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Spätbronze-/früheisenzeitliches Briquetage aus Halle/Saale
Ann-Cathrin Scherf
Foto: Ann-Cathrin Scherf
Fundort: Halle/Saale
Objekt: Briquetage;
Inventarnummer: 6050 a-i
Foto: Ann-Cathrin Scherf
Von allen Rohstoffen und Materialien, deren Verarbeitung sich der Mensch im Laufe seiner Kulturentwicklung angeeignet hat, ist Salz wohl das bedeutendste. Mensch und Haustier benötigen eine stete Zufuhr des Materials, über das schon Plinius schrieb „totis corporibus nihil esse utilius sale et sole“ (Plin. Nat. Hist. XXXI, 102). Es verwundert nicht, dass Salz mit seinen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, beispielsweise zur Konservierung von Lebensmitteln oder auch bei der Verarbeitung von Metallen und der Herstellung von Keramik, stellenweise eine sakrale Bedeutung erlangte. So sprach nach der Überlieferung des Neuen Testamentes Jesus Christus zu seinen Jüngern „Ihr seid das Salz der Erde.“ (Matt. 5,13). Neben dem frühen Abbau von Steinsalz, beispielsweise in Hallstatt (Oberösterreich), gibt es eine weitere Möglichkeit der Salzgewinnung: die Verwendung von Sole.
Die hier vorliegenden Stücke sind Fragmente von sogenanntem Briquetage und stammen alle aus Mitteldeutschland aus dem Gebiet um Halle/Saale. Durch den zu damaliger Zeit in der Nähe gelegenen „Salzigen See“ entwickelte sich ein Salzproduktionszentrum, das zu sehr umfangreichen Ablagerungen von Briquetageabfall in den archäologischen Fundstellen führt. Typologisch ist zunächst eine Grundgliederung in Säulen, Tiegel und Tonballen vorzunehmen.
Das hier abgebildete Lehrmodell zeigt die grundsätzliche Funktionsweise eines prähistorischen Salzsiedeofens. Auf dem Boden des Ofens werden die Säulen, welche die Tiegel tragen, aufgestellt und die Seiten und Zwischenräume werden dicht verschlossen. Mit den Tonballen werden Höhenunterschiede der Säulen ausgeglichen. Wurde der Ofen angefeuert, musste unbedingt darauf geachtet werden, dass die Temperatur nicht zu hoch stieg, um die Tiegel nicht zerspringen zu lassen. Waren die Tiegel ausreichend erhitzt, wurde Sole eingefüllt. Das Wasser verdampfte und Salzkristalle blieben zurück. Dieser Vorgang wurde solange wiederholt, bis ein Tiegel vollständig mit einem sogenannten Salzkuchen verfüllt war. Das fertige Salz wurde entweder aus dem Tiegel entfernt oder möglicherweise auch im Tiegel weiter verhandelt. Eine andere Möglichkeit ist die Einbringung eines Textils in den Tiegel. An den Fäden können die Salzkristalle besser auskristallisieren und es entsteht ein reineres Salz. Auch kann der Salzkuchen mit dem Textil vermutlich besser aus dem Tiegel gelöst und leichter transportiert werden.
Der Ton, der für die Säulen und Tiegel verwendet wurde, war sehr grob gemagert und in der Regel nur luftgetrocknet bzw. leicht vorgebrannt. Deshalb sind oft nur die Säulenbruchstücke, die vom Feuer des Siedevorganges gebrannt wurden, besser erhalten. Die Tiegel wurden wahrscheinlich über Holz- oder Steinmodeln hergestellt. Vor dem Hintergrund, dass Salz auch als Zahlungsmittel Verwendung gefunden haben könnte, erscheinen standardisierte Volumina als wahrscheinlich. Weil die Tiegel nicht vor dem Sieden gebrannt wurden, lösen sich beim Herstellen der Salzkuchen oft Schwebstoffe und kleine mineralische Bestandteile des Tons und werden im Salz eingelagert. Deshalb dürften die prähistorischen Salzkuchen rein äußerlich nicht viel mit dem Salz wie wir es heute kennen gemein gehabt haben. Aufgrund der fragmentarischen Erhaltung sind kaum archäologische Befunde von Salzöfen bekannt. Meist finden sich nur große Mengen Briquetage in Abfallgruben die im Umfeld der Salzsiedeanlagen angelegt wurden. Um die Funktionsweise der Briquetageöfen verstehen zu können, müssen deshalb ethnografische Beobachtungen herangezogen werden. Diese konnten im Mangaland im heutigen Niger angestellt werden und geben Aufschluss über die Konstruktionsweise der Öfen und die Funktionsweise der Siedeprozesse. Archäologisch bislang nicht nachweisen lässt sich bislang die Verwendung einer Mischung aus Sole und Kuhmist, um die Tiegel vor dem Zerspringen beim Siedeprozess zu bewahren. Diese Mischung wird vor dem Einfüllen der Sole in die Tiegel gegeben, kristallisiert sofort aus und bildet eine Art Schutzglasur. Gegen das Überschäumen der aufkochenden Sole verwenden die Manga Strohhäcksel.
Für die Bereitung der Sole gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wenn die Böden zwar salzhaltig sind, aber keine Solequellen aufweisen, können bestimmte, salzanreichernde Pflanzen, sogenannte Halophyten, verbrannt werden. Aus der Asche lässt sich dann Sole bereiten. Die natürlichen Solequellen weisen meist einen zu niedrigen Salzgehalt auf, um sie direkt sieden zu können. Deshalb muss sie entweder durch Kochen oder aber durch Vorgradierung konzentriert werden. Bei der Gradierung wird die warme oder kalte Sole der Verdunstung ausgesetzt, so dass sich der Salzgehalt erhöht.
Am Salzigen See entwickelte sich besonders im Zeitraum zwischen 1000 und 500 v. Chr., also in der ausgehenden Bronzezeit und älteren Eisenzeit, das mitteldeutsche Zentrum der Salzherstellung. Die Briquetage findet sich in den Siedlungen dieses Gebietes in großen Mengen, wenngleich auch Tiegel seltener zu finden sind als Säulen. Ein Verhandeln des Salzes in den Tiegeln ist nicht unwahrscheinlich, da sich diese gelegentlich auch fernab von Solevorkommen finden. Somit wird deutlich, dass das Salz nicht nur des Menschen immanentes Bedürfnis nach Mineralstoffen befriedigt sondern bereits früh als Zahlungs- und Handelsgut in Europa etabliert war.
Literatur:
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S. Ipach, Masse und Klasse. Früheisenzeitliche Salzherstellung in Erdeborn (Sachsen-Anhalt) und Steinthaleben (Thüringen). JSVFG 6 (Jena 2016).
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