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Ehemaliges Projekt B1 - Dynamik von Repräsentationen im Spracherwerb

PI und Ko-PI: Prof. Dr. Domahs, Prof. Dr. Kauschke und Prof. Dr. Scharinger
Promovierende: Francie Höhler

Forschungskontext

Im Spracherwerb lassen sich zwischen dem zweiten bis vierten Lebensjahr systematische segmentale und prosodische Abweichungen von Wortformen beobachten, die als phonologische Prozesse bezeichnet werden. Neben den sehr typischen Prozessen, die hinsichtlich ihres Vorkommens in bestimmten Erwerbsphasen gut dokumentiert sind, finden sich für Auffälligkeiten im Vokalismus nur wenige Belege bzw. Beschreibungen systematischer Abweichungen von der Zielstruktur. Dies gilt in besonderem Maße für Reduktionsvokale und den Erwerb der Reduktionssilbe. In der Literatur wird beschrieben, dass diese Strukturen eine Herausforderung im Erwerb darstellen (Kehoe & Lleó 2003; Kauschke 2018; Kehoe 2019), jedoch stützen sich Aussagen dazu bislang auf wenige Fälle. Systematische Untersuchung zur Perzeption und Produktion von Reduktionsvokalen müssten klären, welchen Status abweichende Realisierungen von Reduktionsvokalen haben und ob es sich dabei um einen systematischen phonologischen Prozess handelt.

Durch die Analyse kindlicher Produktionsdaten sowie der Betrachtung der kindlichen Perzeption von sprachunauffälligen und sprachgestörten Kindern lassen sich neue Erkenntnisse zum Erwerb phonologischer Repräsentationen gewinnen. Dabei werden auch die unterschiedlichen Umgebungen, in denen Reduktionsvokale auftreten (z. B. Flexionsaffixe, lexikalische Wörter), berücksichtigt.

Aktuelles Promotionsprojekt

Arbeitstitel: Reduktionsvokale und –silben im typischen und gestörten Erstspracherwerb: Prozesse und Entwicklung zielsprachlicher Repräsentationen 

Ziele

Im Promotionsprojekt soll erforscht werden, ob Reduktionsvokale und -silben eine Erwerbshürde im deutschen Erstspracherwerb darstellen. Konkret wird untersucht, wie sich der Verlauf des Erwerbs in kindlichen Produktionsdaten sprachunauffälliger Kinder entwickelt und ob sprachauffällige Kinder Reduktionsvokale und -silben im Vergleich zu sprachunauffälligen Kindern anders wahrnehmen.

Methoden

Zum einen werden Produktionsdaten aus Elizitationsexperimenten und bestehenden Korpora (z.B. Osnabrück-Korpus; Grimm, 2007) hinsichtlich der Realisierung von Reduktionsvokalen und -silben ausgewertet, zum anderen wird die Sensitivität für die genannten Strukturen über EEG-Messungen (MMN) untersucht. Es sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie sich die Produktion im Erwerbsverlauf verändert und ob Schwierigkeiten in der Wahrnehmung zu Verzögerungen im Erwerb führen könnten.

Vorarbeiten

Das Promotionsprojekt baut auf Analysen (BA-Arbeit Höhler) des Osnabrück-Korpus (Grimm, 2007), die zur weiteren Analyse in Anlehnung an Kehoe und Lleó (2003) vorbereitet werden.  Eine weitere Vorarbeit ist eine MMN-Studie der Erstbetreuerin (Türk, Gerards, Scharinger & Domahs, 2022) zur Vokalperzeption, die für die Kinderstudie adaptiert werden soll.

Bezüge zu anderen Projekten

Enge Bezüge bestehen zu Projekt B3, in dem untersucht wird, inwieweit Interventionsmaßnahmen zur Modifizierung phonologischen Repräsentationen im kindlichen Zweitspracherwerb führen können. Hierbei werden auch Repräsentationen von Vokalen inklusive Schwa untersucht.  In Bezug auf die Verarbeitung von Vokalen ergeben sich Bezüge zu Projekt A1.

 Literaturangaben

  • Grimm, A. (2007). The development of early prosodic word structure in child German: simplex words and compounds [Dissertation]. Universität Potsdam, Potsdam.

  • Höhler, F. (2020). Reduktionssilben im frühen Erstspracherwerb des Deutschen: Eine phonetisch-phonologische Korpusanalyse von Realisierungsvarianten [Bachelorarbeit]. Philipps-Universität Marburg, Marburg.

  • Kauschke, C. (2018). Wortbetonung als Einstieg in die Therapie von Sprachentwicklungsstörungen.  logopädieschweiz, 3, 4–11.

  • Kehoe, M. W. (2019). An acoustic study of schwa syllables in monolingual and bilingual German speaking children. Linguistische Berichte, 260, 423–470.

  • Kehoe, M., & Lleó, C. (2003). A Phonological Analysis of Schwa in German First Language Acquisition. Canadian Journal of Linguistics, 48(3/4), 289–327.

  • Türk, S., Gerards, J., Scharinger, M. & Domahs, U., (2022) MMN patterns in the processing of German mid-high vowels in native and non-native speakers. Presentation at the International Conference on Laboratory Phonology 22.