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Dr. Paulina S. Gennermann
Wissenschaftliche Mitarbeiterin paulina.gennermann@uni-marburg.de |
Copyright:Universität Bielefeld/Philipp Ottendoerfer |
Forschungsinteressen
- Geschichte der Aroma- und Duftstoffe
- Geschichte von Geruch und Geschmack
- Entwicklung der Psychopharmakologie
- Zusammenhänge von Wissenschaft-Wirtschaft-Gesellschaft
- Natürlichkeit und Normalität
- Wissenschaft in globalen und kolonialen PerspektivenCurriculum Vitae
2019-2023 Promotion, Universität Bielefeld, Bielefeld Graduate School in History and Sociology
2016-2019 Master of Arts, Universität Bielefeld, “History, Economics, and Philosophy of Science”
2012-2016 Bachelor of Arts/Licence, Universität Bielefeld/Université Paris Diderot, Geschichte und BiologieHabilitationsprojekt
Chemical Influencers: Normalisierung und Naturalisierung von Psyche, Verhalten und psychoaktiven Substanzen im 20. Jahrhundert (Arbeitstitel)
– Dieses Projekt befindet sich in der Anfangsphase. Fallstudien und Länderauswahl können sich während der Recherche ändern. –
Die Entwicklung von Chlorpromazin in den 1950er Jahren gilt gemeinhin als Wendepunkt in der Psychiatrie. Der Stoff wird als das erste wirksame Medikament in der psychiatrischen Therapie und als Startpunkt der Psychopharmakologie angesehen. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden Psychopharmaka zu gängigen Substanzen in der psychiatrischen Behandlung und zu lukrativen Produkten der pharmazeutischen Industrie. Gleichzeitig beeinflussten wissenschaftliche und gesellschaftliche Faktoren die Wahrnehmung und Interpretation von ‚normalen‘ und ‚natürlichen‘ pharmazeutischen Substanzen, Geisteszuständen und Verhaltensweisen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert wurden chemische Stoffe zu Mitteln, um abweichendes Verhalten und anormale Geisteszustände wieder zu normalisieren. Dabei deuten sich die komplexen Verflechtungen und gegenseitigen Einflussnahmen von chemisch-pharmazeutischen Substanzen mit klinischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten bereits an.
In meinem Projekt werden Normalisierungs- und Naturalisierungsprozesse von Psyche, Verhalten und chemisch-pharmazeutischen Stoffen zwischen den 1940er und 1990er Jahren untersucht. Dabei verfolge ich fünf Annahmen. Erstens, Normalisierung und Naturalisierung sind eng verbundene und verflochtene Phänomene. Zweitens, die Unterscheidung zwischen Droge und Medikament sowie zwischen Wirkung und Nebenwirkung hängen von der Interpretation von ‚normal‘ und ‚natürlich‘ ab. Drittens, Normalisierung und Naturalisierung haben lokale Eigenheiten, während sie gleichzeitig globale Phänomene sind. Viertens, kulturelle, soziale und industrielle Faktoren beeinflussen die Wahrnehmung und Interpretation von ‚normal‘ und ‚natürlich‘. Fünftens, ebenso bestimmen wissenschaftliche und therapeutische Kulturen die Wahrnehmung und Interpretation von ‚normal‘ und ‚natürlich‘.
Um die kulturellen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Einflüsse auf Normalisierungs- und Naturalisierungsprozesse herauszuarbeiten, wird der geographische Fokus auf Brasilien und (West-)Deutschland gelegt. Die unterschiedlichen Entwicklungen beider Länder hinsichtlich (Post)Kolonialismus, (Post)Imperialismus, Migration und Sklaverei bieten interessante Vergleichspunkte zwischen einem ehemals kolonisierten Land und einer ehemaligen Europäischen Kolonialmacht.
Meine Analyse konzentriert sich auf drei Aspekte: Erstens, bietet eine Untersuchung der Infrastruktur, Positionierung und des Ansehens der Psychopharmakologie die Möglichkeit, die Entwicklung und Implementierung des wissenschaftlichen Netzwerks rund um psychoaktive Stoffe nachzuvollziehen. Durch eine Analyse der Interaktionen zwischen Chemie, Neurowissenschaften und Psychiatrie können Charakteristiken beteiligter wissenschaftlicher und therapeutischer Kulturen herausgearbeitet werden. Zweitens steht die pharmazeutische Industrie im Fokus des Projektes. Anhand der Untersuchung von Marketing- und Produktionsstrategien werden Anwendung, Image und Funktion psychoaktiver Substanzen in Psychiatrie und Gesellschaft entschlüsselt und nachvollzogen. Drittens werden medizinische und politische Regulierungen in Form von nationalen und internationalen Richtlinien und Gesetzen herangezogen. Diese Direktiven geben Aufschluss über juristische Ausdrücke und Festschreibungen von Normalität und Natürlichkeit von psychoaktiven Stoffen, Geisteszuständen und Verhalten.Publikationen
https://www.jargonium.com/post/bridging-the-gap-between-chemistry-and-society-natural-and-artificial-from-a-history-of-flavour-s-p
„Becoming Natural: The Naturalization of Synthetic Flavors in the Twentieth Century and the Introduction of Konsumstoff“, Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 46, Nr. 4 (2023): 303-319, DOI: 10.1002/bewi.202300016.
Eine Geschichte mit Geschmack. Die Natur synthetischer Aromastoffe im 20. Jahrhundert am Beispiel Vanillin (Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2023), DOI: 10.1515/9783111190297.Vorträge und Konferenzen
Konferenzorganisation “Chemical Connections: Studying Interdisciplinarity through the history of a discipline”, 04.-07.10.2023, ZiF Bielefeld, und eigener Beitrag: “Tasting flavors and smelling fragrances” gemeinsam mit Carsten Reinhardt
Input in „Conversations on the History of Chemistry 3. Food, toxicity and the life sciences”, 15.06.2023
Panelbeitrag (13ICHC Vilnius): „The naturalization of chemical substances: How synthetic flavors became natural during the 20th century“, Panel: “Constructing naturalness”, 24.05.2023Stipendien und Auszeichnungen
- Bettina-Haupt-Förderpreis für Geschichte der Chemie 2024
- Society for the History of Alchemy and Chemistry (SHAC), Research Award 2023, 1000£
- Commission on the History of Chemistry and Molecular Sciences, Reisestipendium für die 13ICHC, Vilnius (23.-27.05.2023)
- Studienstiftung des Deutschen Volkes, Promotionsstipendium (09.2020-12.2022)
- Bielefelder Nachwuchsfonds, Sach- und Reisemittel (2021-2022)Mitgliedschaften
- Fellow des Jungen ZiF, Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Universität Bielefeld
- Gesellschaft für die Geschichte der Naturwissenschaften, der Medizin und der Technik (GWMT)
- Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Fachgruppe Geschichte der Chemie
- Society for the History of Alchemy and Chemistry (SHAC)
- Institute for Interdisciplinary Studies of Science (I²SOS Bielefeld)Akademische Selbstverwaltung
06.2024 Wahl zu einer der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des FB 06
09.2021-09.2023 Mitglied im Organisationsteam des Driburger Kreises
11.-13.11.2022 Mitglied des Auswahlkomitees für neue Studierende der Studienstiftung des Deutschen Volkes