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kollaborativ verfasste Buchpublikationen
Elemente einer Medienliteraturgeschichte des Journals: Prämissen, Impulse, Methoden. ›Vermächtnis‹ der FOR 2288 »Journalliteratur« mit Beiträgen von Daniela Gretz, Volker Mergenthaler, Nicola Kaminski, Alice Morin und Jens Ruchatz, Monika Schmitz-Emans und Christian A. Bachmann, Nora Ramtke, Vincent Fröhlich. Hannover 2024. 176 Seiten
Von 2016 bis 2022 forschte die an den Universitäten Bochum, Marburg und Köln angesiedelte DFG-Forschergruppe »Journalliteratur« über periodische Printmedien schwerpunktmäßig im langen 19. Jahrhundert, mit einigen Ausflügen ins 20. Jahrhundert. Die dabei in den Blick genommenen Gegenstände reichten von Zeitungen und Zeitschriften im engeren Sinn bis hin zu stärker buchaffinen Formen wie Taschenbüchern, Anthologien und Lieferungswerken. Dieses Heft versammelt – als ›Vermächtnis‹ – einige der wesentlichen methodischen und systematischen Ergebnisse des Forschungsverbunds, um künftiger Journalforschung Impulse zu geben. Ein wichtiger Akzent des Hefts liegt dabei in der Vorstellung einer materialphilologischen Vorgehensweise, welche die spezifische Medialität journalförmiger Publikation in den Mittelpunkt rückt.
Zu den behandelten Themen gehören miszellane Schreibpraktiken von Theodor Fontane, journalspezifische Darstellungsmodi von Raum und Zeit, die involvierende Offenheit journalliterarischer Leseszenen, die Verwendung fotografischer Abbildungen in illustrierten Zeitschriften, die Resonanz der Zeitschrift auf das umgebende Medium Film, die graphische Materialisierung von Comics auf Zeitungs- und Zeitschriftenseiten, die methodologisch und theoretisch herausfordernden Reibungsflächen bei der Bindung von Zeitschriftenheften zu Jahrgängen.
Turnus 1813ff. Mnemopoetische Aporien des ›Regelmäßigen‹ und Auswege ins Materiale. Erster Teil: Gotha 1814-25, Wien 1816-20, Berlin 1817/18, Darmstadt 1859-63. Zweiter Teil: Breslau/Berlin — Leipzig 1813/1913. Hannover 2024 (zus. mit Nicola Kaminski und Sven Schöpf) 116 + 88 Seiten
Die denkwürdigen Ereignisse des Jahres 1813, von denen in der sukzessive sich wieder konstituierenden deutschsprachigen Presse allenthalben die Rede ist, allen voran die Leipziger Völkerschlacht, werfen die Frage auf: wie soll man fortan — überregional, national — dieser Tage gedenken? Und welcher Tage genau? Journale und journalartige Medien erscheinen aufgrund der Korrelation von Journalturnus und jährlicher Wiederkehr möglicher Gedenktage prädestiniert für die Herausbildung und Einübung eines an bestimmte Tage sich bindenden nationalen Gedenkens — können sie doch zwanglos im Vorfeld zu Veranstaltungen anregen, über das in Erinnerung zu Rufende informieren, individuelle Erinnerungsakte anstoßen, von Gedenkveranstaltungen berichten, über Erinnerungspolitik und ihren eigenen Beitrag dazu reflektieren. Im Nachdenken über die medienspezifischen Möglichkeiten, einen Gedächtnisturnus zu etablieren, rücken unversehens allerdings auch Aporien des turnusstiftenden Gestus ins Licht, die Journalmedien bisweilen ihrer publizistischen Voraussetzungen und Funktionsweisen innewerden lassen. Solche medialen Szenarien untersucht dies Pfennig-Magazin in vier analytischen Naheinstellungen, im Mittelpunkt stehen die in Gotha veranstaltete National-Zeitung der Deutschen im Zeitraum von 1814 bis 1825, der Wanderer und das Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst, beide in Wien, von 1816 bis 1820, die publizistische Szene in Berlin 1817/18 um die Gaben der Milde und das preußische Erinnerungsbuch sowie zuletzt die in Darmstadt ansässige Allgemeine Militär-Zeitung von 1859 bis 1863.
