22.12.2021 Zum Tod von Prof. Dr. Peer Zietz (1957 – 2021)
Am 27.11.2021 verstarb überraschend unser langjähriger Kollege Prof. Dr. Peer Zietz. Als Lehrbeauftragter seit 2003 und Honorarprofessor seit 2011 vertrat er das Gebiet der Denkmalpflege am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Marburg. Dabei hat er viele Jahrgänge von Studierenden an seiner Erfahrung als Denkmalpfleger teilhaben lassen und ihnen wichtige Perspektiven auf dieses zentrale Praxisfeld der Kunstgeschichte eröffnet.
Peer Zietz studierte 1979-1987 Kunstgeschichte und Archäologie in Göttingen und an der Freien Universität Berlin, wo er bei Peter Kurmann mit einer Dissertation über die Kirchenbauten des späthistoristischen Architekten Franz Heinrich Schwechten promovierte. 1987 begann er seine Arbeit in der Außenstelle Marburg des Landesamts für Denkmalpflege Hessen. Dort war er zunächst in der Abteilung Inventarisation tätig, die er ab 1993 leitete. 2001 wechselte er als Bezirkskonservator in die praktische Denkmalpflege und betreute zunächst den Schwalm-Eder-Kreis, ab 2003 zudem die Stadt Kassel. In seinen Zuständigkeitsbereich fiel damit auch die 2006 konstituierte Museumslandschaft Hessen Kassel mit dem Bergpark Wilhelmshöhe, dessen Weg zum UNESCO-Weltkulturerbe er begleitete.
Seine Praxis als Denkmalpfleger flankierte Zietz durch eine ausdauernde wissenschaftliche Arbeit. Den Grundstein dazu legte er mit seiner Dissertation, einem relevanten Beitrag zur seinerzeit noch jungen Historismus-Forschung. Den bauaufgabenspezifischen Zugriff der Dissertation, die sich auf die sakrale Bautätigkeit Schwechtens konzentrierte, ergänzte er 1999 durch eine werkmonographische Publikation über den Architekten. Wesentliche Bilanz seiner Jahre in der Inventarisation sind nicht weniger als drei Bände der Denkmaltopographie Hessens, die er den Altkreisen Eschwege (1991) und Witzenhausen (1995) sowie der Stadt Alsfeld (2002) widmete. Er erweist sich darin als Generalist im besten Sinne, dessen wissenschaftliche Neugier die gesamte Vielfalt des gebauten Erbes mit gleichbleibender Aufmerksamkeit erschließt. Insbesondere mit dem Topographieband zu Alsfeld profilierte sich Zietz als führender Kenner historischer Fachwerkarchitektur. In einer großen Zahl weiterer Publikationen analysiert er die Bedeutungspotenziale von Denkmalen und Denkmalensembles und reflektiert die Problemstellungen denkmalpflegerischer Arbeit. Forschung und Vermittlung, architekturhistorische und berufspraktische Kompetenz gehen dabei fruchtbare Verbindungen ein.
Denkmalpflege arbeitet in gesellschaftlichem Auftrag und ist auf den Dialog mit der Gesellschaft angewiesen. Peer Zietz führte diesen Dialog auf vielen Ebenen, besonders nachhaltig aber im Rahmen seiner über 25jährigen Lehrtätigkeit. Neben Lehraufträgen an der Deutschen Bundesfachschule für das Zimmerhandwerk in Kassel und an der Verwaltungsfachschule Rotenburg lehrte er bereits seit 1996 regelmäßig an den Professuren für Kunstgeschichte der Universität Gießen, ab 2003 dann am Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität. Von beeindruckender Breite waren das Spektrum und der kontinuierliche Wechsel seiner Seminarthemen. Sie reichten von der Einführung in grundsätzliche Problematiken des Denkmalschutzes über Vertiefungen denkmalpflegerischer Sondergebiete bis zu Themen der regionalen und überregionalen Architekturgeschichte aller Epochen. Zietz‘ doppelte Berufserfahrung in der Inventarisation und praktischen Denkmalpflege kam auch seiner Lehrtätigkeit zugute. Der Erfolg seiner Lehrveranstaltungen äußerte sich in einer steten Folge durch ihn betreuter Qualifikationsarbeiten. Das Interesse, das er zu wecken wusste, zeigt sich aber auch darin, dass Studierende der Kunstgeschichte immer wieder Praktika an der Marburger Außenstelle des Landesamts für Denkmalpflege wahrgenommen haben.
Sein letztes Seminar behandelte das Themenfeld der Industriearchitektur mit ihren denkmalpflegerischen Chancen und Konflikten. Der Tod hat diese praxisnahe Lehrveranstaltung jäh unterbrochen. Für fast zwei Jahrzehnte war Peer Zietz Botschafter der Denkmalpflege am Kunstgeschichtlichen Institut. Für das Lehrangebot des Instituts war sein Einsatz von höchstem Wert. Wir trauern um einen geschätzten Wissenschaftler, engagierten Pädagogen und hochverdienten Kollegen.
Für das Kollegium des Kunstgeschichtlichen Instituts
Prof. Dr. Jörg Stabenow