31.05.2017 DFG-Sonderforschungsbereich „Innere Grenzflächen“ um vier Jahre verlängert

Weitere 10,5 Millionen Euro für Marburger Physiker und Chemiker

Foto: Rolf K. Wegst
Prof. Dr. Ulrich Höfer vom Fachbereich Physik der Philipps-Universität Marburg ist Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs 1083 „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat den Marburger Sonderforschungsbereich SFB 1083 „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ um weitere vier Jahre verlängert. Damit tritt der erfolgreiche SFB mit seinem Sprecher, dem Physiker Prof. Dr. Ulrich Höfer, in eine neue Phase: „Zunächst ging es uns in erster Linie darum, die physikalisch-chemischen Phänomene an Grenzflächen zu verstehen. Jetzt wollen wir diese auch gezielt kontrollieren und für neue Anwendungen maßschneidern“, erklärt Höfer. Über einen Zeitraum von vier Jahren bis 2021 stehen den Forscherinnen und Forschern dafür weitere 10,5 Millionen Euro zur Verfügung.

„Die Verlängerung ist ein Beleg für die höchst erfolgreiche Arbeit unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den vergangenen Jahren“, sagt Professorin Dr. Katharina Krause, die Präsidentin der Philipps-Universität. „Die fachübergreifende Kooperation zwischen Physik und Chemie, die diesen Erfolg ermöglicht, ist vorbildlich.“

Grenzflächeneffekte bestimmen Eigenschaften moderner Bauelemente

Unter „Inneren Grenzflächen“ verstehen die Forscher Kontaktflächen zwischen zwei Materialschichten. Die lokalen elektrischen und chemischen Eigenschaften in diesen Grenzflächen unterscheiden sich von denen in homogenen Festkörpern. Mit physikalischen Methoden untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese neuen Phänomene. Im Prinzip lassen sich daraus Grundlagen für neue Bauelemente, etwa in der Mikroelektronik, in der Opto-Elektronik und in der Sensorik entwickeln. Denn gerade die Eigenschaften von modernen Bauelementen werden entscheidend von Grenzflächeneffekten bestimmt und immer weniger von den einzelnen Festkörpern, aus denen sie zusammengesetzt sind. Auch in modernen Solarzellen findet der entscheidende Schritt der Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie an inneren Grenzflächen statt.

Während die Forscherinnen und Forscher vor vier Jahren noch konstatieren mussten, dass es im Verständnis von Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen noch große Lücken gebe, so Ulrich Höfer im Jahr 2013, konnten mittlerweile etliche Fragestellungen beantwortet werden. 55 Doktorarbeiten sind im Rahmen des SFB 1083 in der ersten Förderperiode (Budget: 8,7 Millionen Euro) entstanden oder kurz vor der Fertigstellung. 162 Publikationen haben die Forscherinnen und Forscher erarbeitet, davon 74 Publikationen im Jahr 2016. Wie gut dieser materialwissenschaftliche SFB Fahrt aufgenommen hat, erkannten auch die DFG-Gutachter. Sie hatten die Verlängerung ohne nennenswerte Kürzungen nachdrücklich empfohlen.

Grundlagenforschung mit hohem Anwendungspotenzial

Zu den Ergebnissen der ersten Förderperiode zählen Erkenntnisse, wie innere Oberflächen atomar aufgebaut sind und nach welchen Kriterien sich diese Strukturen entwickeln. Hier spielt die Verfügbarkeit des hochauflösenden Transmissions-Elektronenmikroskops (TEM) bei den Marburger Materialwissenschaftlern um Prof. Dr. Kerstin Volz die entscheidende Rolle. Ferner konnte mit Methoden der zeitaufgelösten Laserspektroskopie der Ladungstransfer an Kontaktflächen organischer Halbleiter im Detail aufgeklärt werden. In einer engen Kooperation haben Chemiker und Physiker schließlich die Grundlage für eine gezielte, selektive Anbindung organischer Moleküle auf Silizium gelegt, wodurch ein Potenzial für das Design von Hybridbauelementen entsteht. Diese verknüpfen die etablierte Halbleitertechnologie mit der Flexibilität der organischen Chemie.

Bereits sehr weit fortgeschritten sind die Forscherinnen und Forscher in der Entwicklung des Prototyps eines neuartigen Lasers, mit dem sich der Wellenlängenbereich bisheriger Halbleiterlaser erheblich erweitern lässt. Dieser Laser funktioniert nur aufgrund des speziellen Designs seiner inneren Grenzflächen und der Wechselwirkung von Elektronen über die Grenzfläche hinweg. „Auf diesem Teilgebiet unserer Forschung sehe ich momentan am konkretesten das Potenzial für ein Start-up, einer Ausgründung aus der Uni“, meint Physiker Ulrich Höfer. „Der Hauptteil unserer Forschung ist aber vor allem grundlagenorientiert, also mehr erkenntnisgetrieben als anwendungsorientiert.“

Kooperationen mit Partnern in Jülich, Münster und Gießen

In der neuen Förderperiode werden 60 bis 80 Forscherinnen und Forscher in 18 wissenschaftlichen Projekten arbeiten. Eines davon ist an der Universität Münster, eines am Peter-Grünberg-Institut in Jülich und zwei sind an der Gießener Universität angesiedelt. Sechs der Projekte werden von jungen Wissenschaftlern geleitet, die noch keine Professur innehaben. Die Einbindung renommierter externer Gruppen und der hohe Anteil an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern in der neuen Förderperiode ist für den Marburger Forschungs-Vizepräsidenten Prof. Dr. Michael Bölker ein wichtiger Beitrag für den Erfolg dieses SFB und ein Beleg für die Attraktivität des Forschungsstandorts Marburg auf dem Gebiet der Materialwissenschaften. „Nach Einschätzung der Gutachter ist der Marburger SFB 1083 auf diesem Gebiet nicht nur international herausragend, sondern kann mit der Charakterisierung und theoretischen Modellierung von Festkörpergrenzflächen sogar ein Alleinstellungsmerkmal für sich beanspruchen“, sagt Bölker.

Neue Herausforderungen: Materialschichten stapeln und Eigenschaften mixen

Ulrich Höfer sieht in der erfolgreichen Verlängerung des Sonderforschungsbereichs nicht nur eine Bestätigung für die Strategie des SFB, schon länger vorhandene Stärken der Marburger Physik und Chemie in den Materialwissenschaften und zeitaufgelösten Spektroskopie auf die Untersuchung von Grenzflächenphänomenen zu fokussieren. In den nächsten vier Jahren wird sich der SFB weiteren offenen Fragen stellen. Insbesondere wollen Höfer und seine Kolleginnen und Kollegen ihre Erkenntnisse über innere Grenzflächen auf neuartige zweidimensionale Materialien übertragen. Diese bestehen als nur atomdicke Schicht lediglich aus „Oberfläche“. Indem die Forscherinnen und Forscher solche Schichtsysteme übereinander stapeln und deren Eigenschaften mixen, wollen sie neue Effekte und Kontrollmöglichkeiten aufspüren und als Baukastensystem den Materialwissenschaften anbieten. Hier besteht auch eine neue Zusammenarbeit mit einem Forschungsverbund der Columbia University in New York, die zu den zehn besten Universitäten der Welt zählt.

Weitere Informationen: SFB 1083 „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ http://www.internal-interfaces.de/

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