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3. Sprachkognition – Neuro-, Psycho- und klinische Linguistik (Proff. Kauschke, Domahs, Wiese)

Die Ansätze und Methoden aus der Neuro- und Psycholinguistik sowie der klinischen Linguistik werden dazu eingesetzt, linguistische Basiskategorien und Theoreme kognitions- und neurowissenschaftlich zu fundieren und aufeinander zu beziehen. Eine Untersuchungsperspektive betriff dabei die Frage, wie ein immer gleich strukturiertes Gehirn das Verständnis der sehr verschiedenen menschlichen Sprachen gewährleisten kann bzw. welche sprachübergreifenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede hierbei beobachtet werden können. Die Beantwortung dieser Frage verspricht neue Einblicke in die Natur der Sprache und in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns: Da sprachübergreifend zutreffende Charakteristika der menschlichen Sprache vermutlich eng mit der Organisation des menschlichen Gehirns zusammenhängen, kann die Identifikation von „Universalien“ in der Neurokognition der Sprache die Hypothesenbildung über den Zusammenhang zwischen Sprache und Gehirn entscheidend vorantreiben.
Sprachübergreifende Unterschiede wurden beispielsweise in einer Reihe von psycholinguistischen EEG-Experimenten aufgedeckt, in denen die Online-Verarbeitung von Wortakzent und rhythmischen Strukturen auf sprachvergleichender Basis (Arbeiten zu den Sprachen Deutsch, Englisch, Polnisch, Türkisch, Ägyptisch-Arabisch) untersucht wurde. Dabei zeigte sich, dass selbst eng verwandte Sprachen wie Deutsch und Englisch in bestimmten Bereichen auf fundamental unterschiedliche neuronale Verstehensmechanismen zurückgreifen. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Wortbetonung und Satzmelodie einen wesentlichen Einfluss auf das Verstehen von Sprache haben und jeweils charakteristische neurophysiologische Signaturen hervorrufen.
Die Spracherwerbsforschung als Teil der Psycholinguistik widmet sich der Untersuchung individueller Sprachentwicklungsverläufe über die Lebensspanne. Indem Veränderungen sprachlicher Fähigkeiten in Abhängigkeit vom Lebensalter untersucht werden, ergänzt die Betrachtung der Sprachentwicklung in der Ontogenese die Perspektive der Lang- und Kurzzeitdiachronie. Mit einer Vielfalt von behavioralen und experimentellen Methoden (z.B. Produktionsdaten, Verstehensexperimenten, Lernexperimenten, Reaktionszeitstudien, EEG-Studien) wird untersucht, welche Erwerbsmuster und Erwerbssequenzen bei mono- oder bilingualen Kindern im Laufe des Spracherwerbs zu beobachten sind, welche systematischen Zwischenstufen durchlaufen werden und inwieweit interindividuelle Variationen bestehen. Das Forschungsinteresse richtet sich unter dem Aspekt der Lernbarkeit insbesondere darauf, welche potentiellen Basiskategorien der Sprache früh erworben werden und welche einer längeren Lernphase bedürfen bzw. störanfällig sind. Im Rahmen des LOEWE-Schwerpunktes wurde dies insbesondere für die Kategorien prosodisches Wort und prosodischer Fuß untersucht.
Die Frage nach der Störbarkeit sprachlicher Kategorien und Fähigkeiten führt zu einem weiteren Erkenntnisfenster, der klinischen Linguistik. Muster gestörter Sprache bei Kindern und Erwachsenen, ihre zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen sowie ihre therapeutische Modifizierbarkeit können zum Einen Modelle typischer Sprachverarbeitung spezifizieren, da sich aus den z. T. selektiven Profilen bei Menschen mit Sprachpathologien unterschiedlicher Genese Erkenntnisse zur kognitiven Verankerung und zum Zusammenspiel sprachlicher Fähigkeiten ableiten lassen. Darüber hinaus können die Erkenntnisse für die Entwicklung von Diagnostik- und Therapieverfahren nutzbar gemacht werden. Im sprachtherapeutischen Zentrum KLing findet eine solche Verzahnung zwischen Forschung und klinischer Praxis statt.

Projekte:

  • LOEWE-Schwerpunkt: Teilprojekt 1: Erwerb der Basiskategorien Wort und Fuß
  • LOEWE-Schwerpunkt: Teilprojekt 2: Grenzmarkierungen von Wort und Fuß
  • LOEWE-Schwerpunkt: Teilprojekt 4: Konstituenten des phonologischen Wortes
  • LOEWE-Schwerpunkt: Teilprojekt 7: Strategien der Argumentidentifikation in V1- und V2-Sprachen. Eine neurolinguistisch-diachrone Untersuchung des Kymrischen
  • Projekt im SFB-TTR "Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung": Kategorisierung von emotionaler Information in Wörtern und Gesichtern im Laufe der kindlichen Entwicklung