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Projekt D - Beschreibungs- und Interaktionsebenen sprachlicher Repräsentationen

Bewerbung auf Post-doc Stelle nicht möglich!

PI: Prof. Dr. Kasper (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
PostDoc: Dr. Toke Hoffmeister

Forschungskontext

Die Frage nach dem Zusammenhang von Sprachsystem und Sprachgebrauch ist in der linguistischen Forschung verschieden behandelt worden. Zumeist resultiert eine Beschäftigung mit dem Problem in der Postulierung eines Primats: entweder zugunsten des Sprachsystems (z. B. in der Generativen Grammatik über den Kompetenzbegriff und die Introspektion) oder zugunsten des Sprachgebrauchs (z. B. in den gebrauchsbasierten Kognitiven Grammatiktheorien über die Korpusbasiertheit). Insgesamt lassen sich vier verschiedene Zugänge unterscheiden, die mit dem Mikro-Makro-Problem umgehen wollen: (i) Die Ebenen werden als begrifflich irreduzibel (»energeia« vs. »ergon«, »parole« vs. »langue«, Akt vs. Gebilde) behandelt und können/sollen nicht auseinander erklärt werden; (ii) Unterscheidungen auf der Mikroebene werden begrifflich eingeebnet (z. B. Handeln vs. Verhalten in der Systemtheorie), (iii) Unterscheidungen auf der Makroebene werden kognitiviert (z. B. der Systembegriff in der Synchronisierungstheorie von Schmidt & Herrgen 2011) und in [gebrauchsbasierten] kognitiven Grammatiktheorien), (iv) die Ebenen werden nicht-reduktionistisch über »Unsichtbare Hand«-Erklärungen vermittelt (z. B. bei Keller 2003), wobei linguistische Einheiten, die selbst Gegenstand des Mikro-Makroproblems sind, auf beiden Ebenen gesetzt sind.

Das Teilprojekt D ist interdisziplinär ausgerichtet. Die theoretischen Grundlagen werden vor allem aus der philosophischen Anthropologie, der (Neuen) Phänomenologie und der Humanökologie bezogen. Linguistisch sieht sich das Projekt einem gebrauchsbasierten Paradigma verpflichtet. Die theoretische Richtung kann mit Kasper (2015) als kulturalistischer Pragmatismus terminologisch konkretisiert werden.

Aktuelles Habilitationsprojekt

Arbeitstitel: Das ökologische Selbst. Sprachliche Repräsentationen und das Mikro-Makro-Problem.

Ziele

Die zentrale Aufgabe des Projekts ist es, vor dem Hintergrund der anderen Teilprojekte einen Repräsentationsbegriff herauszuarbeiten, der die subjektive, individuelle und die objektive, überindividuelle Beschreibungsebene von Sprache theoretisch vermittelt. Angestrebt wird damit eine Lösung des Mikro-Makroproblems, das in der Inkommensurabilität zweier theoretischer Zugriffe besteht: auf der einen Seite der Zugriff auf eine Mikrobeschreibungsebene, die das menschliche Individuum, seine kognitive, emotionale und leibliche Verfasstheit sowie seine individuellen Hervorbringungen umfasst (»energeia«, „subjektiver Geist“: Verhalten, Artefakte, Handlungen, darunter Sprechakte etc.), und auf der anderen Seite der Zugriff auf eine Makrobeschreibungsebene, deren Gegenstände überindividuelle, soziale, oft abstrakte oder idealisierte Gebilde darstellen (»ergon«, „objektiver Geist“: Sprachsysteme, Sozialsysteme, Institutionen, Ordnungen etc.). Die beiden Ebenen sind theoretisch inkommensurabel, insofern die Beschreibungsmittel und Erklärungsmodi der einen Ebene i. d. R. ungeeignet sind, um die Phänomene der jeweils anderen zu beschreiben und zu erklären (vgl. »parole« vs. »langue«). Im Falle des Phänomenbereichs Sprache findet sich auf der Makroebene mit Systemen, Variablen, Strukturen, Formen und Funktionen der paradigmatische Kern der modernen (Struktur-)Linguistik, auf der Mikroebene sind neben den Instanziierungen der genannten Makroeinheiten aber auch verstärkt Phänomene wie Wahrnehmung, Kategorisierung, Wissen, Bedeutsamkeit, Handlungen, Motive, Einstellungen, Identität usw. in den Blick geraten. Diese beiden Ebenen, so das Grundverständnis des Projektes, können mit einem geeigneten Repräsentationsbegriff überbrückt werden, der damit zu einem neuen, sprachtheoretischen Zentralbegriff werden soll.

