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Win-win-Situation bei der ICC Mediation Competition in Paris – Ein Erfahrungsbericht
Vom 8. bis zum 13.2.2013 fand in Paris die 8th ICC International Commercial Mediation Competition (ICCMC) statt. Ausrichter des jährlich stattfindenden Wettbewerbs ist die International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer), die dieses Jahr 65 Universitäten aus mehr als 30 Ländern, über 120 Professionals, zahlreiche Oberservers und Volunteers anlockte. Das Turnier steht Studierenden aller Fachbereiche offen, praktisch sind die meisten Teilnehmer Jurastudenten. Dieses Jahr nahm zum ersten Mal auch ein interdisziplinäres Team der Philipps-Universität Marburg aus vier Studierenden und zwei Coaches teil. Folgende Ausschreibung hatte uns Studierende im Herbst zur Bewerbung motiviert: „Die Teilnehmer haben die einzigartige Möglichkeit, ihre Verhandlungs- und Streitlösungsfähigkeiten zu trainieren, und das vor weltweit führenden Mediatoren, die am Wettbewerb teilnehmen. Inbegriffen sind interkulturelle Erfahrungen unschätzbaren Werts und eine Woche in Paris, außerdem eine weitere Festigung des Wirtschaftsenglisch. Die Teilnahme an der ICC Mediation Competition ist Ausweis besonderen Engagements und besonderer Fähigkeiten im Lebenslauf.“ Für uns war klar: auf nach Paris!
Unsere Coaches Patrik Mähling und Dr. Reinmar Wolff, die ebenfalls zum ersten Mal ein Team nach Paris begleitet haben, machten uns deutlich, dass die Teilnahme an der ICCMC viel Zeit und Eigeninitiative erfordern würde: Doch wie sollten wir uns auf dieses Event vorbereiten? Wie funktioniert eigentlich Wirtschaftsmediation? Wie können Mediationen – in denen es grundsätzlich nur Gewinner gibt – Gegenstand eines Wettbewerbs sein? Wie bereiten wir die Fälle am besten vor und wie soll eigentlich ein Mediationsplan aussehen? Mit diesen Fragen beschäftigten wir uns während des WS 2012/13, bevor wir dann im Februar in Paris endlich auf die anderen Teams aus aller Welt trafen.
I. Was ist Mediation?
Mediation ist eine alternative Streitbeilegungsmethode. Anstatt den Streit von einem Richter entscheiden zu lassen, versuchen die Parteien, mit Hilfe eines Mediators durch erfolgreiche Kommunikation eine gemeinsame Win-win-Lösung zu finden. Für die Parteien kann es dabei durchaus lohnender sein, die Interessen des Gegenübers in der Mediation zu erforschen und Gemeinsamkeiten auszuloten, anstatt sich durch ein jahrelanges Gerichts- oder Schiedsverfahren zu kämpfen. Auch wenn der Mediator als neutrale Person das Gespräch leitet, liegt es an den Parteien, in direkten Verhandlungen eine gemeinsame Lösung zu finden. Anders als vor dem Kadi heißt es: miteinander statt gegeneinander. Entsprechend erfordert die Mediation auch andere Fertigkeiten: Statt juristischer Streitgespräche und argumentativer Schärfe sind Verhandlungsgeschick, Einfühlungsvermögen und kreatives Denken gefragt. Das bedeutet jedoch nicht, dass Juristen in der Mediation entbehrlich sind. Vielmehr sind, insbesondere in der Wirtschaft, Anwälte mit ihrer juristischen Kompetenz unverzichtbar, um die Positionen der Mandanten zu stärken.
II. Unsere Vorbereitung auf die ICCMC
Zunächst befassten wir uns mit dem Zweck und Ablauf einer Wirtschaftsmediation unter besonderer Berücksichtigung der ICC ADR Rules (Amicable Dispute Resolution Rules) und der für das Turnier geltenden Competition Rules. Erste teaminterne Mediationen mit Fällen aus vergangenen Wettbewerben machten uns vertrauter mit der Materie und verhandlungssicherer im Englischen. Dadurch erlernten wir Strategien zur Lösungsfindung in Streitigkeiten und übten gleichzeitig Verhandlungs- und Mediationstechniken wie Spiegeln und aktives Zuhören. Die konkrete Vorbereitung begann mit der Veröffentlichung der diesjährigen Fälle durch die ICC Anfang November. Nach einer allgemeinen Einarbeitung bestimmten wir die Interessen, Positionen, BATNAs und WATNAs (Best/Worst Alternative To A Negotiated Agreement) für die eigene und die andere Partei. Im weiteren Verlauf der Vorbereitung entwickelten wir für unsere fiktiven Unternehmen Strategien zur Durchsetzung der Unternehmensinteressen gegen die anderen Parteien, die in Paris durch die Tbilisi State University, die Universidad Carlos III de Madrid, die Gottfried Wilhelm Leibniz-Universität Hannover und die University of New South Wales vertreten werden sollten. Ebenso haben wir die Rollenprofile von Client und Counsel geschärft. Alle Überlegungen bündelten wir in den sog. Mediation Plans, die wir der ICC bis Ende Januar zuschickten und den Juroren in Paris vor jeder Verhandlung zur Bewertung vorlegten. Keine Premiere ohne Generalprobe. Für letzte Übungsmediationen besuchten wir die ICC-Teams der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Beide Universitäten schicken bereits seit einigen Jahren Teams nach Paris, so dass wir von den Ehemaligen wichtige Hinweise zum Ablauf des Wettbewerbs erhalten konnten.
