachhaltig chancengleich!“ der zentralen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, den Ursula-Kuhlmann-Fonds sowie die Marburger Juristische Gesellschaft e.V. finanziell unterstützt.
Die Veranstaltung wurde im Rahmen eines Projektes der Frauen- und Gleichstellungsbeauf-tragten des Fachbereichs organisiert. Das Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren und umfasst neben der Podiumsdiskussion vier Prüfungscoachings für Studentinnen*.
Das nächste Prüfungscoaching zur Vorbereitung auf die mündliche Pflichtfachprüfung mit Sa-rah Praunsmändel wird am Freitag, den 26. April, von 13:30 – 17:30 Uhr stattfinden und steht allen fortgeschrittenen Studentinnen* der Rechtswissenschaften offen. Die offizielle Bekannt-gabe und Anmeldung erfolgen im März.

1 Towfigh/Traxler/Glöckner, Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsprüfungen,
ZDRW 2018/2, 115-142.
2 Heppner/Wienfort/Härtel, Blackbox Mündliche Prüfung – Diskriminierungspotentiale in den juristischen Staatsexamina, ZDRW 2022/1, 23-40.
3 S. die Pressemitteilung unter https://www.uni-marburg.de/de/fb01/aktuelles/nachrichten/keine-hinweise-auf-eingender-noten-gap-am-fachbereich-rechtswissenschaften.