08.07.2019 Echoing Ecologies - eine Zusammenfassung
Konferenz Echoing Ecologies – Interdisciplinary Perspectives in Canadian Studies / Les écologies canadiennes et leurs enjeux interdisciplinaires ein großer Erfolg
Die „Echoing Ecologies“-Konferenz des Marburger Zentrums für Kanada-Studien behandelte über drei Tage verteilt die Vielseitigkeit des Begriffs “Ökologie” und beleuchtete diesen aus Sicht verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Eröffnet wurde die Konferenz im Historischen Rathaussaal der Stadt Marburg, wo der Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hervorhob, dass Marburg aufgrund der traditionellen Bemühungen in Bezug auf die ökologische Gestaltung der Stadt ein überaus geeigneter Ort für eine Konferenz mit einem Thema mit solcher Relevanz für die Zukunft sei. Nach den daran anknüpfenden Worten der Dekanin Prof. Dr. Carmen Birkle und des Organisationsteams führte der kanadische Dichter Henry Beissel diese Gedanken in einem poetischen Diskurs zur gegenwärtigen Situation der Welt fort und setzte so einen würdigen Schlusspunkt des ersten Tages. Schon während des Empfangs, der auf Beissels Vortrag folgte, zeigte sich, dass dieser das Interesse für die wissenschaftlichen Diskussionen der nächsten Tage geweckt hatte.
Am Donnerstagmorgen begrüßte der Botschafter von Kanada, S.E. Stéphane Dion, der als früherer Umweltminister Kanadas natürlich ein Spezialist für das Thema der Tagung war, die Teilnehmer*innen und betonte in einem engagierten Vortrag die globale Bedeutung ökologischer Bemühungen und der Verbesserung unserer Umweltbilanz.
Der wissenschaftliche Teil der Konferenz begann mit einem Panel zum Thema „Challenging Stereotypes – First Nations Literary Ecologies.“ In seiner Rekapitulation derBedeutung des Konzepts des Anthropozän für die Analyse ökologischer Beziehungen hob Moritz Ingwersen (Konstanz) die Wichtigkeit zeitgenössischer indigener Literatur hervor. Er unterstrich, wie der eurozentrische Diskurs indigene Völker durch Assimilations- und Verdrängungspolitik eher als Artefakte definierte. Martin Kuester (Marburg) zeigte seinerseits auf, welche Parallelen bezüglich der Einstellung zum Lebensraum Mennoniten und kanadische Indigene aufweisen und welchen Einfluss Religion und Spiritualität auf diese Perspektiven haben. In der anschließenden Diskussion wurde offensichtlich, dass das Problem der Appropriation auf der einen und der Wille, das indigene Wissen zum Wohle aller Nutzen zu können auf der anderen Seite, ein wichtiges Thema ist, das sich nicht mit einfachen Antworten lösen lässt.
Panel II, „Atwoodian Ecologies and Eco-Feminism“ hatte die Werke Margaret Atwoods zum Thema und bot Einsichten in verschiedene ökofeministische Perspektiven. In einer detaillierten Analyse von The Handmaid’s Tale zeigte Carmen Birkle (Marburg) beispielweise Verbindungen zwischen den Handmaids und Sklav*innen, sowie zwischen der Underground Railroad und Atwoods ‚Femaleroad‘ auf. Ausgehend von der Forderung nach einer neuen, reflektierten und inklusiven Form des Ökofeminismus, diskutierte Alessandra Boller das Potential der Verbindung ökologischer Konzepte (wie Ökofeminismus und ‚Ecological Democracy‘) anhand von Atwoods MaddAddam Trilogie. Ying Wang (Marburg) erläuterte in ihrem Vortrag die Philosophie des Ökofeminismus und analysierte Zusammenhänge zwischen der Ausbeutung von Umwelt und Frauen, auch in Hinblick auf die Rolle von Wissenschaft und Technik, in Atwoods Werk Handmaid’s Tale.
In der ersten Keynote der Konferenz erläuterte Adrian Ivakhiv (Vermont) in seinem fulminanten Vortrag „Image Ecologies from Altamira to YouTube“ sein Verständnis von der Ontologie von Bildern und ihren unterschiedlichen Wirkungsweisen, Zusammenhängen und Funktionen, die man auch unter den Begriff der „Ökologien“, seien sie wissenschaftlich, sozial oder perzeptiv definiert, fassen kann.
Maria Löschnigg (Graz) diskutierte im folgenden Panel „Literary and Cultural Ecologies“ inwiefern sich intertextuelle literarische Texte einer sinn- und bedeutungsstiftenden Form des Recycling bedienen. Sie ging dabei besonders auf einer Reihe kanadischer Gedichte ein, welche alternative Wege bieten ökologischen Krisen zu begegnen. Diana Wagner (Marburg) fokussierte sich in ihrem Vortrag auf die kritische Auseinandersetzung mit Natur und dem weiblichen Körper in den Kurzgeschichten von kanadischen Autor*innen wie Lisa Moore und Mark Anthony Jarman.
