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Flying High – das Marburger Team bei der 15th ICC Mediation Competition

Flying High – das war der Titel des letzten Falls, den wir für die ICC Mediation Competition im Viertelfinale gegen die University of Auckland verhandelten. Er drehte sich um einen Flugreisenden, der wegen rüpelhaften Verhaltens eines Fluges verwiesen wurde und jetzt die Kosten für die Hotelübernachtung und den günstigeren Flug am nächsten Tag zurückfordert. Nach den allgemeinen Informationen, die beiden Verhandlungsparteien zur Verfügung standen, schien sich der Streit in erster Linie um die Wirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft und der darin enthaltenen Schiedsvereinbarung zu drehen. Die vertraulichen Informationen, die nur wir kannten, zeichneten dagegen ein ganz anderes Bild – doch dazu später.

Keiner von uns wusste wirklich, was uns erwarten würde, als wir uns für die ICC Mediation Competition bewarben. Was wir wussten, war, dass die diesjährige ICC Mediation Competition im Rahmen der ICC Mediation Week 2020 vom 6. bis 12. Februar in Paris stattfinden würde, dass die Philipps-Universität Marburg seit acht Jahren an dem Wettbewerb teilnimmt und jährlich ein Team aus vier Studierenden und bis zu zwei Coaches entsendet. In diesem Jahr bestand das interdisziplinäre Team aus Studierenden der Rechtswissenschaften und der Friedens- und Konfliktforschung. Gemeinsam mit unserem Coach Tim Traulsen (Rechtswissenschaften) sollten wir, Greta Robischon, David Iselborn (beide Rechtswissenschaften), Nayyer Nolte und Anna Dick (beide Friedens- und Konfliktforschung), die Philipps-Universität in der 15th ICC Mediation Competition vertreten.

Kurz nachdem wir erfahren hatten, dass wir im Team sind, kamen auch schon die ersten Arbeitsaufträge, nämlich Verhandlungstechniken anhand von Grundlagentexten zu verstehen und möglichst auch umsetzen zu lernen. Dabei stand während des ganzen Wettbewerbs Learning by Doing im Vordergrund: Wir bereiteten Fälle vor, verhandelten sie miteinander und verbesserten uns anhand des unermüdlichen Feedbacks unseres Coaches Tim. Feedback erhielten wir auch von früheren Teilnehmern, die in die Rolle eines Mediators schlüpften, und von Dr. Reinmar Wolff, der uns mit Rat und Tat zur Seite stand. Seit Oktober verhandelten wir fast jede Woche einen solchen Fall.

Daneben gab es während der Vorbereitung auf Paris zwei besondere Highlights für uns: Im November fuhren wir für einen Pre-Moot an die Bucerius Law School nach Hamburg. An diesem Wochenende konnten wir zum ersten Mal die Luft der Mediation Competition schnuppern. Zwölf Teams aus Europa spielten miteinander Fälle aus vergangenen Jahren. Die Verhandlungsstile der anderen Teams kennenzulernen hat uns sehr dabei geholfen, unseren eigenen Stil zu entwickeln. Das zweite Highlight in der Vorbereitung fand kurz vor unserer Abfahrt nach Paris statt. Anfang Februar verhandelten wir einen Fall im Frankfurter Büro von Clifford Chance und bekamen wertvolles Feedback von Anwälten, die im Bereich Mediation, Arbitration und Dispute Resolution tätig sind.

An unserer Rhetorik haben wir zudem mit Sprechwissenschaftlern des Fachbereichs 09 gefeilt, die uns mit viel Enthusiasmus bei der Verbesserung unserer Aussprache, unseres Sprechtempos und unserer Tonlage unterstützt haben.

Am 6. Februar ging es dann auf nach Paris. Der erste Tag war ausgefüllt mit Vorträgen professioneller Mediatoren, dem Einchecken in unsere Wohnung und dem Welcome Cocktail am Abend. An diesem Abend im Les Salons de l’Hôtel des Arts & Métiers hatten wir die Möglichkeit, andere Wettbewerbsteilnehmer und Professionals kennenzulernen. Dabei stand der interkulturelle Austausch im Vordergrund. Lange ging dieses Event allerdings nicht – schließlich fanden die ersten Vorrunden schon früh am nächsten Morgen statt.