Methoden

Die Methodik des Projektes richtet sich zum einen nach den theoretischen Zugriffen der zugrundeliegenden Disziplinen. Hier spielen die Hermeneutik, die Phänomenologie und die Dialektik eine wichtige Rolle. Linguistisch orientiert sich das Projekt an den Methoden der anderen Teilprojekte und nutzt Korpusdaten und Ergebnisse experimenteller Settings, verfolgt also einen Mixed-Methods-Ansatz.

Vorarbeiten

Mit den Arbeiten von Kasper (2015, 2020) liegen zwei erste umfangreiche Monografien vor, die den Menschen, seine Wahrnehmungen und Handlungen in der Welt verorten. Dies geschieht unter Bezugnahme auf sprachliches Wissen, Können und Tun. Die Arbeiten von Kasper stellen damit für das Projekt einen wichtigen Referenzrahmen dar, da die anthropologische Dimension von Sprache und Sprachwissen hier theoretisch und empirisch aufgearbeitet wird.

Des Weiteren ist die Dissertation von Hoffmeister (2021) ein wichtiger Anknüpfungspunkt. Gegenstand der theoretischen Ausführungen ist die Beschreibung der alltäglichen Lebenswelten als Sprachwelten, die die Omnipräsenz von Sprache und deren Bedeutung für die Sprecher*innen begrifflich fassbar machen. Davon ausgehend wird auf der Grundlage kognitionslinguistischer Ansätze ein gebrauchsbasiertes, sozio-kognitives Modell laienlinguistischen Wissens erarbeitet, das sich vor allem auf die Repräsentationen metasprachlichen Wissens bezieht. Der Repräsentationsbegriff bleibt hier aber noch vortheoretisch und unterspezifiziert.

 Weitere Vorarbeiten:

  • Hoffmeister, Toke (2020): Subjektive Grammatikalitätstheorien. Entstehung, Verbreitung und forschungspraktische Konsequenzen. Deutsche Sprache 3, 233–248.
  • Hoffmeister, Toke (2021): Sprachkonzepte in der Öffentlichkeit - Kognitive Repräsentationen von System und Gebrauch der deutschen Sprache. In: Toke Hoffmeister, Markus Hundt & Saskia Naths (Hrsg.): Laien, Wissen, Sprache. Konzepte, Theoretische, methodische und domänenspezifische Perspektiven. (Sprache und Wissen 50). Berlin, Boston: De Gruyter, 71–103.
  • Kasper, Simon (2014): Herleitung einer Instruktionsgrammatik. Zeitschrift für Germanistische Linguistik 42(2), 253–306.
  • Kasper, Simon / Christoph Purschke (2017): Reflexionen zum variationslinguistischen Erklärungsbegriff. In: Helen Christen, Peter Gilles & Christoph Purschke (Hrsg.): Räume, Grenzen, Übergänge. Akten des 5. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD). (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte), Stuttgart: Steiner, 185–213.

Bezüge zu anderen Projekten

Das Projekt D stellt Bezüge zu allen anderen Projekten her und arbeitet auf Grundlage der Ergebnisse und Erkenntnisse der anderen Teilprojekte einen Repräsentationsbegriff zur Lösung des Mikro-Makro-Problems heraus.