10.07.2023 Antiker Mythos wieder Klang und Bild geworden: Händels Hercules in der Oper Frankfurt
„Where shall I fly? Where hide this guilty head?“ – So beginnt die ‚Wahnsinnsarie‘ der Dejaneira in Händels musikalischem Drama Hercules, in der sie ihre Schuld erkennt und ihre Verzweiflung und das drohende Herannahen der Furien besingt; denn sie hat ihren Mann, den Helden und Halbgott Hercules durch ein giftiges Gewand getötet, nicht absichtlich zwar, doch von übermäßiger Eifersucht zu fatalen Entscheidungen hingerissen.
Diese Arie und das lange und abwechslungsreiche Drama, dessen Höhepunkt es bildet, hat eine Gruppe von Studierenden und Dozierenden der Klassischen Philologie am 21.05. in der Inszenierung der Frankfurter Oper (Barrie Kosky) zu Gehör und Gesicht bekommen können. Diese Fahrt war inhaltlich an die Vorlesung zur griechischen Tragödie geknüpft, um deren Weiterwirken in Stoff und Form sinnlich erfahrbar werden zu lassen: das Drama um Eifersucht und irrtümlichen Mord der Dejaneira geht (vermittelt durch Ovid und andere) auf die Darstellung dieses Mythos in Sophokles‘ Tragödie Die Trachinierinnen zurück; und der Gedanke des künstlerischen ‚Gesamtpakets‘ aus Musik, Tanz, Text, Drama, Schauspiel, Inszenierung der Oper ist in der Neuzeit entstanden aus der Auseinandersetzung mit der griechischen Tragödie, die ja selbst ein solcher Kulminationspunt verschiedener Ausdrucksformen ist.
Für die Marburger Opern-Reisegruppe war es daher von besonderem Gewinn, zuvor einer doppelten Einführung beizuwohnen: Frau Prof. Föllinger stellte den Mythos und die antiken Vorlagen dar, und Herr Knoke, ehemaliger Musiklehrer des Gymnasium Philippinum, gab dankenswerter Weise einen Überblick über die Entstehung der Oper und über die konkrete musikalische Umsetzung des Stoffes durch Händel und die Frankfurter Inszenierung, z.B. anhand der beiden wohl beeindruckendsten Stellen, der ‚Wahnsinnsarie‘ und der Arie „My breast with tender pity swells“ der Iole (in Frankfurt wundervoll dargeboten von Elena Villalón).
Nicht zuletzt dank dieser Einführungen, besonders aber wegen der beeindruckenden Inszenierung war die Begeisterung bei den Studierenden rundum sehr groß. Auch viele ‚Opern-Neulinge‘, für die eine dreieinhalb-Stunden Aufführungen mit allen Eigenheiten moderner Inszenierung vielleicht auch eine Herausforderung bedeutet, ließen sich mitreißen von der Spannung des Dramas und der Schönheit und Kraft der Musik und der Stimmen. Die gelungene historische Aufführungspraxis (musikalische Leitung: Laurence Cummings) trug dazu das Ihre bei, sowie die hervorragenden Leistungen der Sänger*innen, allen voran des Chores und von Paula Murrihy als Dejaneira.
Ein kleiner erfreulicher Bonus war noch die Tatsache, dass der Opern-Eintritt komplett über QSL-Mittel finanziert werden konnte. Die vielen Bekundungen von Seiten der Studierenden, wie sehr ihnen die Aufführung und die gemeinsame Fahrt gefallen hätten, sind ein sehr erfreuliches Zeichen, dass dieses Seminar-Ereignis ein voller Erfolg war.
Benedikt Löhlein