Hauptinhalt
Regionaler Schwerpunkt Lateinamerika & Karibik
Beschreibung
Der regionale Fokus des Fachs Sozial- und Kulturanthropologie resultiert aus einer historischen Verbundenheit zwischen Marburg und Lateinamerika. Im Jahr 1557 wurde in Marburg die erste deutschsprachige Reisebeschreibung über den 'neuen' Kontinent - verfasst von Hans Staden - veröffentlicht. Karl von den Steinen, der zwischen 1884-88 mehrere Forschungsreisen nach Brasilien unternahm, wurde 1890 Privatdozent für Ethnologie an der Philipps-Universität. Leonhard Schutze-Jena war zwischen 1913 und 1937 in Marburg tätig und legte u.a. wegweisende Arbeiten zur Linguistik und Ethnologie Mittelamerikas vor. Der umfangreiche Nachlass des in der Nähe von Marburg geborenen Brasilien-Forschers Theodor Koch-Grünberg (1872-1924) wird von der Ethnographischen Sammlung des Fachs verwaltet und bearbeitet. Mit der Institutionalisierung des Faches nach dem 2. Weltkrieg und durch die Arbeiten der an ihm tätigen Professoren wurde dieser regionale Fokus weiter ausgebaut. Horst Nachtigall (Professor von 1963-89) forschte insbesondere im Andenraum und Mittelamerika. Unter Mark Münzel (Professor von 1989-2008) und Ernst Halbmayer (Professor seit 2008) bekamen die Forschungen im Amazonasgebiet und in der Karibik ein stärkeres Gewicht.
Lateinamerika ist wegen seiner kulturellen Vielfalt eine äußerst interessante Region sozial- und kulturanthropologischen Forschens. Die gegenwärtige Heterogenität der lateinamerikanischen Bevölkerung, bestehend aus indigenen und afroamerikanischen Minderheiten und mestizischer Mehrheit, ist das Resultat der gewaltsamen und zerstörerischen Kolonialisierung des Kontinents durch europäische Eroberer. Mit der vergleichsweise frühen Unabhängigkeit und Dekolonialisierung der lateinamerikanischen Länder gingen politische, soziale und kulturelle Entwicklungen einher, die zur Herausbildung besonderer sozialer Phänomene führte. Die Unterschiede des kulturellen Zusammenlebens zwischen Mesoamerika und dem Andenraum, zwischen der Karibik, dem Amazonas und Patagonien, zwischen den ländlichen Räumen und den urbanen Metropolen, wie Mexiko Stadt oder Sao Paulo, sind enorm. Im Unterschied z.B. zur Altamerikanistik, die sich der Rekonstruktion der Entwicklungslinien historischer Hochkulturen widmet, werden am Fach Sozial- und Kulturanthropologie ethnographische Forschungen zu aktuellen, gegenwärtigen Themen und Problematiken durchgeführt. Zurzeit stehen insbesondere die Region des Amazonasgebietes (Brasilien, Kolumbien, Venezuela) aber auch Mexiko, Guatemala und Kuba im Fokus der Aufmerksamkeit laufender Forschungsprojekte, in denen sich auch die thematischen Schwerpunkte Umwelt, Konflikt, indigene und afroamerikanische Kulturen widerspiegeln.
Mitarbeiter*innen
- Prof. Dr. Ernst Halbmayer
- Daniela Triml-Chifflard M.A.
- Anne Goletz M.A.
- Dr. Michaela Meurer
- Dr. Philipp Naucke
- Lena Schick M.A.
- Dr. Dagmar Schweitzer de Palacios
- Dr. Eriko Yamasaki
- PD Dr. Christiane Clados
Forschungsprojekte
- Soziale Klimawandelfolgen und Nachhaltigkeitsinnovation im südlichen Afrika und dem nördlichen Südamerika (NISANSA)
- Konkurrierende (Un)Sicherheiten - Friktionen der Gewalttransformation und Friedensbildung im kolumbianischen Friedensprozess
- Dekoloniale Alternativen angesichts globaler Bedrohungen der biokulturellen Diversität: Indigene Auseinandersetzungen mit der Agrobiodiversität und dem Spracherhalt in Yukatan, Mexiko.
- Sprache und Mythen der Yukpa im Kontext. Zur linguistischen und ethnologischen Verortung eines Außenseiters in der Carib-Sprachfamilie und im nördlichen Andentiefland.
- Jenseits des Naturalismus: Von der Perzeption zur Rezeption des Klimawandels im Verständnis der Lokalbevölkerung Kubas.
- Ziviler Widerstand zwischen kollektivem Selbstschutz und lokaler Befriedung - Friedensgemeinden in den Gewaltkonflikten Kolumbiens und Guatemalas.