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Schlafwandeln: Widerspenstiges Wissen zu einem liminalen Zustand
gem. mit Hannah Ahlheim und Nicole Zillien; gefördert durch die DFG; Laufzeit: 2024-2026
Die ethnographische Studie widmet sich den Grenzen des bio-medizinischen Schlafwissens, die bei der Diagnose und Therapie von Schlafwandeln im Schlaflabor erkennbar werden. Schlafwandeln ist in mehrfacher Hinsicht ein liminales Phänomen, das im Zwischenbereich von Wachen und Schlafen, von Handlungsfähigkeit und Bewusstlosigkeit verortet ist, weshalb die Wissensgenerierung zum Schlafwandeln an den Grenzen von Vermessbarkeit und Somatisierung, an den Rändern von Schlafforschung und Schlafmedizin sowie in der Grenzzone von Wissenschaft, Populärkultur und Alltag stattfindet.
Als nicht-vollständiges Aufwachen stellt das Schlafwandeln die schlafmedizinische Unterscheidung zwischen Schlaf- und Wachzustand in Frage und widersetzt sich den Versuchen wissenschaftlicher Vereindeutigung. Im Alltag des Schlaflabors treten die Probleme, die das Schlafwandeln für die Schlafmedizin darstellt, exemplarisch zu Tage: Schlafwandler begegnen der Diagnostik im Schlaflabor häufig skeptisch und widerwillig. Das ‚doing patient‘ misslingt, weil das Verkabeln und Messen des Schlafs im Rahmen der Polysomnografie einen ruhenden Körper voraussetzt, die Diagnostik also gerade durch die Art der Schlafstörung behindert oder verunmöglicht wird. Schlafwandeln ist damit nicht nur eine Störung des Schlafs – was es in den Zuständigkeitsbereich der Schlafmedizin bringt –, es irritiert auch die Theorie und Praxis der Schlafmedizin.
Im Zentrum der Studie stehen ethnographische Fallstudien von Schlafwandlern, die ein Labor zur Behandlung ihrer als Schlafwandeln angesehenen Schlafstörungen aufsuchen. Der Aufenthalt im Schlaflabor wird teilnehmend beobachtet. Dabei stellt der Besuch im Schlaflabor nur eine Episode in der Krankheitsbiographie von Schlafwandlern dar. Um diese Episode lebensweltlich einordnen zu können, werden ergänzend narrative Interviews mit Schlafwandlern geführt. Diese Interviews dienen neben der Erfassung der individuellen Geschichte dazu, Wissensbestände und eigene Erfahrungen, die Selbstverständnisse von Schlafwandlern sowie ihre Objektivierungs- und Copingstrategien zu erfassen und mit dem Schlaflaborwissen zu kontrastieren. Die zentrale Frage des Projekts besteht darin, wie die Irritationen, die das Schlafwandeln im Schlaflabor auslöst, gemanagt werden, wie die Grenzen der Schlafmedizin im Alltag ihrer wichtigsten Institution (de-)thematisiert werden und welche alternativen Wissensformen zum Schlafwandeln alltagsweltlich relevant werden.
Sleepwalking. Recalcitrant Knowledge about a liminal state
With Hannah Ahlheim and Nicole Zillien; funded by th DFG; Duration: 2024-2026
The ethnographic study focuses on the boundaries of bio-medical sleep knowledge evident in the diagnosis and treatment of sleepwalking in the sleep laboratory. Sleepwalking is a liminal phenomenon in multiple respects, situated in the threshold between wakefulness and sleep, between agency and unconsciousness. Therefore, knowledge generation about sleepwalking occurs at the boundaries of measurability and somatization, at the edges of sleep research and sleep medicine, as well as in the border area of science, popular culture, and everyday life.
As an incomplete awakening, sleepwalking challenges the sleep medicine distinction between sleep and wakefulness and resists attempts at scientific disambiguation. In the everyday life of the sleep laboratory, the problems that sleepwalking presents to sleep medicine become evident: sleepwalkers often approach diagnosis in the sleep laboratory with skepticism and reluctance. The ‘doing patient’ fails because wiring and measuring sleep as part of polysomnography presuppose a resting body, thus hindering or making the diagnostic procedure impossible, especially given the nature of the sleep disorder. Sleepwalking is thus not only a disturbance of sleep – placing it within the purview of sleep medicine – it also disrupts the theory and practice of sleep medicine.
The study's focus is on ethnographic case studies of sleepwalkers seeking treatment for their perceived sleep disorders at a sleep laboratory. Their stay in the sleep laboratory is observed through participant observation. However, the visit to the sleep laboratory is just one episode in the illness biography of sleepwalkers. To contextualize this episode within their lifeworld, narrative interviews with sleepwalkers are conducted. These interviews serve not only to capture individual biographies but also to understand the knowledge bases, self-understandings, and coping strategies of sleepwalkers, contrasting them with sleep laboratory knowledge. The central question of the project is how the disruptions caused by sleepwalking in the sleep laboratory are managed, how the boundaries of sleep medicine are (de-)thematized in the everyday life of its most important institution, and which alternative forms of knowledge about sleepwalking become relevant in everyday life.