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Colloquium Balticum
Ein Netzwerk aus Lund, Marburg, Riga, St. Petersburg, Tartu und Vilnius
Das Colloquium Balticum ist ein Netzwerk mit dem Schwerpunkt „Antike nach der Antike: der Ostseeraum“. Gegründet in einer gemeinsamen deutsch-schwedischen Initiative im Jahr 2001, verbindet es wissenschaftliche mit wissenschaftspolitischen Zielsetzungen.
Plattform für den Austausch in Nordosteuropa
Im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union erschien es als Gebot der Stunde wie als besondere Chance, Partnerschaften mit den Fachkollegen in den baltischen Ländern (wieder)aufzubauen. Dies gilt nicht zuletzt angesichts dessen, daß in der Altertumswissenschaft die älteren deutschsprachigen Wissenstraditionen vielfach auch von den Jüngeren bewußt gepflegt werden. Heute verbindet das Baltic Network, das grundsätzlich zweisprachig ist (deutsch-englisch), Forscher aus Lund und Marburg (das die Nachfolge des ursprünglichen deutschen Partners Greifswald übernommen hat), aus den drei baltischen Universitäten Riga, Tartu und Vilnius sowie aus St. Petersburg; jüngst hat Helsinki Interesse bekundet, zu diesem Netzwerk dazuzustoßen.
Beteiligt waren von Anfang an insbesondere auch die Doktoranden und Postdoktoranden der einzelnen Institute. Damit hat sich das Baltic Network, das jährlich zu einer großen Tagung an einer der beteiligten Universitäten zusammenkommt – in Kürze wird Colloquium Balticum XII stattfinden –, zur wichtigsten Institution für den Austausch der Klassischen Philologie in Nordosteuropa entwickelt. Als länderübergreifendes Forum, das zugleich dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine internationale Plattform bietet, stellt das Colloquium Balticum eine Einrichtung dar, zu der es kaum Vergleichbares gibt.
Erschließung eines kulturellen Raumes
Mit dem Schwerpunktthema des Netzwerks „Antike nach der Antike: der Ostseeraum“ wird ein weithin unbekanntes Forschungsfeld ins Licht gerückt. Innerhalb des seit zwei Jahrzehnten weltweit wachsenden Interesses für das Phänomen von Classics after Antiquity wird damit ein Raum erschlossen, der in diesem Zusammenhang bislang wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, obgleich er integraler Bestandteil der europäischen Kultur ist.
Rezeption und Transformation der Antike gehört zu den großen kulturellen Bewegungen, in denen sich das neuzeitliche Europa formt. Das gilt nicht anders für den Ostseeraum, in dem die Pflege des Lateinischen sowie eine breite Aufnahme der antiken Kultur eines der Mittel bilden, durch die Nordosteuropa auf dem Wege von Kommunikation, Kooperation und Konkurrenz Teil des humanistisch geprägten Europas wird. Dies geht in die Nationalkultur ein und bleibt so tief verankert, daß antike Modelle bis in die Moderne hinein in vielfältiger Weise neue Funktionen erfahren; überraschende Formen lassen sich noch während der sowjetischen Okkupation der baltischen Länder oder bei der Wiedergewinnung nationaler Identität nach 1990 beobachten.
Das Netzwerk widmet sich dabei insbesondere folgenden Gebieten:
(1) Profile neuzeitlicher Latinität
(2) Praktiken des ‚kasualen Schreibens‘
(3) Übersetzungen
(4) Die Präsenz der Antike in der Alltagskultur
(5) Bildungs-, Wissenschafts- und Mediengeschichte
(6) Emanzipatorische Funktionen der Klassischen Antike.
Das Colloquium Balticum ist damit nicht zuletzt ein Forum, das mit Studien zu einzelnen Instituten und Persönlichkeiten zur Kenntnis der Wissenschaftsgeschichte in diesem von vielen Umbrüchen gekennzeichneten Raum beizutragen sucht.
Ein langfristiges Ziel besteht darin, daß sich von dieser Plattform aus übergreifende, zugleich die unterschiedlichen nationalen Wissenschaftskulturen verbindende Forschungsprojekte zu Praktiken, Modellen und Funktionalisierungen der Antike entwickeln. Damit würde auch das nordöstliche Europa in seiner kulturellen Physiognomie in die europäischen Kommunikations- und Transferräume weiter eingebettet werden.
Öffentlichkeit
Im Jahre 2006 ist eine homepage (www.colloquiumbalticum.org) eingerichtet worden, um die Aktivitäten auch nach außen hin kenntlich zu machen. Für die Publikation thematischer Bände ist ein Wissenschaftlicher Beirat gebildet worden, der sich aus den Lehrstuhlinhabern der beteiligten Institute – Arne Jönsson (Lund), Nijole Juchneviciene (Vilnius), Vita Paparinska (Riga), Kristi Viiding (Tartu), Gregor Vogt-Spira (Marburg) – zusammensetzt. Der erste Band unter dem Titel „The Classical Tradition in the Baltic Region: Perceptions and Adaptations of Greece and Rome“ ist als Band 171 der Reihe Spudasmata bei Olms erschienen und im Jahr 2018 in die zweite Auflage gegangen.