Die Auseinandersetzung mit dem Jahr 1913 erfolgt meist im Zusammenhang mit der Erörterung des globalen Unheils der Folgejahre. Beschäftigt man sich mit den Zeitzeugnissen, die die angespannte politische Großwetterlage Europas am Vorabend des Ersten Weltkriegs reflektieren, lassen sich die künftigen Ereignisse erahnen. Doch auch der mediale Rekurs auf die Vergangenheit steht zeitgenössisch im Zeichen kriegerischer Auseinandersetzungen. Man erinnert die »große Zeit vor hundert Jahren«, jene Kämpfe in den Jahren 1813-1815, die das Ende der Napoleonischen Hegemonie markieren. Spätestens seit der Reichsgründung im Jahr 1871 gelten die sogenannten Befreiungskriege als Gründungsmythos der deutschen Nation. Primäres Anliegen der vorliegenden Studie ist es, den Blick für das ›kleine‹ Konkrete zu schärfen, mit dem sich die breite Öffentlichkeit anlässlich des ›Jubeljahrs‹ 1913 konfrontiert findet. Im Zentrum stehen einzelne Druckerzeugnisse: Printmedien, die das Ziel verfolgen, eine besonders ambitionierte Art von Erinnerungsarbeit zu leisten. Deutlich wird: Um 1913 begnügt man sich nicht damit, die Ereignisse von 1813 glorifizierend zu rekonstruieren. Man ist auch äußerst erpicht darauf, der Leserschaft jene Zeit materialiter zu vergegenwärtigen.
Zeit / Schrift 1813-1815 oder Chronopoetik des ›Unregelmäßigen‹. Hannover 2022 (zus. mit David Brehm, Nicola Kaminski, Nora Ramtke u. Sven Schöpf)
Als von Frühjahr 1813 an, beginnend mit Preußen, die deutschen Territorien sich sukzessive von der französischen Herrschaft befreien und bis zum Sommer und Herbst des Jahres allmählich sich eine politisch-militärische Allianz gegen Napoleon formiert, wird all dies vielerorts publizistisch begleitet: in Berlin, in Altenburg und Leipzig, in Freiburg im Breisgau, in Koblenz, in Wien, ja die preußische Feldbuchdruckerei folgt der Armee der Alliierten nach dem Rheinübergang im Dezember 1813 sogar nach Frankreich bis zum Einzug in Paris. Gemeinsam ist diesen neu entstehenden, zwischen Zeitung und Zeitschrift changierenden deutschsprachigen Blättern, daß sie in den Freiräumen, die sich zeitweilig in den machtpolitisch unübersichtlichen Verhältnissen 1813-1815 gegenüber der Normalität von Zensur eröffnen, relativ spontan und meist kurzlebig diskontinuierliche Zeiterfahrung zu verschriften suchen und dabei mit der seriellen Normalität von Journal experimentieren. Was daraus für die typographische Materialität, die textuelle Kohärenz und für die Periodizität von Journal resultiert, läßt sich auf den Begriff einer Chronopoetik des ›Unregelmäßigen‹ bringen. Solchen Inszenierungen von als unregelmäßig erfahrener Zeit durch performative Regelverstöße im Druckmedium selbst läßt sich analytisch adäquat nicht mit der Systematik einer wissenschaftlichen Abhandlung begegnen, ohne daß Wesentliches auf der Strecke bliebe. Die Konsequenz ist die Entscheidung für ein experimentelles: ein zeitungsförmiges Buch.
Optische Auftritte. Marktszenen in der medialen Konkurrenz von Journal-, Almanachs- und Bücherliteratur. Hannover 2019 (zus. mit Stephanie Gleißner, Mirela Husić u. Nicola Kaminski)
Wer sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins bunte Gewühl des literarischen Markts stürzt, wird sogleich heftig umworben, nicht nur seitens der meist in Oktav gedruckten Bücher, sondern gerade auch der Unterhaltungsblätter (in Quart) und des zierlichen Duodez- oder Sedezgeschlechts der Taschenbücher und Kalender. Der Kampf um die Zuneigung des »geliebten Lesers« und der »nie genug zu liebenden Leserinn« (so publikumszugewandt das Taschenbuch für Frohsinn und Liebe auf das Jahr 1826) wird mit ganzem Körpereinsatz geführt, mitunter auch mit samtenen oder seidenen Bandagen. Angefangen bei der Vielfalt möglicher Einbände, zwischen denen die Leserin, der Leser wählen kann, über die verschiedenen Formate, Goldschnitt, ja Lettern und mise en page bis hin zur Qualität des Papiers – der Körper der Literatur in seiner visuellen und haptischen Dimension tritt auf dem Markt, verstanden als konkurrentes Ensemble der belletristischen Neuerscheinungen im jeweiligen hic et nunc, in Erscheinung: selbstbewußt, nicht etwa als beschwerendes Beiwerk eines gemeinhin als ›abstrakt‹ gedachten Textes. Daß dieser optische (und haptische) Auftritt das konstituiert, was zeitgenössisch als Literatur gelesen wird, bildet die Prämisse des vorliegenden Buchs. Es bietet, synchron und syntop, sieben Marktszenen, die, auf der Spur je eines journal- oder taschenbuchförmigen ›Protagonisten‹, in sieben Spaziergängen entfaltet werden: durch Berlin 1802/03 und 1847/48, durch Stuttgart 1816/17, Wien und Leipzig 1825ff., nochmals Leipzig 1838/39 und wieder Wien sowie Pesth 1840ff., mit Seiten-, Rück- und Wechselblicken von hier nach dort und von dort nach hier.
