15.08.2017 Professor Dr. Jürgen Petersohn (8.4.1935 - 20.7.2017)

Foto: Werner Maleczek
Jürgen Petersohn wurde am 8. April 1935 in Merseburg geboren. Die Kindheit verbrachte er in Köslin und seit 1946 lebte er in Coburg. In Würzburg, Marburg und Bonn studierte er Geschichte, Germanistik und Philosophie; schon in diesen Jahren war Petersohn Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Mit einer Arbeit über das frühneuzeitliche Preußen wurde er 1959 bei Walther Hubatsch promoviert, außerdem legte er das Staatsexamen in Deutsch und Geschichte ab. Nach einem Stipendium in Rom kehrte Petersohn nach Würzburg zurück, wo er als Wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar tätig war.

Bei Otto Meyer habilitierte sich Petersohn 1970 mit einer methodisch wegweisenden Arbeit, die unter dem Titel „Der südliche Ostseeraum im kirchlich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis zum 13. Jahrhundert“ 1979 gedruckt wurde. Nach einer Lehrstuhlvertretung in Tübingen 1971/73 und der Ernennung zum apl. Professor in Würzburg 1975 kam Petersohn 1981 auf die Professur für mittelalterliche Geschichte in Marburg, die er bis 2000 innehielt. Im Bereich der Wissenschaftsorganisation engagierte sich Petersohn vor allem für den Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte e.V., dessen Vorsitzender er während einer kritischen Zeit von 1999 bis 2001 war. Auch die hessische Sektion des Arbeitskreises wurde von ihm über lange Jahre koordiniert.

Petersohns Beschäftigung mit dem Mittelalter war außerordentlich breit angelegt, da er in seinen Vorlesungszyklen die gesamte Epoche systematisch behandelte. Das besondere Interesse am staufischen Rom, am Ostseeraum, am Humanismus, der Buchkultur, der Missionierung Pommerns und vielem anderen schlugen sich in den Lehrveranstaltungen und Forschungen Petersohns gleichermaßen nieder. Außerordentliches Interesse bei den Studierenden weckte etwa eine Veranstaltung zum damals aktuellen Werk ‚Der Name der Rose’ von Umberto Eco. Regelmäßige Archivaufenthalte zwecks Quellenforschungen in Italien und Vatikan waren selbstverständliche Grundlage für seine Forschungen, die zuletzt immer wieder um Personen aus der spätmittelalterlichen Reichs- und Papstgeschichte, wie den Diplomaten Antonio Geraldini oder den rebellischen Bischof Andreas Jamometić kreisten und von den Nebenfiguren ausgehend die großen Fragen angingen. Der biographische und personengeschichtliche Ansatz war für Petersohn einer der wichtigen Schritte zu einem historischen Narrativ. Aber auch ein Werk über den Begriff und Land Franken gehört zu seinen positiv rezipierten Büchern, das zuletzt noch als „Meilenstein der Erforschung vormoderner regionaler Identität“ bezeichnet wurde.

Die reflektierte Sicht auf imaginierte Identitäten regionaler Art spiegelte auch Petersohns Leben als mitteldeutscher Nachkomme eines Schweden und seinen Weg von Pommern über Franken nach Rom; damit entsprach sie seinem Nachdenken über sich selbst. Typisch dafür war etwa die Antwort auf eine Laudatio, in der sich Petersohn 1988 dementsprechend über die eigene Person äußerte: „Er trägt den gleichen Namen wie – aber bin ich es wirklich?“ Insgesamt verdankt man ihm ein beeindruckendes Werk von insgesamt 18 Monographien und einer dreistellige Zahl von Aufsätzen. Ihre immer auch philologischen Aspekte der Analyse spiegelten sich in der stets spürbaren stilistischen Vollendung, nicht unähnlich seinen Vorträgen oder später auch den aphoristischen Mails. Trotz dieser immer auch als Herausforderung und Ansporn geltenden Maßstäbe betreute er eine erhebliche Zahl von Abschlußarbeiten, darunter 16 Dissertationen. Den Austausch mit seinen Schülerinnen und Schülern pflegten er und seine Frau mit großem Engagement, wobei bis zuletzt das lebendige Interesse an der Literatur die Grundlage sehr anregender Gespräche bildete.

In Würzburg, wo er nach seiner Pensionierung einige Jahre fruchtbarer Tätigkeit lebte, ist Jürgen Petersohn nach schwerer Krankheit am 20. Juli 2017 im Alter von 82 Jahren zuhause verstorben. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau Ina Petersohn und seiner Familie.

Otfried Krafft

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