Hauptinhalt
Einfluss der Techniken zur Bedeutungserklärung auf den Zugriff auf fremdsprachliches lexikalisches Wissen
Dr. Madjid Nezhad Masum
Kontakt
Institut für Germanistik, Universität Oldenburg
madjid.nezhad.masum@uni-oldenburg.de
Betreuung
Prof. Dr. Ruth Albert
Prof. Dr. Christina Kauschke
Förderer
Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD)
Zeitraum
18.12.2007 – 15.07.2011
Projektbeschreibung
Vor dem Hintergrund der kontroversen Frage in der Psycholinguistik, ob der interne Aufbau des bilingualen mentalen Lexikons bei Erwachsenen im frühen Stadium des Fremdsprachenlernens damit zusammenhängt, wie die Bedeutung neuer Vokabeln im Fremdsprachenunterricht vermittelt wird, zielte das abgeschlossene Promotionsprojekt darauf ab, die Auswirkung von drei gängigen Techniken zur Bedeutungsvermittlung zu untersuchen: Bedeutungserklärung durch a) Übersetzungsäquivalente, b) Bilder, c) Texte. Basierend auf der Entwicklungshypothese (Kroll & Curley 1988; Chen & Leung 1989), der zufolge die neu gelernten Vokabeln bei erwachsenen Lernenden zunächst nach einem Wortassoziationsmodell gespeichert werden, wurde die Hypothese aufgestellt, dass die erforderliche Zeit zum Abruf der gelernten Vokabeln während der mündlichen Wortproduktion unabhängig davon ist, durch welche Methode sie vermittelt werden, denn diesem Modell zufolge werden die intendierten zu produzierenden Wörter alle über die gleichen Knoten und Verbindungen im mentalen Lexikon aktiviert. Zur Messung der Abrufzeit diente die Reaktionszeit der Probanden in einem Bildbenennungsexperiment. Sie erstreckte sich über das Zeitfenster zwischen der Bildpräsentation und der Produktion des Anfangslautes der erwarteten Bezeichnung.
Die ausgewählten Techniken wurden jeweils mit zwei getrennten sprachlich wie kulturell heterogenen Gruppen durchgeführt. Alle Teilnehmenden beider Gruppen studierten im Masterstudiengang Deutsch als Fremdsprache (DaF) an der Universität Marburg. Da einige Teilnehmende deutsche Muttersprachler waren, wurden deswegen nicht deutsche, sondern Kunstwörter als die zu vermittelnden Vokabeln benutzt, um dadurch den Faktor Familiarität der zu vermittelnden Wörter zu kontrollieren. Hierbei wurden 3 Sets von 21 Kunstwörtern erstellt. Sie bezogen sich auf 63 allgemein bekannte Begriffe aus 9 semantischen Kategorien. Die einzelsprachübergreifende Familiarität der Begriffe wurde zuerst statistisch überprüft.
Die konstruierten Wörter wurden in Analogie zum realen Fremdsprachenunterricht in einer Lernphase, bestehend aus drei Sitzungen, präsentiert und geübt und zwei Tage nach der letzten Sitzung in einer Kontrollphase mittels Bildbenennungsexperimenten abgerufen. Die statistische Auswertung der Reaktionszeiten verwies auf einen signifikanten Unterschied zwischen der Bedeutungsvermittlung durch Bilder vs. Übersetzungsäquivalente: durch Übersetzungsäquivalente gelernte Vokabeln wurden mit einer deutlichen Verzögerung produziert. Zwischen der Bedeutungsvermittlung durch Bilder vs. Texte zeigte sich in beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied.
In Anlehnung an die erworbenen Ergebnisse und gängigen Modelle des bilingualen mentalen Lexikons wurden neue Modellvorstellungen konzipiert, denen zufolge die Stärke der fremdsprachenbezogenen lexikalischen Konzepte ein Effekt der Techniken ist, die zur Bedeutungsvermittlung neuer Vokabeln herangezogen werden. Aus diesem Blickwinkel tragen bildliche Materialien zur Entstehung von stärkeren lexikalischen Konzepten bei als Einzelwörter, was wiederum zu einer Beschleunigung des Wortabrufs während der Sprachproduktion führt.
Fazit
Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die bedeutende Rolle von bildlichen Materialien in der Vokabelvermittlung im Fremdsprachenunterricht. Bilder sprechen das optische Gedächtnis an und aktivieren allgemein-konzeptuelle Informationen, die Voraussetzung für die Entstehung fremdsprachbezogener lexikalischer Konzepte sind, qualitativ wie quantitativ effektiver als Einzelwörter, die diese Informationen über merkmalsärmere Gedächtnisbilder aktivieren. Zum anderen steht der Befund, dass sich kein signifikanter Unterschied zwischen der Vokabelvermittlung durch Bilder vs. Texte zeigte, im Einklang mit den fremdsprachendidaktischen Annahmen, die eine multicodierte Bedeutungsvermittlung im Vokabellernen befürworten. Nicht nur Aktivierung verschiedener Sinneskanäle, nämlich Multimodalität, sondern auch Präsentation und Erklärung der zu vermittelnden Vokabeln anhand verschiedener Kodes, d.h. Multikodierung, trägt zur Stärke der entstandenen fremdsprachbezogenen lexikalischen Konzepte bei. Somit wirkt sich eine Kombination aus verbalen und nonverbalen Mitteln noch effektiver auf die Abrufzeit der gelernten Vokabeln während der mündlichen Sprachproduktion aus.
Publikationen zur Dissertation
Nezhad Masum, M. (2012). Das mentale Lexikon. Wortproduktion in der Fremdsprache. Marburg: Tectum Verlag.
Präsentationen auf Tagungen
Nezhad Masum, M. Technikabhängige Repräsentation und Verarbeitung der gelernten fremdsprachlichen Vokabeln im bilingualen Gedächtnis. GAL, Erlangen (September 2012).
Publikationen zu verwandten Themen
Nezhad Masum, M. (2016). Mentale Repräsentation und Verarbeitung des regulären Verbs im Persischen. In C. Cerri & S. Jentges (Hrsg.), „Das musst du an Ruth fragen“. Aktuelle Tendenzen der Angewandten Linguistik (S. 75-68). Baltmannsweiler: Schneider Verlag.
Laufende Projekte
SPEIK (Spracherhebung bei iranischen Migrantenkindern), Universität Oldenburg