Zuschauer im Eckfenster 1821/22 oder Selbstreflexion der Journalliteratur im Journal(text). Hannover 2015, 249 Seiten (zus. mit Nicola Kaminski)
Üblicherweise liest man ›Des Vetters Eckfenster‹ als Erzählung E. T. A. Hoffmanns, mit Blick auf das Schicksal des gelähmten Vetters und das Erscheinungsdatum zwei Monate vor Hoffmanns Tod nicht selten mit autobiographischen Implikationen. Das vorliegende Buch schlägt, ausgehend vom Veröffentlichungsort des Textes, der Berliner Zeitschrift ›Der Zuschauer‹, in der ›Des Vetter Eckfenster‹ vom 23. April bis zum 4. Mai 1822 in Fortsetzungen veröffentlicht wird, eine andere Lesart vor. Eine Lesart, die die Autorschaft des gesunden, den Gelähmten besuchenden und mit ihm aus dem Eckfenster schauenden Vetters ernstnimmt und die Publikation im ›Zuschauer‹ ihm zurechnet. Das Szenario stellt sich dann auf einmal sehr anders dar, konflikthaltig: Der eine, der schreibende und in Fortsetzungen veröffentlichende Vetter ist zugleich unübersehbar als illiterat markiert; der andere, der gelähmte Dichter, veröffentlicht nicht mehr. Nicht im ›Zuschauer‹, in dem seit 1821 vielerlei Schaulustige, unter ihnen auch E. T. A. Hoffmann, das Hauptstadttreiben beobachten und davon erzählen, journalistisch berichten, es rezensieren. Doch auch keine unsterblichen Werke in Buchform mehr. Diese Schreibblockade läßt sich zwar auch als kritischer Kommentar zum zeitgenössischen Literaturbetrieb lesen, nur bekümmert der sich nicht darum. Nicht einmal der eigene, literarisch unbedarfte Vetter tut das, erzählt und publiziert vielmehr auf eigene Hand. Signum dieses Erzählens und Publizierens in Fortsetzungen aber ist ein nur scheinbar nebensächlicher Blickfang: der dernier cri der hauptstädtischen Modewelt nämlich, der rothe Shawl… In diesem journalliterarischen Horizont erscheint ›Des Vetters Eckfenster‹ nicht als distinkt sich abschließendes literarisches Werk, sondern als Brennpunkt, in dem sich die in der Zeitschrift ›Der Zuschauer‹ über den gesamten Erscheinungsverlauf 1821/22 ausgetragenen oder in Szene gesetzten Debatten um Autorschaft, Publikationsformen, Publikum, Stellenwert und Relevanz von Literatur sammeln und im Konflikt der Vettern scharfgestellt werden. Seine Grenzen hat der ›Eckfenster‹-Text somit bestenfalls im Zeitblatt ›Der Zuschauer‹, genaugenommen noch nicht einmal dort.
»Der Dichtkunst Morgenröthe verließ der Erde Thal«: Viel Lärmen um Nichts. Modellstudie zu einer Literatur in Fortsetzungen mit einem Faksimile des Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz vom April 1832. Hannover 2010 (zus. mit Nicola Kaminski)
Im April 1832 erscheint in der heute nurmehr schwer zugänglichen Zeitschrift ›Der Gesellschafter‹ Eichendorffs bislang kaum gewürdigte Novelle ›Viel Lärmen um Nichts‹. Sie steht dort, abgedruckt in insgesamt sechzehn Lieferungen, im Dialog mit einer Vielzahl weiterer Zeitschriftenbeiträge, literarischen und nichtliterarischen, die in die Erstrezeption der Novelle mit eingegangen sind. Das vorliegende Buch legt in unterschiedlich perspektivierten Annäherungen das Potential einer zeitgenössischen Lektüre in Fortsetzungen frei und arbeitet die kunstvolle Verankerung des Textes in den Diskursen der an ihr Ende gelangten Goethezeit heraus. Und es macht eine solche Lektüre sinnlich nachvollziehbar durch ein Faksimile der Aprilausgabe des ›Gesellschafters‹.