Hauptinhalt
Für freie Wissenschaft in einer demokratischen Gesellschaft.
Gemeinsame Erklärung des Instituts, Februar 2019
In den vergangenen Jahren sahen wir – Professor*innen, Dozent*innen, Forschende,
Studierende und administrative Angestellte des Instituts für Politikwissenschaft – uns
an der Universität und in der Stadt Marburg mit Aktionen aus dem extrem rechten
Spektrum konfrontiert. Wir beobachten eine größere Sichtbarkeit ›neurechter‹ Grup-
pen und extrem rechts organisierter Studierender – auch an unserem Institut und in
unseren Seminaren. Diese Präsenz sehen wir im Kontext eines Rechtsrucks in öffentli-
chen, nicht zuletzt parlamentarischen Debatten und in sozialen Medien, in denen ras-
sistische, antisemitische, antifeministische und antidemokratische Positionen an Raum
und Einfluss gewinnen. Zunehmend übersetzen sich diese Positionen in subtile Diskri-
minierung, verbale Attacken und gewaltsame Angriffe gegen all jene, die nicht in ein
rechtes, völkisches oder gar faschistisches Weltbild passen.
Die vermehrte Sichtbarkeit autoritär-rechter Akteur*innen und der Rechtsruck im öf-
fentlichen Diskurs in Deutschland sowie anderen europäischen und außereuropäischen
Ländern gefährden die Chancen, demokratische und egalitäre Gesellschaften zu reali-
sieren. Auch Universitäten bleiben von diesen Entwicklungen nicht unberührt. Gesell-
schaftskritische Wissenschaftler*innen, etwa aus den Gender Studies, werden in
Deutschland zunehmend Ziel radikal rechter Kampagnen. In Ungarn wurde die Ge-
schlechterforschung von der Regierung faktisch abgeschafft. Auch in Österreich und Ita-
lien geraten Gender Studies durch radikal rechte Regierungsparteien unter Druck. In
der Türkei wurden nach dem gescheiterten Putsch von Teilen des Militärs im Juli 2016
tausende regierungs- und gesellschaftskritische Akademiker*innen entlassen und hun-
derte ins Exil getrieben.
Diese gesellschaftliche Konstellation nehmen wir zum Anlass darauf hinzuweisen, dass
freie Wissenschaft und demokratische Gesellschaft fundamental aufeinander angewie-
sen sind. Zur Demokratie gehört konstruktiver Streit. Menschenverachtende und fa-
schistische Positionen können allerdings nicht Teil eines solchen Streits sein. Demokra-
tie ist nicht auf Verfahren zu reduzieren. Als gemeinsame Selbstbestimmung freier und
gleicher Menschen über ihre Geschicke und ihre Geschichte ist sie fundamental unver-
einbar mit Ideologien der Ungleichheit und der Menschenfeindlichkeit, die Einzelne
oder Gruppen abwerten, ausgrenzen und entrechten. Als Lebensform beruht sie auf
materiellen und ideellen Bedingungen, die Menschen erst befähigt, ohne Angst ver-
schieden zu sein und sich doch in Gleichheit zu begegnen.
Universitäten kommt eine wichtige Rolle darin zu, solche demokratischen Verhältnisse
zu ermöglichen. Als Angehörige der Universität Marburg nehmen wir die uns hieraus
erwachsende Verantwortung ernst. Wir bekräftigen unsere Verpflichtung autoritären,
rassistischen, antisemitischen und antifeministischen Äußerungen und Praktiken ent-
schieden entgegenzutreten und bekennen uns zu Demokratie, Freiheit, Gleichheit und
Antidiskriminierung. Wir verteidigen die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaft-
lichen Natur-, Macht- und Herrschaftsverhältnissen als fundamentalen Bestandteil der
Freiheit von Forschung und Lehre. In diesem Sinne rufen wir die Angehörigen der Uni-
versität Marburg – Studierende, Dozent*innen, Forschende und andere Kolleg*innen –
auf, sich gegen Ideologien der Ungleichheit zu positionieren und den aus diesen Welt-
anschauungen folgenden Handlungen mit Zivilcourage zu begegnen.