Die Vorrunden verhandelten wir mit Universitäten aus Frankreich, Indonesien, Amerika und Indien. Die interkulturellen Unterschiede stellten sich bei der Verhandlung meist weniger als Hindernis als vielmehr als Bereicherung dar und so konnten wir nach 85 Minuten Verhandlung fast immer ein gutes Ergebnis vorweisen.

Nach drei intensiven und stressigen Tagen in Paris hatten wir vor dem Middle Cocktail eine kurze Verschnaufpause. Diese nutzten wir, um die Sacré-Cœur und Montmartre zu besichtigen. Am Abend wurden beim Middle Cocktail im Cercle de L'Union Interalliée die Finalisten und Sonderpreisträger bekannt gegeben. Die Freude war groß, als wir als eines von 16 Teams ins Achtelfinale einzogen. Mit der Verkündung bekamen die Finalisten auch die vertraulichen Informationen für den Achtelfinalfall, der direkt am nächsten Tag gespielt wurde. Da der Fall nur mit diesen Informationen vorbereitet werden kann, wurde es eine kurze Nacht mit wenig Schlaf und viel Kaffee für uns.

Die kurze Nacht hat sich allerdings ausgezahlt: Auch im Achtelfinale konnten wir überzeugen und uns so für das Viertelfinale qualifizieren. Damit stand uns eine weitere recht schlaflose Nacht bevor, in der wir den Achtelfinalfall vorbereiteten. Wir haben lang nicht nur mit Tim, unserem Coach, sondern auch mit Reinmar Wolff und Patrick Mähling, die uns aus Deutschland telefonisch unterstützten, diskutiert. Denn unsere vertraulichen Informationen hatten es in sich: Der Flugreisende, den wir spielten, war Präsident des Weltfußballverbandes, was die Fluglinie allerdings nicht wusste. Und der Präsident des Weltfußballverbandes sieht es gar nicht ein, sich von einer Fluglinie aus dem Flugzeug werfen zu lassen! So geht man mit jemandem in seiner Stellung einfach nicht um. Dieser Fall forderte nicht nur unsere fachliche Kompetenz und unser Verständnis für Verhandlung und Mediation, sondern auch unser Schauspieltalent: Anfangs rüpelhaft, laut und unhöflich, verwandelten wir die Mediationssitzung Schritt für Schritt in eine konstruktive Verhandlung. Unsere Verhandlungspartner aus Auckland, Neuseeland, machten ihre Sache fantastisch und gewannen diese Runde. Zwar waren wir enttäuscht, nicht ins Halbfinale einzuziehen, aber dann überwog die Freude, endlich etwas schlafen zu können.

Im Halbfinale am selben Tag qualifizierte sich Auckland für das Finale, welches das Team dann auch gewann. Für uns bedeutete das Erreichen des Viertelfinales einen Platz unter den besten acht Teams aus 66 teilnehmenden Universitäten. Gleichzeitig war es das beste Ergebnis eines Marburger Teams im Wettbewerb. Den letzten Tag widmeten wir dann noch den Pariser Sehenswürdigkeiten, für die wir vorher nicht allzu viel Zeit hatten.

Für uns hat sich neben diesem Erfolg die Teilnahme aus einer Vielzahl von Gründen gelohnt: Wissen über strategische Verhandlung, eigenständiges Verhandeln auf Englisch, Lernen und Vertiefen von Soft Skills, internationale Kontakte und der Zugang zu Pariser Orten, welche man als Tourist nicht betreten könnte, sind nur einige davon. Wir sind als Individuen und als Team gewachsen und freuen uns auf das nächste Jahr, in dem wir das nächste Team bestmöglich unterstützen werden!

 

Anna Dick, David Iselborn, Nayyer Nolte und Greta Robischon