13.02.2017 Professor Dr. Andreas Meyer (19.12.1955 - 6.2.2017)
In tiefer Trauer nehmen wir Abschied.
Nach dem Vorbild seines Vaters begann Andreas Meyer im Jahr 1976 ein Studium der Geschichte und Literatur an der Universität in Zürich mit dem Ziel, Lehrer im Schuldienst zu werden. Nach seinem Examen verblieb er jedoch an der Hochschule und fertigte als Assistent von Ludwig Schmugge eine Dissertation über die Stellenbesetzung und Klerikerversorgung in Zürich durch die päpstliche Kurie während des Spätmittelalters an, mit der er 1984 promoviert wurde. Tief geprägt haben ihn seine langjährigen Aufenthalte am Istituto Svizzero di Roma und am Deutschen Historischen Institut in Rom, die Andreas Meyer für die Durcharbeitung schwer erschließbarer italienischer Archivbestände nutzte. Die Erträge fügte er in seiner Habilitationsschrift zum Notariat im früh- und hochmittelalterlichen Lucca zu einem großen Ganzen zusammen. Zum Sommersemester 2001 folgte er dem Ruf nach Marburg auf die Professur für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften.
Seine Vorlesungen und Seminare entwickelte er entlang der Geschichte des Papsttums, Italiens und des römisch-deutschen Reiches, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und zur mittelalterlichen Stadt sowie zum Fernhandel. Sein Paläographiekurs avancierte rasch zum hochgradig nachgefragten Standardrepertoire und bildete den Kern des hilfswissenschaftlichen Studiums an der Philipps-Universität. Seit seiner Berufung nach Marburg organisierte Andreas Meyer ergänzend zu seinen Lehrveranstaltungen regelmäßig große Exkursionen nach Rom, Bologna, Lucca, Pisa, Venedig, Apulien oder in seine Schweizer Heimat. Im Umgang mit seinen Studierenden und Doktoranden folgte er konsequent der Formel vom „Fördern und Fordern“. Die Lektüre der Arbeiten seiner Schüler betrieb er mit höchstem Anspruch, messerscharfer Logik und prinzipiengeleiteter Strenge. Zur stetigen Verbesserung der Leistung jedes Einzelnen gab er in ausführlichen Besprechungen entscheidende Ratschläge und Hilfen. Gegenüber den Belangen der Studierenden war er aufgeschlossen, auf ihre intensive Betreuung legte er besonderen Wert und lebte dies auch seinen Mitarbeitern vor.
Den Schwerpunkt seiner Lehrtätigkeit erweiterte Andreas Meyer als Leiter des Lichtbildarchivs älterer Originalurkunden. Mit ihm trat die Sammlung in das digitale Zeitalter ein, wurde unter seiner Regie vollumfänglich in eine im Internet nutzbare Datenbank umgesetzt und seit zwei Jahren zum ersten Mal wieder ausgebaut. Sein zentrales Forschungswerk ist die Neuedition der Regule Cancellarie, deren Bedeutung für das Kirchenrecht er wiedererkannt hat. Über 180 Handschriften mit Kanzleiregeln machte Andreas Meyer in unterschiedlichsten Archiven und Bibliotheken ausfindig, warb immer wieder Mittel für dieses Editionsprojekt ein und wirkte tagtäglich im Zentrum seiner Mitarbeiter an der Bewältigung dieses Großvorhabens.
Mit seiner über Jahrzehnte europaweit erworbenen Kenntnis der Quellen, ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung und Edition ermutigte er als Lehrer seine Doktoranden zur Arbeit mit den Beständen und stellte diesen methodischen Zugriff einseitig theoriegeleiteten Forschungsansätzen voran. Von den bestens gepflegten Kontakten an das Deutsche Historische Institut profitierte ein Großteil seiner Schüler: Manchen Monat weilten mehr seiner Mitarbeiter in Rom als in Marburg. Nicht selten bereitete er selbst den Weg dafür, dass Auslandsaufenthalte für seine Schüler möglich und mit Stipendien finanziert wurden. Mehr als einmal öffnete allein sein Name den Stipendiaten manche sonst verschlossene Tür. Andreas Meyer gestaltete das Institutsleben, verkörpert im regelmäßigen Kolloquium, den Institutsausflügen und einem eigenen Mittagsritual, das den Gang zur Mensa und eine Kaffeerunde vor seinem Dienstzimmer einschloss. Bei solchen Gelegenheiten scherzte er gern und trat mit seiner auf einen kritischen Geist gegründeten unkonventionellen Art ebenso unverwechselbar in Erscheinung wie als hingebungsvoller Vater und herzensguter Mensch.
Andreas Meyer zeichnete sich durch unermesslich präzises Fachwissen und beispielloses Pflichtbewusstsein aus. Unser tiefstes Mitgefühl gilt seiner Ehefrau, seinen Kindern und seinen Angehörigen. Als Mentor und Ratgeber, Förderer und Freund wird er uns fehlen. Wir danken ihm für all seine Unterstützung.
Die Angehörigen des Instituts für Mittelalterliche Geschichte