III. Der Wettbewerb
Im Wettbewerb verhandeln pro Partie (die Vorrunde besteht aus vier Partien) zwei Universitäten miteinander, welche von jeweils zwei Studierenden repräsentiert werden. Grundlegendes Fallwissen erhalten die Teams aus den ihnen im Vorfeld zugesandten allgemeinen, also beiden Parteien zugänglichen Informationen. Ebenso erhalten die Teams Confidentials, welche nur der jeweiligen Partei zugesandt werden und welche die besonders wichtigen individuellen Rollenbeschreibungen und Interessen der Konfliktparteien enthalten. Neben der subjektiven Sicht auf den Konflikt und den Zielen der eigenen Partei umfassen die Confidentials zumeist auch Hinweise auf die Rechtssituation und zeigen Leichen im eigenen und/oder fremden Keller auf.
Wie uns auch schon in unseren Übungsmediationen bewusst wurde, unterscheidet sich die Rolle des Mediators in der ICCMC von der in einer „realen“ Mediation. Die Mediatoren hatten die Vorgabe, sich nicht aktiv in die Kommunikation zwischen den Parteien einzumischen, sondern zu warten, bis sich eine der Parteien an sie wendet. Dadurch sollen die Studierenden ihre Fähigkeit, von der Hilfe des Mediators Gebrauch zu machen, unter Beweis stellen. Daneben wurden die Teams von den Juroren auch für das Einbringen von Handlungsoptionen und das Voranbringen der eigenen Interessen benotet. In der Bewertung liegt die eigentliche Herausforderung der ICCMC, denn in einem Wettbewerb gibt es Gewinner und Verlierer – das genaue Gegenteil einer Mediation. Da konkrete Verhandlungsergebnisse aufgrund des für eine Mediation sehr geringen Zeitrahmens von 85 Minuten nur schwer zustande kommen können und daher auch nicht in die Bewertung einfließen, wurde der Schwerpunkt auf die erlernten Soft Skills gelegt – eine naturgemäß recht subjektive Angelegenheit.
In den heiligen Hallen der ICC direkt an der Seine und in Pariser Großkanzleien hieß es dann, vor international renommierten Wirtschaftsmediatoren Opening Statements zu halten, aktiv zuzuhören, zu verhandeln und Vertrauen zur anderen Partei aufzubauen. Ihren besonderen Reiz gewannen die Mediationen durch ihren interkulturellen Charakter: So verhandelten wir in unserer ersten Partie gegen ein georgisches Team vor einem neuseeländischen Mediator unter den wachsamen Augen einer venezuelischen Jurorin und eines deutschen Jurors.
Trotz erfolgreicher und spannender Mediationen in der Vorrunde, die von den Juroren durchweg gelobt wurden, haben wir uns leider nicht für das Achtelfinale qualifiziert – trotzdem eine „Win-Situation“ für uns, denn im Unterschied zu den „bedauernswerten“ Teams, die in die Finalrunden einzogen, hatten wir die letzten zwei Tage auch Zeit, Paris zu erkunden und es uns mit Mediatoren, Anwälten und Studierenden aus aller Welt auf prunkvollen abendlichen Empfängen oder in der Competition Bar am Champs-Élysées gut gehen zu lassen.
IV. Fazit
Das wirkliche Ziel des Wettbewerbs, die Mediation gerade im interkulturellen Kontext als wertvolles Werkzeug zur Streitbeilegung zu begreifen, haben wir erreicht. Die Teilnahme des Marburger Teams bei der ICCMC 2012/13 haben unsere Sponsoren, der Marburger Universitätsbund und der Deutsche Akademische Auslandsdienst (DAAD), ermöglicht. Für ihre großzügige Unterstützung danken wir ihnen herzlich und hoffen, dass auch im nächsten Jahr wieder Marburger Studierende die Möglichkeit erhalten, am Wettbewerb teilzunehmen. Wir wollen diese Erfahrungen jedenfalls nicht missen!
Inga Ackermann, Christoph Homann, Anna Radina und Masud Ulfat