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Zur Geschichte der Frauen am Fachbereich Physik
Die ersten Frauen am physikalischen Institut der Universität Marburg
ein Beitrag von Dr. Silke Lorch-Göllner
Über bedeutende Physiker in der Geschichte des Fachbereichs ist einiges bekannt, weniger bekannt ist die Geschichte der Frauen am Fachbereich bzw. am Physikalischen Institut, wie es in den Anfangszeiten hieß. In ihrer Publikation „Wenn eine Frau, was nicht häufig, aber doch bisweilen vorkommt, für die Aufgaben der theoretischen Physik besondere Begabung besitzt…“ (Max Planck)1 - Die ersten Frauen am physikalischen Institut der Universität Marburg hat Dr. Silke Lorch-Göllner, die ehemalige Universitäts-Frauenbeauftragte, die leider nur sehr spärlichen Informationen zu den ersten Absolventinnen und Promovendinnen im Fach Physik an der Philipps-Universität zusammengetragen.
Inhalt ausklappen Inhalt einklappen 1. Die ersten Studentinnen am mathematisch-physikalischen Institut
Mit Erlass vom 18. August 1908 verordnete das preußische Ministerium für geistliche, Medicinal- und Unterrichts-Angelegenheiten, dass ab dem Wintersemester 1908/09 Frauen auf den preußischen Landesuniversitäten zugelassen werden.2 Daraufhin immatrikulierten sich an der Universität Marburg neben den 1.602 Studenten auch 27 Frauen (1,7%), unter ihnen Ottilie Ante, die als einzige Studentin die Fächer Mathematik und Physik belegte.3
Der Direktor des mathematisch-physikalischen Instituts (Renthof 6) und Direktor der Sternwarte war zu dieser Zeit Franz Richarz (15. 10. 1860 bis 10. 6. 1920). Richarz war 1895 zum ordentlichen Professor der Physik an die Universität Greifswald berufen und im Jahre 1901 nach Marburg versetzt worden.4 Im Institut wurde er von zwei Assistenten, Dr. Karl Stuchtey und Dr. Emil Take sowie einem Hilfsassistenten und einem Mechaniker unterstützt.5
Ottilie Ante hatte schon an der Universität in München studiert, als sie im Wintersemester 1908/09 mit 22 Jahren nach Marburg kam. Sie war am 02 .08. 1886 in Frankfurt a.M. geboren worden. Ihr Vater war dort als Oberingenieur tätig. Ottilie Ante hatte Ostern 1906 am Realgymnasium in Frankfurt a.M. ihre Reifeprüfung abgelegt. Sie studierte sechs Semester lang bis zum 13.11.1911 an der Universität Marburg.6 Quellen über ihren weiteren Werdegang konnten nicht ermittelt werden.
Im Sommersemester 1909 belegten an der Universität Marburg zwei Studentinnen die Fächer Mathematik und Physik: Anna Disse und Paula Fünck. Paula Fünck (geb. am 25. 1. 1888) stammte wie Ottilie Ante aus Frankfurt a.M., ihr Vater war „Bergwerksdirektor“. Auch sie hatte am Realgymnasium in Frankfurt a.M. ihr Reifezeugnis erlangt (im April 1908). Sie hatte schon ein Semester in Heidelberg studiert, bevor sie sich in Marburg immatrikulierte und am mathematischen Seminar sowie im mathematisch-physikalischen Institut bis zum Ende des Sommersemesters 1910 studierte.7 Danach verlieren sich auch ihre Spuren.
