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In der Forschungswerkstatt Kritische Strafrechtsgeschichte nehmen Studierende eigenständige Forschungen durch Archivrecherchen, Auswertung von Originaldokumenten wie Justiz- und Personalakten sowie ggf. Interviews von Zeitzeug*innen zu einem eng abgesteckten Themenfeld im Bereich der Juristischen Zeitgeschichte (z.B. ein spezifisches Verfahren oder Ereignis, eine Person) vor und führen ihre Recherchen dann in einem gemeinsamen Arbeitsprodukt (z.B. Podcast, Screencast oder Lehrvideo) zusammen, das veröffentlicht wird. 

Im Wintersemester 2023/24 fand eine Forschungswerkstatt zu dem Marburger Juristen Heinz Düx (1924-2017) statt, der am 26. April 2024 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Düx wirkte als für die gerichtliche Voruntersuchung verantwortlicher Richter an den von Fritz Bauer orchestrierten Ermittlungen der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft zum Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz mit. Am OLG Frankfurt/Main bemühte sich Düx über Jahrzehnte um eine gerechtere Ausgestaltung der entschädigungsrechtlichen Praxis. Zudem nahm er bis an sein Lebensende zu einer Vielzahl von rechtpolitischen Fragen Stellung. Den von den Teilnehmer*innen der Forschungswerkstatt produzierten Podcast zu Heinz Düx finden Sie hier.

Im Sommersemester 2024 beschäftigten sich die Teilnehmer*innen der Forschungswerkstatt mit dem über Jahrzehnte an der Universität Marburg tätigen Strafrechtswissenschaftler Erich Schwinge (1903-1994), der in der NS-Zeit als Kommentator, Staatsanwalt und Richter an der unmenschlichen Militärjustiz während des 2. Weltkriegs mitwirkte. Nach 1945 verharmloste Schwinge die Militärjustiz und seinen eigenen Beitrag und beeinflusste mit seinen apologetischen Studien Jahrzehnte die öffentliche Wahrnehmung und Rechtsprechung zu diesem Bereich des NS-Unrechts in der Bundesrepublik. Den von den Teilnehmer*innen der Forschungswerkstatt produzierten Podcast zu Erich Schwinge finden Sie hier.

Im Sommersemester 2025 bildet die Strafsache gegen den ehem. Landgerichtsdirektor Fritz Hassencamp und den ehem. Kammergerichtsrat Dr. iur. Edmund Kessler den Gegenstand der Forschungswerkstatt. Die beiden Juristen mussten sich 1952 vor dem Schwurgericht am Landgericht Kassel dafür verantworten, dass sie am 20. April 1943 den ungarischen Staatsangehörigen Holländer wegen „Rassenschande“ gem. §§ 2, 5 Abs. 2 des sog. BlutschutzG v. 15. September 1935 als „gefährlichen Gewohnheitsverbrecher“ in Anwendung von § 20a StGB zum Tode verurteilten. Im Rahmen der Forschungswerkstatt soll unter Auswertung der Justizakten aus dem Hessischen Staatsarchiv und weiteren Recherchen insbesondere zu dem in Marburg geborenen und an der Marburger Universität ausgebildeten Juristen Edmund Kessler die Beispielhaftigkeit des Kasseler Verfahrens für den Umgang mit dem Justizunrecht der NS-Zeit untersucht werden.