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Forschung

Fotocollage: 1) Person vor einem Computer-Bildschirm. 2)Person vor einem Mikrophon. 3) Person an einem Eye-Tracker. 4) Person mit EEG-Kappe.
Fotos: Rolf K. Wegst

Für die meisten Menschen verläuft der Erwerb der Muttersprache ohne Probleme und in mehr oder weniger geordneten Etappen. Spätestens mit der Pubertät haben die meisten Menschen daher eine sehr gute Intuition über die grammatischen Regeln sowie ein solides Vokabular. Dennoch unterscheiden sich Benutzerinnen und Benutzer massiv im Sprachgebrauch.

Bereits auf der Ebene eines individuellen Sprechers oder einer individuellen Sprecherin zeigt sich, dass die Produktion von ein und demselben Wort nie identisch ist, sondern die Versionen sich – wenn auch subtil – in ihrer Realisierung unterscheiden. In den Unterschieden zwischen Menschen kommen zusätzlich Nicht-Standard-Varianten einer Sprache (z.B., Dialekte) hinzu oder das Benutzen einer Fremdsprache.
Hinsichtlich sprachlicher und nicht-sprachlicher Fähigkeiten gibt es weitere erhebliche individuelle Unterschiede. Manche Benutzer*innen sprechen extrem schnell, andere eher langsam. Manche haben einen sehr ausgefeilten Wortschatz, andere beschränken sich auf eine begrenzte Anzahl von Wörtern.

Aus all diesen Gegebenheiten ergibt sich Variabilität, die sich durch alle linguistischen Ebenen (z. B. phonetisch, phonologisch, semantisch, syntaktisch, pragmatisch) zieht und die die kognitiven Systeme von Sprachproduktion- und -verstehen der Benutzer*innen vor Herausforderungen stellt. Die Nachwuchsforschungsgruppe Variabilität im Sprachgebrauch erforscht die Ursachen und Konsequenzen dieser Variabilität.

Experimentelle Techniken

Ein variabler Forschungsgegenstand wie ‚Sprache‘ erfordert eine vielseitige Palette an Forschungswerkzeugen. Zur Beantwortung unserer Fragestellungen führen wir vor allem psycho- und neurolinguistische Experimente durch.

Verhaltensexperimente

Person sitzt vor einem Computer
Foto: Rolf K. Wegst

Verhaltensexperimente geben uns Aufschluss über sprachliche und nicht-sprachliche Fertigkeiten der Versuchspersonen und deren Zusammenhang. Sie zeigen uns, wie sich unterschiedliche Lernmethoden auf das Verhalten auswirken und welche Faktoren die Produktion und das Verstehen von Sprache erleichtern oder erschweren.


Mithilfe von Verhaltensexperimenten testen wir z.B. welche Lernkontexte den Erwerb und die Verknüpfung mentaler Repräsentationen befördern. Lesen Sie hier mehr zu diesem Projekt.

Zudem greifen wir häufig auf sogenannte ‚Individual differences‘ Ansätze zurück. In solchen Studien wird eine große Stichprobe von Versuchspersonen rekrutiert. Die Versuchspersonen legen verschiedene Verhaltens- und neurolinguistische Tests ab und wir untersuchen die Varianz, die von mehreren Tests geteilt wird. Das heißt, wir untersuchen, wie die Leistung der Versuchspersonen bei einem Test mit der Leistung bei anderen Tests zusammenhängt oder wie die Verhaltensleistung mit neuronalen Maßen, also der Hirnaktivität, oder Augenbewegungen zusammenhängt. Lesen Sie hier mehr zu einer unserer ‚Individual differences‘ Forschungslinien.

Eye-Tracking

Person sitzt an einem Eye-Tracker.
Foto: Rolf K. Wegst

Sprachproduktion und -verstehen geschehen unglaublich schnell. Wir sind in der Lage, zwischen 150 und 300 Wörter pro Minute zu produzieren und zu verstehen. Die mentalen Planungs- und Verarbeitungsprozesse, die dem Sprechen und Verstehen zugrunde liegen, bewegen sich im Millisekundenbereich.
Noch bevor ein sprachlicher Reiz bewusst verarbeitet wird, geben Augenbewegungen Hinweise auf zugrundeliegende (unterbewusste) Prozesse. Diese können durch Eye-Tracking in einer hohen zeitlichen Auflösung erfasst werden. Wichtige Maße sind hierbei zum Beispiel der Zeitpunkt und die Dauer von Fixationen beim Lesen oder Betrachten von Bildern, aber auch die Größe der Pupillen ist ein gutes Indiz für den Arbeitsaufwand in der Verarbeitung von Reizen.
Eye-Tracking wird unter anderem bei Untersuchungen zum Verstehen von auditiver und visueller Sprache, zur Integration von gesprochener Sprache mit visuellem Input, und zur Erfassung der Planungsprozesse bei der Beschreibung visueller Szenen eingesetzt.

Elektroenzephalographie (EEG)

EEG Kappe mit eingesteckten Elektroden auf dem Kopf einer Person von hinten zu sehen.
Foto: Rolf K. Wegst

Um zugrundeliegende kognitive und neurophysiologische Prozesse der Sprachverarbeitung untersuchen zu können, kann man mittels EEG Hirnströme in einer sehr hohen zeitlichen Auflösung untersuchen. Dazu kann mittels Elektroden die elektrische Aktivität des Gehirns einer Versuchsperson gemessen werden, während diese bestimmte sprachliche Reize wie beispielsweise Wörter, ganze Sätze oder Gesten präsentiert bekommt und verarbeitet. Die Stimuli können dabei visuell, auditiv oder in Kombination präsentiert werden, um auch die Integration mehrerer sprachlicher Repräsentationen zu untersuchen. Um die zugrundeliegenden Prozesse der Verarbeitung anzuschauen, wird die Hirnaktivität zum Beispiel ab dem Zeitpunkt des Stimulus-Beginns abgeleitet. Über die Mittelung vieler solcher Ableitungen erreicht man dann Ereignis-korrelierte Potentiale (EKPs), die eine genaue zeitliche Kurve der Aktivität in einer Gehirnregion während der Verarbeitung eines Reizes darstellen. Diese EKPs können nun zwischen Gruppen von Probanden oder zwischen unterschiedlichen Bedingungen verglichen werden. So erhalten wir Einblicke in feine Unterschiede in der Verarbeitung von Sprache, die durch rein behaviorale Untersuchungen nicht beobachtbar sind.