Anna Disse (1889 - 1975) war eine der wenigen Studentinnen dieser Zeit, die aus Marburg stammte. Die Familie kam 1894 nach Marburg, da Joseph Disse die Stelle eines Prosektors und eine außerordentliche Professur an der Universität erhalten hatte. Auch Anna Disse bestand ihre Reifeprüfung am Realgymnasium in Frankfurt a.M. (März 1909). Sie studierte vom Sommersemester 1909 bis zum Sommersemester 1913 in Marburg, verbrachte allerdings ein Semester (1911) in Göttingen. Am 2. und 3. Mai 1913 absolvierte sie ihre Lehramtsprüfung in Marburg „mit Auszeichnung“ und erhielt die Lehrbefähigung für Mathematik und Physik für die Oberstufe und Chemie für die Mittelstufe der höheren Mädchenschulen. Anna Disse promovierte 1923 bei dem Marburger Mathematikprofessor Kurt Hensel.8 Sie war langjährig als Oberstudienrätin an einer Bremer Schule tätig.9
Es waren einige Frauen, die in der Zeit von 1908 bis 1914 an der Universität Marburg in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Abteilung Physik studierten und für ihren Studienabschluss, der Lehramtsprüfung, Physik als Haupt- oder Nebenfach wählten10, aber obwohl in dieser Zeit auch eine ganze Anzahl von Frauen in Mathematik und Naturwissenschaften promovierten11, taten sie dies nicht in der Physik. Eine Rolle spielte dabei wohl, dass Franz Richarz kein beliebter Doktorvater war, er promovierte in den 19 Jahren, in denen er in Marburg tätig war, nur wenige Studenten und keine einzige Studentin.12
Dies änderte sich allerdings gravierend, als Clemens Schaefer im Jahre 1920 die Professur für Physik in Marburg übernahm. Er blieb nur sechs Jahre in Marburg, dann nahm er einen Ruf der Universität Breslau an.Inhalt ausklappen Inhalt einklappen 2. Clemens Schaefer als Direktor des physikalischen Instituts 1920 bis 1926
Clemens Schaefer wurde am 24. März 1878 in Remscheid im Bergischen Land geboren. Nach dem Besuch einer katholischen Volksschule und dem Apostelngymnasium in Köln studierte er Mathematik und Physik in Berlin. Im Jahre 1900 promovierte er in Bonn und wurde anschließend Assistent bei Heinrich Rubens an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg.13 „Sicher haben die Lehrjahre bei diesem Meister der Strahlenforschung dazu beigetragen, sein Interesse und seine Liebe zur Ultrarotforschung zu wecken, die dann ein Leben lang sein Lieblingsgebiet werden sollte.“14
Drei Jahre später, 1903 habilitierte sich Schaefer an der Universität Breslau und war dort von 1903 bis 1917 als Privatdozent tätig. Dort erhielt er im Jahre 1917 den Lehrstuhl für theoretische Physik, „eine bemerkenswerte Entscheidung, die ihm, dem gelernten Experimentalphysiker, die Qualifikation zum theoretischen Physiker bescheinigte.“15 1920 folgte er dann dem Ruf nach Marburg und übernahm die Nachfolge von Franz Richarz als Direktor des physikalischen Instituts und Direktor der Sternwarte. Schaefers Persönlichkeit und die Art und Weise, wie er das Institut geleitet hatte, beschreibt sein „Schüler“ Conrad von Fragstein wie folgt:
„Er hat dabei gewiß nicht den Ehrgeiz gehegt, einen extrem demokratischen Stil an den Tag zu legen. Seine Regierung hatte eher die Form einer aufgeklärten Monarchie, wie es Fues16 einmal in scherzhafter Weise ausdrückte. Aber wie liberal und nobel handhabte er dabei seine Vollmachten. Er war für jeden vernünftigen Vorschlag über die Verwendung der Institutsmittel offen und verbrauchte für seine eigenen experimentellen Arbeiten nicht mehr als jeder seiner Mitarbeiter. Auch in geistiger Hinsicht bestand keine Spur von Zwang, sondern er ließ seinen Mitarbeitern generös jede Bewegungsfreiheit in der Wahl des Arbeitsgebietes, das eigentlich fast nie mit seinem eigenen Interessengebiet übereinstimmte.“17
Seine Mitarbeiter am physikalischen Institut in Marburg waren zu Beginn der 20er Jahre: ein Leiter der Übungen in theoretischer Physik (Prof. Dr. F. U. Schulze), zwei Assistenten (Privatdozent Dr. R. Stuchtey und Privatdozent Prof. Dr. E. Take), ein Ingenieur (Dr. F. Strieder) sowie ab dem Wintersemester 1921/22 die „außerplanmäßige Assistentin“, Gertrud Dlugosch.18 Sie war zu dieser Zeit nicht nur die einzige Frau am physikalischen Institut, sie war auch die einzige Frau im gesamten Lehrkörper der Universität.19Inhalt ausklappen Inhalt einklappen 3. Die erste wissenschaftliche Assistentin am physikalischen Institut
Wie oben dargestellt, war Clemens Schaefer lange Jahre an der Universität Breslau tätig gewesen, bevor er nach Marburg kam. Angenommen werden kann, dass er aus dieser Zeit Marie Johanna Gertraud Dlugosch kannte, die im Sommersemester 1916 ihr Studium an der Universität Breslau begann und wahrscheinlich bei ihm studierte.
