Hauptinhalt
Jazz-Keller
Von Caterina Lobenstein
Nachdem der Hot Club zu Beginn der 1950er Jahre aus seinen Arbeits- und Konzerträumen ausziehen musste, hatten Musiker und Fans ein unscheinbares, aber weitgehend unversehrtes Kellergewölbe in einem zerbombten Haus in der Bockenheimer Straße ausfindig gemacht und in wochenlanger, mühsamer Arbeit zur Jazz-Bühne mit angeschlossener Kneipe umfunktioniert. Im Sommer 1952 öffnete der Keller unter dem Namen „Domicile du Jazz“ seine Pforten. Die Szene hatte eine neue Heimat gefunden. Das Profil des „Domicile du Jazz“, bald nur noch als Jazz-Keller bezeichnet, war klar abgesteckt: unentgeltliches Spiel im Kennerkreis statt kommerziellem Mode-Jazz, nonkonformistisches Lebensgefühl statt seichter Tanzmusik-Unterhaltung.Das Konzept ging auf: Abend für Abend trafen sich etablierte und unbekannte Musiker zum Spielen und Experimentieren, darunter spätere Größen wie Carlo Bohländer oder Albert Mangelsdorff. Deutschlands erste institutionalisierte Jam-Session war geboren. Bald sprach sich die Nachricht von der Eröffnung eines neuen Jazzlokals auch unter den im Umkreis stationierten amerikanischen Truppen herum. US-Amerikaner, darunter Jazz-Idole wie Joe Henderson, Stan Getz und Chet Baker kamen regelmäßig in den „Keller“. So ergab sich fast jeden Abend die Möglichkeit zum Jammen und Fachsimpeln mit Musikern aus dem Mutterland des Jazz – für die lokale Szene eine Erfahrung von unschätzbarem Wert.
Neben mittlerweile legendär gewordenen Jazz-Konzerten bot der Keller mit seinen Sessions immer auch eine exzellente Nachwuchsförderung – nicht von ungefähr bezeichnete ihn der Gitarrist Volker Kriegel später als „Stammkneipe, Vereinsheim und Trainingslager“. Der Jazz-Keller hat – freilich mit wechselnden Konzepten und Betreibern – bis heute überlebt. Und wenn die Musiker gut aufgelegt sind, die Biere nicht mehr gezählt werden und der Wirt aus dem Nähkästchen plaudert, dann rückt die Pionierzeit des Frankfurter Jazz auch nach mehr als 50 Jahren ganz nah.