17.10.2023 Gründungstreffen der European Study Group on Corporate Asset Locks im Europäischen Parlament
Am 12. Oktober 2023 fand im Europäischen Parlament in Brüssel das Gründungstreffen einer europäischen Forschungsgruppe statt, die sich mit Fragen der gesellschaftsrechtlichen Vermögensbindung in rechtsvergleichender und europäischer Perspektive beschäftigt. Die Gruppe setzt sich aus Gesellschaftsrechtsprofessor:Innen aus 16 europäischen Mitgliedsstaaten zusammen. Seitens des Marburger Fachbereichs ist Prof. Florian Möslein Teil der Arbeitsgruppe. Gemeinsam mit Prof. Carolinha Cunha (Universität Coimbra, Portugal) und Prof. Alessio Bartolacelli (Universität Macerata, Italien) war er zudem maßgeblich an der Organisation des Brüsseler Workshops beteiligt.
Zum Auftakt der Veranstaltung berichtete Prof. René Repasi, Rechtsprofessor an der Erasmus-Universität Rotterdam und Mitglied des Europäischen Parlaments, über aktuelle Rechtsentwicklungen auf europäischer Ebene. Insbesondere im Rahmen des Entwurfs einer Mehrstimmrechtsaktien-Richtlinie würden erste Elemente der Vermögensbindung demnächst Eingang in das Europäische Gesellschaftsrecht finden. Zudem lieferten die Gesetzesvorschläge zum Europäischen Verein, die kürzlich von der Europäischen Kommission vorgelegt worden sind, eine Blaupause für eine Rechtsform, die zwar Gewinne erwirtschaften, aber nicht ausschütten könne. Perspektivisch seien ähnliche Elemente auch in gesellschaftsrechtlichem Zusammenhang denkbar.
Auf nationaler Ebene sind in verschiedenen Mitgliedsstaaten ähnliche gesellschaftsrechtliche Tendenzen zu verzeichnen, unter anderem in Portugal, vor allem aber in Deutschland. Der Koalitionsvertrag hat sich die Einführung einer entsprechenden Rechtsform zum Ziel gesetzt. Dort heißt es: „Zu einer modernen Unternehmenskultur gehören auch neue Formen wie Sozialunternehmen oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen. (...) Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt.“
Das Instrument der Vermögensbindung bildet die Grundlage des sog. Verantwortungseigentums, auch als „treuhänderisches Eigentum“ bekannt. Es beschreibt eine Form von Eigentum an Unternehmen, die generationenübergreifend sicherstellt, dass Gewinne und Unternehmensvermögen der langfristigen Unternehmensentwicklung dienen. Diese Eigentumsform soll mit einer eigenen Rechtsform, der „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“, für kleinere und mittelständische Unternehmen zugänglich gemacht werden. In Deutschland wird die Debatte darüber, wie eine solche Rechtsform ausgestaltet werden müsste, bereits seit Juli 2020 intensiv geführt. Eine unabhängige Gruppe von Rechtsprofessor:innen, der unter anderem Prof. Florian Möslein - neben Prof. Anne Sanders (Universität Bielefeld), Prof. Barbara Dauner-Lieb (Universität zu Köln) sowie Prof. Rüdiger Veil (Ludwig-Maximilians-Universität München), ergänzt um die steuerrechtliche Expertise von Prof. Simon Kempny (Universität Bielefeld) - angehört, legte seinerzeit einen ersten Entwurf vor, wie der unternehmerische und rechtliche Bedarf als GmbH-Variante ausgestaltet werden könnte. Auf Basis des fortschreitenden rechtswissenschaftlichen Diskurses wurde dieser als 'Entwurf einer GmbH mit gebundenem Vermögen' im Februar 2021 nochmals nachgeschärft. In diesem Zuge verwiesen die Rechtsprofessor:innen darauf, dass der unternehmerische Bedarf noch passender und rechtssicherer in einer eigenständigen Rechtsform umgesetzt werden könnten. Vor diesem Hintergrund werden die rechtsvergleichenden Erkenntnisse der neuen europäischen Forschungsgruppe wertvollen Input auch für die Reformdiskussion in Deutschland liefern.