Gertraud Dlugosch war am 23. März 1896 in Oppeln in Oberschlesien geboren worden. Ihr Vater war Kaufmann, sie stammte aus einer katholischen Familie. Sie studierte vom Sommersemester 1916 bis zum Wintersemester 1921/22 an der Universität Breslau undschloss 1922 ihre Studien mit der Promotion in Physik ab. Ihre Dissertation „Untersuchung über die Absorption des Joddampfes“ erhielt das Prädikat „mit Auszeichnung“.
Direkt anschließend, am 01.April 1922, erhielt sie von Clemens Schaefer am Marburger physikalischen Institut eine Stelle als „außerplanmäßige Assistentin“, was bedeutete, dass sie im Unterschied zu den planmäßigen Assistenten keine Staatsbeamtin war und auch nur 80% der Anfangsbezüge eines planmäßigen Assistenten erhielt.20 Sie war nicht in der Lehre tätig, unterstützte aber wohl Doktoranden bei experimentellen Versuchen.21
Nach Schaefers Weggang aus Marburg kehrte Gertrud Dlugosch nach Breslau zurück und schrieb sich an der Universität für das Sommersemester 1927 und das Wintersemester 1927/28 als Hörerin ein. Am 01. April 1927 erhielt sie, sicherlich wiederum bei Clemens Schaefer, der einen Ruf an die Universität Breslau angenommen hatte, eine Assistentinnenstelle, die sie bis zum 31.03. 1930 innehatte. Eventuell bestehende Pläne, sich in Physik zu habilitieren und eine Karriere in der Wissenschaft anzustreben, muss sie in dieser Zeit aufgegeben haben. Sie absolvierte im Juli 1930 in Breslau die Lehramtsprüfung in Physik als Hauptfach „mit Auszeichnung“, in Chemie als Hauptfach mit „gut“ und in Mathematik als Nebenfach „mit Auszeichnung“, das Gesamtprädikat lautete „mit Auszeichnung“. Sie arbeitete dann als Oberstudienrätin zuerst an einer Schule in Schlesien22 und nach dem Zweiten Weltkrieg ab 1946 in einer Schule in Dillenburg.23Inhalt ausklappen Inhalt einklappen 4. Die ersten Doktorandinnen am physikalischen Institut
Clemens Schaefer stellte nicht nur die erste Assistentin am physikalischen Institut der Universität Marburg ein, unter seiner Ägide promovierten auch vier Studentinnen, drei promovierte er selbst, die vierte Studentin führte ihre Versuche in den Jahren 1923 bis 1926 zwar auch unter seiner Institutsleitung durch, wurde aber von Schaefers damaligen Assistenten, Hermann Senftleben24 betreut.
