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Forschung am Institut für Klassische Sprachen und Literaturen
Indienforschung und Presse
Eine neue Publikation aus der Marburger Indologie über Ayurveda wurde – angesichts des gegenwärtigen Ayurveda-Hypes ist dies kaum verwunderlich – in der Presse mehrfach aufgegriffen. Doch die eher witzig gemeinte Einleitung der Marburger Pressemeldung »Lyrik mit Nebenwirkungen: Ob Arzneimittel besser helfen, wenn die Rezepte in ein Liebesgedicht eingebettet sind, lässt sich jetzt anhand eines altindischen Poems nachprüfen.« (https://idw-online.de/de/news691066) scheint die österreichische Zeitschrift ÄrzteWoche (5.4.2018) etwas zu ernst genommen zu haben. Sie reproduziert den Pressetext von Johannes Scholten unverändert, fügt der Seite über Āyurveda aber eine Meldung bei, welche die naturwissenschaftliche Unbedarftheit zeitgenössischer deutschsprachiger Āyurveda-Spezialisten offenbart. Das ist eigentlich nicht der Hauptkontext, in dem wir die Übersetzung eines Textes sehen würden, der viele Jahrhunderte vor dem Streit zwischen der modernen Schul- mit der modernen Alternativmedizin verfaßt wurde. Daher soll hier die Lektüre des Vortrags eines bekannten Jenaer Historikers "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?'' empfohlen werden, ferner der davon inspirierte Artikel "Was ist und welchem Zweck dient Indologie'' (Walter Slaje, siehe https://www.jstor.org/stable/43382060?seq=1#page_scan_tab_contents) oder auch ein Indologiestudium.
Glossing the Psalms
THE EMERGENCE OF THE WRITTEN VERNACULARS IN WESTERN EUROPE FROM THE SEVENTH TO THE TWELFTH CENTURIES
Glossen und Marginalien bilden einen der frühesten Zeugen der europäischen Volkssprachen: Aber wie wurden sie neben dem Lateinischen als der schriftlichen Standardsprache benutzt? Wie las man Texte in verschiedenen Sprachen zugleich, und warum? Die vergleichende Erforschung glossierter Handschriften bietet die Möglichkeit, die Sprachwahl der Schreiber in verschiedenen Teilen Europas zu analysieren. Daneben gilt es zu verstehen, wie Glossen in verschiedenen Sprachen neben sonstigen Schriftzeichen wie Interpunktion und Konstruktionshilfen benutzt wurden, und wie sie in die Seitengestaltung integriert sind. Erst vor kurzem hat die Forschung angefangen, den breiteren kulturellen Kontext dieser glossierten Handschriften zu berücksichtigen und Glossen und Marginalien als wichtige Zeugen für die Geschichte des Lesens und den mittelalterlichen Wissenstransfer in Westeuropa von der Spätantike bis ins Hochmittelalter zu betrachten.
Die komparatistische Herangehensweise von Prof. Blom verbindet historische Soziolinguistik mit Paläographie, Textphilologie, vergleichender Sprachwissenschaft und Kulturgeschichte. Damit versucht er, die frühe Schriftlichkeit in den keltischen und germanischen Sprachen innerhalb eines weiteren europäischen Horizonts zu verorten, insbesondere dort, wo sie in Gestalt von Glossen und Marginalien im Wechselspiel mit dem Lateinischen steht und sich als »multilinguales Lesen« gestaltet.
„Das Corpus der hethitischen Festrituale: staatliche Verwaltung des Kultwesens im spätbronzezeitlichen Anatolien“
Akademie-Langzeitprojekt an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz
Im Reich der Hethiter, das im 2. Jahrtausend vor Chr. im bronzezeitlichen Anatolien eine der wichtigsten Großmächte jener Zeit bildete, war der religiöse Staatskult ein wichtiges Anliegen der herrschenden Elite. Etwa ein Drittel der ca. 34.000 der Texte und Textfragmente, die aus den wieder ausgegrabenen Archiven der Hauptstadt Ḫattuša überliefert sind, lassen sich den Festritualtexten zuordnen. Diese bilden damit die größte Gruppe der hethitischen Texte. Notiert wurde in ihnen die kultische Verehrung der hethitischen Götter, die vorrangig dem hethitischen Königspaar und weiteren Mitgliedern der königlichen Familie oblag. Nach damaligem Verständnis war sie die Grundlage für das Wohlergehen des Staates: Wurden die Götter adäquat geachtet und mit Opfern versorgt, sorgten sie umgekehrt für den Schutz und das Wohlergehen der Königsfamilie und des gesamten Landes.
Das Langzeitprojekt der Akademie Mainz (2016-2036) besorgt eine Gesamtedition der hethitischen Festritualtexte und wird umfassende thematische Studien durchführen. Es ist an drei Arbeitsstellen, der Akademie in Mainz, der Philipps-Universität Marburg und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, mit jeweils unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten angesiedelt. Im Fachgebiet Vergleichende Sprachwissenschaft und Keltologie in Marburg steht die linguistische Erschließung der Texte im Zentrum. Fragestellungen betreffen etwa die Formelhaftigkeit der Sprache, fachsprachliche Merkmale und weitere pragmalinguistische und syntaktische Aspekte.