Im vierten Panel „The Dynamics of Resilience, Representation, and Recognition“ erklärte der via Skype aus Quebec zugeschaltete Paul Murphy anhand vieler visueller Beispiele, dass in Kanada eine lange Tradition von der Verknüpfung von Dinosaurierdarstellungen im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen praktiziert wurde. Ausgehend von den ursprünglichen Bezeichnungen bestimmter Orte, wie z. B. ‚the Dish with One Spoon,‘ diskutierte Claire Omhovère (Montpellier) (symbolische) Verbindungen zwischen Körperlichkeit, Namensgebung, indigenem Wissen, Transzendenz und Verantwortung mit besonderem Bezug auf Daniel Colemans Yardwork. Im letzten Vortrag des Tages sprach Frederik Bleiber (Marburg) über das Potenzial sowie über die Grenzen einer neuen, ‚grünen‘ Partnerschaft auf Basis von Ecocriticism, die Literatur und Rekonziliation im kanadisch-indigenen Kontext zusammenbringt.
Bevor dieser zweite Tag der Konferenz bei einem Konferenzdinner im Marburger Technologie- und Tagungszentrum zu Ende ging, wurden die thematischen Präsentationen abgeschlossen mit einer Science Slam-Einlage von Klaus-Peter Profus (Marburg) und dem mit vielen Bildern unterlegten Vortrag “The Life of Bees” von Nancy Holmes (UBC Okanagan), in welchem diese das Publikum über die Vielfalt der kanadischen und einheimischen Bienenwelt informierte und erklärte, mit welchen Initiativen sie in ihrer Heimat dem Bienensterben Einhalt zu gebieten versucht.
Im ersten Panel des letzten Konferenztags mit dem Titel „Linguistic and Didactic Perspectives“ sprach Rolf Kreyer (Marburg) über strukturelle Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache und diskutierte eine Kurzgeschichte des Autoren Thomas King in Hinblick auf Oralität und der Abweichung von gewohnten Normen. Zusammen mit dem Schüler Tim Oefner und der Studentin Annalena Jung präsentierte Matthias Dickert (Gelnhausen) ein Projekt aus dem Schulunterricht um aufzuzeigen, wie man kanadische Themen gewinnbringend lehren kann und welche Herausforderungen und Chancen damit verbunden sind. Außerdem steuerten Herr Dickerts Schüler*innen, genau wie die Schüler*innengruppe von Benjamin Battenberg aus Gelnhausen, Poster zu der Tagung bei, welche in den Kaffeepausen betrachtet und mit den anwesenden Schüler*innen diskutiert werden konnten.
Panel VI hatte das Thema “Media Ecologies” und wurde von Angela Krewani (Marburg) eröffnet, die aufzeigte wie Ökologien in kanadischen Dokumentationen dargestellt werden. Martin Speer (Dortmund/Marburg) argumentierte anschließend, wieso er den Begriff “Canadian Media Ecologies” für problematisch halte, und erklärte einige der Konzepte, die Marshall McLuhan in Bezug auf Medien entwickelt hat. Sophia Gräfe (Berlin) gewährte Einblick in die frühe Arbeit von Berliner Naturforschern, die systematisch die Laute von Füchsen kategorisierten und analysierten, um so Zusammenhänge mit ihrem Verhalten erkennen zu können. Tina Kaiser (Marburg) brachte dann Beispiele aus einem anderen Bereich der Medienwissenschaft an, indem sie Ausschnitte aus dem “slow cinema” zeigte, die den konventionellen Sehgewohnheiten widersprechen, und erläuterte wie und wieso ein bestimmtes Empfinden entsteht.
Robert Boschman (Calgary) nahm die Anwesenden in seiner Keynote lecture mit nach Uranium City, einer ehemaligen Uran-Bergbaustadt im kanadischen Norden, deren Zerfall und deren Gefahr für die Umwelt durch seine Bilder und Erläuterungen eindrucksvoll dokumentiert wurden. Dabei sprach er nicht nur über die Geschichte und den heutigen Zustand der Stadt, sondern näherte sich dem Thema auch aus einer posthumanistischen und ökologischen Perspektive.
Die Tagung wurde beschlossen durch Kurzstatements und engagierte Gedichte von Nancy Holmes und Henry Beissel sowie eine abschließende inhaltliche Zusammenfassung durch Angela Krewani.
Das Marburger Zentrum für Kanada-Studien dankt der Philipps-Universität Marburg, der Universitätsstiftung und dem Ursula-Kuhlmann-Fonds, der Stadt Marburg, der Gesellschaft für Kanada-Studien, der Kulturellen Aktion Strömungen, dem Canada Council for the Arts und der Botschaft von Kanada in Deutschland für materielle und ideelle Unterstützung der Veranstaltung.