Im April 1923 baten fast zeitgleich zwei Studentinnen um Zulassung zur Doktorpromotion an der philosophischen Fakultät, das Schreiben von Margarethe Schmidt ist auf den 29. April 1923 datiert, das Schreiben von Mia Toussaint auf den 30. April 1923. Beide Frauen reichten eine Dissertation mit einem physikalischen Thema ein und baten im Rigorosum in Physik als Hauptfach und in Mathematik und Chemie als Nebenfächer geprüft zu werden.25
Zusammen mit ihren Unterlagen reichte Margarethe Schmidt folgenden „Lebenslauf“ ein:
„Ich, Margarethe, Marie, Friederike Schmidt bin geboren am 6. Mai 1897 als Tochter des Ziegeleibesitzers Friedrich Schmidt u. seiner Ehefrau Maria geb. Pusbach in Diepenau (… Hannover), evangelischen Bekenntnisses und preußischer Staatsangehörigkeit. Von Ostern 1903-7 besuchte ich die höhere Privat-Töchterschule in Braunschweig, dann das dortige Herzogin-Elisabeth-Lyzeum, von dem ich 1912 zu der damals gegründeten Studienanstalt mit Oberrealschul-Lehrgang überging. Im März 1917 bestand ich dort die Reifeprüfung. Zunächst studierte ich an der Braunschweiger Technischen Hochschule vor allem Chemie, daneben Physik und Mathematik. Oktober 1919 ging ich nach Leipzig und hörte dort hauptsächlich auch naturwissenschaftliche und mathematische Vorlesungen. Seit Wintersemester 1920/21 studiere ich an der hiesigen Universität, wo ich mich neben dem Studium der Mathematik vor allem der der Physik gewidmet habe.“ 26
Die Dissertation von Margarete Schmidt wurde von Clemens Schaefer mit „gut“ bewertet, das Rigorosum bestand sie mit dem Gesamtprädiktat „gut“. Quellen über ihren weiteren Werdegang konnten nicht ermittelt werden.
Die zweite Doktorandin am physikalischen Institut in Marburg war Mia Toussaint. Aus ihrem Lebenslauf wird ersichtlich, dass sie vom Herbst 1916 bis Juli 1920 an der Universität Marburg immatrikuliert war, die Studienjahre vor ihrer Promotion aber an der technischen Hochschule in Aachen verbracht hatte.
Von daher begründete sie ihren Wunsch, in Marburg ihren Abschluss erlangen zu wollen, wie folgt:
„Auf Anraten von Herrn Professor Dr. Schaefer habe ich sie (die Dissertation, S. L-G) aus finanziellen Gründen im physikalischen Institut der heimischen Hochschule ausgeführt, möchte aber in Marburg promovieren, weil ich dort den größten Teil meiner Studiensemester verbracht habe.“27
Ihren „Lebenslauf“ beschreibt sie wie folgt:
„Ich, Mia Toussaint, wurde am 8. Dezember 1894 zu Aachen als Tochter des Kaufmanns Joseph Toussaint und seiner Ehefrau Christine, geb. Hansen, geboren. Ich bin katholischen Glaubens. Bis Ostern 1911 besuchte ich das Lyzeum St. Ursula zu Aachen, darauf bis Ostern 1915 das städtische Oberlyzeum meiner Heimatstadt. Auf Grund des Reifezeugnisses des Oberlyzeums ließ ich mich Ostern 1915 an der Aachener Technischen Hochschule als Hörerin bei der Abteilung für allgemeine Wissenschaften einschreiben, von Herbst 1916 bis Juli 1920 war ich in Marburg als Studentin der philosophischen Fakultät immatrikuliert. Während des Sommersemesters 1917 bereitete ich mich im Müller’schen Institut in Marburg auf die Oberrealergänzungsprüfung vor, die ich im September 1917 an der Oberrealschule zu Rheydt bestand. Im Wintersemester 1917/18 ließ ich mich von der Universität beurlauben und war von Oktober 1917 bis März 1918 im vaterländischen Hilfsdienst an dem Hüttenmännischen Institut der Aachener Hochschule tätig. Im April 1921 bestand ich mein philosophisches