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Entwicklung von Chorvereinigungen

Foto: Stadtarchiv Bad Camberg
Gruppenbild des 1846 gegründeten Männergesangvereins Bad Camberg (Mitte 19. Jhd.)

„Kömmt es einmal dahin, daß – nicht etwa Jedermann Musik studiert: wer wollte eine solche Anmutung sich erlauben; sondern nur, daß die Zahl derer, die jene edlere, menschliche Erholung in ihr suchen, die größere wird und die Zahl der Rohen, der Matten und der Strumpfsinnigen übersteigt …“
(Eberhard Preußner: Die bürgerliche Musikkultur, S. 94)

Dies war das erträumte Pestalozzische Zukunftsbild, welches in den Zeiten der Befreiungskriege gegen Napoleon, durch ein neu entstandenes Gemeinschaftsgefühl unterstützt, den Anfang einer bürgerlichen Musikkultur legte.

Eine „wahre“ bürgerliche Musikkultur sollte es sein, die die „Veredlung“ des menschlichen Wesens durch Bildung als ihre Aufgabe verstand und die Kluft zwischen Individuum und Gesellschaft sowie zwischen den unterschiedlichen sozialen Schichten zu verringern versuchte.

So entstand Anfang des 19. Jahrhunderts die erste „neue Gesangsschule nach Pestalozzischen Prinzipien“, die eine Grundlage für die volkstümliche Musikpflege bildete, insofern dort Kunst und Volk einander nahe gebracht wurden. Ebenso von philanthropisch-pädagogischen Gedanken geprägt, wurden etliche Lehrwerke und Gesangsbücher  veröffentlicht. Sehr wichtig für das Land Hessen war in dieser Hinsicht der Liedersammler, Volksliedforscher, Musiklehrer und gebürtige Hesse Ludwig Erk, der durch seine Volksliedsammlungen einen enormen Beitrag für das deutsche Lied leistete und damit über 100 Jahre die Musik in Hessen prägte. hat. Die Besinnung auf das gemeinsame „Volkserbe“, das Volkslied, sollte die Einheit der germanischen Stämme ins Bewusstsein rufen und den Nationalgedanken stärken.

Foto: MGV Thalau
MGV "Rhönsängerlust" Thalau, ca. 1927, mit Dirigent Wilhelm Hosenfeld

Die Emanzipation der bürgerlichen Schichten fand ihren Ausdruck in der Gründung zahlreicher Männergesangvereine, die dem Chorgesang neben der repräsentativen Funktion eine neue - und für die damalige Zeit von unausgesprochener Bedeutung - bildende Funktion verliehen. So trafen sich in geselliger Runde der Liedertafeln und Liederkränze die Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Schichten, um an einem gemeinsamen musikalischen Erlebnis teilzuhaben.

Einige Gesangvereine, in denen ein starker Leistungsgedanke zu spüren war, erreichten neben dem geselligen Miteinander auch ein hohes musikalisches Niveau und bildeten sogar eine Konkurrenz zu den qualitätstragenden Musikinstitutionen der damaligen Zeit, wie den „Singakademien“. Dazu zählte der im Jahr 1818 in Frankfurt am Main unter der Leitung von Johann Nepomuk Schelble gegründete Cäcilien-Verein, der schnell zum Vorbild für andere Gesangvereine wurde. Dieser konzentrierte sich auf die Pflege der geistlichen Chormusik und brachte im Jahr 1829 die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach zur Aufführung – gleichzeitig mit ihrer Wiederentdeckung in Berlin durch Felix Mendelssohn Bartholdy! Kurz darauf präsentierte er Bachs Hohe Messe h-Moll. Mendelssohn Bartholdy widmete ihm sein Oratorium Paulus. 1937 war der Cäcilien-Verein an der Uraufführung von Carl Orffs Carmina Burana beteiligt.