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Aisthesis. Wahrnehmung der Farben in den Pflanzenbeschreibungen der frühen deutschen Kräuterbücher.
von Peter Seidensticker
Carl von Linné, der Begründer der modernen Naturwissenschaft und Erfinder der binären Nomenklatur, rechnete zu seinen Vorgängern drei Humanisten: den Straßburger Karthäusermönch und späteren Arzt Otto Brunfels, den Prediger, Arzt und Pflanzenkenner Hieronymus Bock im nordelsässischen Hornberg und den Tübinger Professor Leonhart Fuchs.
In ihren Kräuterbüchern lassen sich die ersten und entscheidenden Schritte zur Emanzipation der überlieferten Pflanzenkunde als Arzneilehre zur Botanik als naturwissenschaftlicher Disziplin verfolgen. Denn sie verwenden zwar in ihren Werken noch Sinneseindrücke wie Farbe, Duft, Geschmack zur Beschreibung von Pflanzen – was Linné später für die taxonomische Definition ablehnte. Doch da für die Wahrnehmung von Farbeindrücken nur ein begrenztes Vokabular zur Verfügung stand, fanden sie neue Ausdrucksmöglichkeiten, um der unendlichen Vielfalt der Abtönungen und Schattierungen gerecht zu werden, die sie in der Natur beobachteten.
Peter Seidensticker hat die frühen deutschen Kräuterbücher in dieser Studie detailliert ausgewertet, um die Entfaltung eines differenzierten Farben-Wortschatzes in der deutschen Sprache zu zeigen.