07.03.2018 Doch nicht neutral!
Schiedsrichter und Schiedsgerichte des Spätmittelalters diskutiert
Von Schiedsrichtern und Schiedsgerichten war außerhalb des Sports zuletzt im Zusammenhang mit bi- und multilateralen Handelsabkommen die Rede – und zwar als jene Drohkulisse, innerhalb derer Staaten in rechtlichen Auseinandersetzungen außerhalb von Gerichten beklagt und verurteilt werden könnten. Dass Schiedsgerichtbarkeit heutzutage als ein Verfahrensangebot neben dem gerichtsförmigen, in Instanzen geordneten Prozess wahrgenommen wird, hat in Deutschland seine historischen Wurzeln im Spätmittelalter. Vom 26. bis 28. Februar haben dazu in Vechta Mediävisten und Rechtshistoriker die ältesten Formen schiedsgerichtlichen Streitaustrags diskutiert. Die Tagung ist von Claudia Garnier, Professorin für die Geschichte der Vormoderne an der Universität Vechta, und Hendrik Baumbach, Postdoktorand am Marburger Institut für Mittelalterliche Geschichte, gemeinsam organisiert worden.
Beleuchtet worden sind in insgesamt dreizehn Vorträgen die Anfänge schiedsgerichtlicher Praxis in den einzelnen Regionen des römisch-deutschen Reiches im 12. und 13. Jahrhundert, ihre normativen Grundlagen im römischen und kanonischen Recht, die Herausbildung unterschiedlicher Verfahrensvarianten im Laufe des Spätmittelalters und schließlich die Verankerung des Schiedswesens im Reichsrecht des 15. Jahrhunderts. Die Erforschung von Schiedsgerichtsbarkeit kann in der deutschen Mittelalterforschung auf eine längere Tradition zurückblicken. Die ersten umfangreichen Studien stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dass sie auch in modernen Darstellungen noch immer rezipiert werden, offenbart einen inhaltlichen Nachhol- und Aktualisierungsbedarf in diesem Themenfeld, dem die Tagung Rechnung getragen hat.
Besonders in die Kritik geriet entsprechend die starre Gegenüberstellung von Schiedsgericht und Gericht, die sich in Einzelkonflikten, aber auch bei den mit der Ausübung von Gerichtsbarkeit beauftragten Akteuren vielfach widerlegt fand. So betrieben erstens nicht selten die Zeitgenossen im Mittelalter mehrere Formen des Konfliktaustrags parallel oder wechselten nahtlos von Gerichtsverfahren zum schiedsrichterlichen Austrag. Zweitens übernahmen Richter und gelehrte Juristen die Funktion von Schiedsrichtern und drittens orientierten sich Beweiserhebung sowie der Einsatz von Schriftlichkeit im Schiedsverfahren sukzessive mehr am Gerichtsprozess. Für das Spätmittelalter wurde außerdem die moderne Vorstellung vom neutralen Schiedsrichter arg in Zweifel gezogen: Auf streitentscheidende Positionen im Schiedsverfahren gelangten vielmehr zweiseitig parteigebundene Personen.
Die Erforschung von Schiedsgerichtsbarkeit, die spätestens im 14. Jahrhundert ein massiv auftretendes und genutztes Verfahrensangebot im Reich nördlich der Alpen war, steht wie schon seit ihrem Anbeginn vor der Herausforderung, dass die Recherche nach Schiedsverträgen und Schiedssprüchen aufwendig ist, weil die Dokumente nicht systematisch ediert sind und in zahllosen Archivbeständen verstreut aufbewahrt werden. Der Zugriff der Tagungsteilnehmer konzentrierte sich deshalb entweder auf spezifische Quellengattungen (Rechtsbücher und Glossen, Bundesbriefe, Schiedsverträge etc.) oder auf einzelne Regionen bzw. Herrschaftsträger, deren Überlieferung auf diese verfahrensoriginären Quellen hin durchsucht worden ist. Alle von den Experten geleisteten Tiefenbohrungen sollen der Forschung in naher Zukunft in einer Sammelschrift zugänglich gemacht werden.
Kontakt
Dr. Hendrik Baumbach