Wegen des erheblichen Umfangs des Materials sowie einer gewissen Gleichförmigkeit, die sich in sehr ähnlichen Schilderungen von Opfervorgängen widerspiegelt, ist häufig die sichere Zuordnung eines Fragments zu einem bestimmten Fest unmöglich. Deshalb wird das Corpus in seiner Gesamtheit zunächst digital erfasst. Anschließend wird es mit Metadaten versehen, um computergestützte Methoden und komplexe Suchen zur Zusammenstellung und Rekonstruktion der Texte nutzen zu können. Die hethitische Paläographie wird mittels innovativer digitaler Methoden auf ein neues Niveau gehoben und gleichfalls für die Textrekonstruktion nutzbar gemacht.
Für die großen und wichtigen Festrituale, darunter das KI.LAM-Fest, das nuntarriyašḫa-Fest und AN.DAḪ.ŠUMSAR-Fest sowie die Feste der Lokalkulte in den Städten Arinna, Nerik und Zippalanda, sollen web-basierte open access-Publikationen im Rahmen des „Hethitologie-Portals Mainz“ (www.hethiter.net) entstehen, die stets auf dem aktuellen Stand der Forschung gehalten werden und als print-on-demand-Editionen abrufbar sind. Darüber hinaus werden Anthologien weiterer ausgewählter Festbeschreibungen für die interdisziplinäre Forschung als Lesetexte gedruckt vorgelegt, ebenso wie übergreifende thematische Studien zur Religions- und Verwaltungsgeschichte, zur Paläographie und zur Sprache der Texte.
Für ausführlichere Informationen siehe http://www.adwmainz.de/projekte/corpus-der-hethitischen-festrituale/informationen.html.
Ein moderner Blick auf Platon
Hatte Platon, der ‚Übervater‘ der Philosophie, auch Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge? Dies hat man vielfach geleugnet. Doch eine genaue Lektüre seiner Dialoge ‚Politeia‘ und vor allem ‚Nomoi‘ zeigen, dass Platon von der Beobachtung wirtschaftlicher Prozesse ausgeht und im Rahmen seiner Anthropologie und politischen Philosophie daraus Schlussfolgerungen zieht. Ihnen geht das Buch nach, das das Resultat eines gemeinsam mit der Marburger VLW durchgeführten Projekts (Link zu diesem) entstanden ist: Da der Mensch nicht autark ist, ist er auf Austausch angewiesen. Austauschprozesse können auch im Sinne größerer Effizienz genutzt werden. Doch angesichts der menschlichen Neigung, immer mehr haben zu wollen, stellt der Bereich der Wirtschaft ein Risiko dar – aber nicht nur für das moralische Verhalten des einzelnen. Vielmehr erzeugt die ungleiche Verteilung von Gütern eine ‚soziale Schere‘ und damit Spannungen, die die Stabilität von Staat und Gesellschaft gefährden. Überdies führt die Verquickung von Wirtschaft und Politik dazu, dass politisch Verantwortliche nicht im Sinne des Gemeinwohls agieren. Darum muss der Bereich der Wirtschaft Reglementierungen unterliegen und darf politische Entscheidungen nicht beeinflussen.
Satire in der römischen Republik
Was Satire erlaubt ist und wo satirische Freiheit ihre Grenze findet, läßt sich nicht abstrakt und allgemeingültig beantworten. Streitigkeiten bis in jüngste Zeit zeigen, wie unterschiedlich die Grenzen in Abhängigkeit von kulturellen Traditionen und darin gründenden Rechtsordnungen gezogen werden. In den modernen europäischen Staaten wird in der Regel von zwei konkurrierenden Grundrechten ausgegangen: der Redefreiheit des einzelnen und dem Schutzanspruch von Institutionen, Personen oder Glaubensüberzeugungen.
Als Archeget der Gattung gilt die römische Satire, die indes eine Reihe von Problemen aufwirft, die z.T. seit langem sehr kontrovers diskutiert werden und nicht befriedigend gelöst sind. Das betrifft zum einen die Frage, ob die Satire tatsächlich eine römische Erfindung ist oder nicht: Die eine Hypothese führte zur Suche nach vorliterarischen Ursprüngen in Rom, die andere zum Identifikationsversuch satirischer Elemente in der griechischen Literatur, in deren Folge als eine Art Nebenprodukt eine Theorie des Satirischen entstand. Hinzukommt zum andern, daß das Satirische keineswegs mit der Gattung ‚Satire‘ identisch ist, diese vielmehr eine Fülle unsatirischer Elemente aufweist. Die Aporien sind nicht aufgelöst. Gleichwohl hat sich von daher ein literaturgeschichtliches Schema etabliert, das seit Casaubonus (1605) bis in die jüngsten Einführungen in die römische Satire weitgehend unverändert geblieben ist und das nach einem Kapitel zu vorliterarischen ‚Vorstufen‘ einen Vertreter der römischen Satire neben den anderen stellt und jeweils in einem eigenen Kapitel abhandelt. Doch das ist nicht wirklich befriedigend.
Das Projekt verfolgt daher einen anderen Ansatz. Es konzentriert sich dabei auf die römische Republik und bezieht auch die wissenschaftsgeschichtliche Seite der Fragestellung besonders in der frühen Neuzeit ein.