Staatsexamen in den Fächern Physik und Chemie für die Oberstufe und Mathematik für die Mittelstufe. Im Sommersemester 1921 begann ich meine Doktorarbeit im physikalischen Institut der technischen Hochschule Aachen, wo ich während des Sommersemesters 1921 als Gastteilnehmerin und im Wintersemester 1921/22 als Studentin der … Allgemeinen Wissenschaften eingeschrieben war. Vom Oktober 1921 bis zum Juni 1922 war ich am Aachener Oberlyzeum-Abendschule als Studienrat … tätig und erhielt Juni 1922 das Zeugnis über die pädagogische Prüfung für das Lehramt für höhere Schulen. Drei Semester war ich am hiesigen physikalischen Institut als Praktikantin beschäftigt.“28
Ihre Dissertation mit dem Titel „ Struktur- und Intensitätsänderungen im Bandenspektrum durch molekulare Einwirkung“29 bewertete Clemens Schaefer mit „gut“ und verteidigte sie auch gegen die kritische Nachfrage eines Kollegen.30 In einem weiteren Schreiben äußerte Mia Toussaint den Wunsch, mündlich neben Clemens Schaefer in Physik, in Mathematik von Kurt Hensel und in Chemie von Wilhelm Strecker31 geprüft zu werden, „da ich Gelegenheit hatte, die Vorlesungen dieser Herren zu hören und von ihnen im Staatsexamen geprüft worden bin.“32 Dem wurde nicht stattgegeben. Mia Toussaint wurde von anderen Hochschullehrern geprüft, mit einem nur „genügenden“ Ergebnis.33
Im Jahre 1924 veröffentlichten Walter Steubing34 gemeinsam mit Mia Toussaint einen Artikel in der „Zeitschrift für Physik“ mit dem Titel „Die Veränderlichkeit des Stickstoffbandenspektrums durch Edelgase“35 – danach verlieren sich auch ihre Spuren.
Unter dem Titel „Kurzbiographien herausragender Industrieforscherinnen“ porträtiert Renate Tobies in ihrem Werk „‘Aller Männerkultur zum Trotz‘- Frauen in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik“36 die dritte Doktorandin am physikalischen Institut der Universität Marburg, Anne Marie (Annemarie) Katsch.
Anne Marie Katsch wurde als Tochter des früh verstorbenen Kunstmalers und Schriftstellers Hermann Katsch am 20. September 1897 in Charlottenburg geboren. Nachdem sie ihr Reifezeugnis am Oberlyzeum in Berlin-Charlottenburg erhalten hatte, studierte sie ab dem Sommersemester 1917 in Marburg, wo ihr Bruder, Gerhard Katsch „gerade als Oberarzt an der Universitätsklinik arbeitete“.37 Das Wintersemester 1918/19 verbrachte sie in München. Im Mai 1922 bestand sie in Marburg ihre Lehramtsprüfung in den Fächern Mathematik, Physik (Hauptfächer) und philosophische Propädeutik.
Weiter schrieb sie in ihrem“ Lebenslauf“, den sie ihrer Dissertation beifügte:
„Ich befand mich studienhalber noch bis zum Dezember 1922 in Marburg, da ich den Wunsch hatte, noch meinen Doktor, und zwar mit einer physikalischen Arbeit zu machen. Aus pekuniären Gründen sah ich mich jedoch genöthigt, im Dezember 1922 mein Studium abzubrechen und trat als Physikerin in die Industrie ein.“38
Am 2. Januar 1923 begann sie ihre Tätigkeit in dem Laboratorium der Dr. Erich F. Huth GmbH, Gesellschaft für Funkentelegrafie in Berlin. In einem Artikel präsentierte sie im Jahre 1925 ihre ersten Ergebnisse.39 Im selben Jahr reichte sie ihre Dissertation mit dem Titel „Über den Einfluß eines Kontaktpotentials bei verschiedenen Gittermaterialien in Glühkathodenlampen“ an der Philosophischen Fakultät in Marburg ein, Referent war Clemens Schaefer. Am 10. Juni 1925 bestand sie das Rigorosum. Anne Marie Katsch blieb bei der Dr. Erich F. Huth GmbH und später der C. Lorenz AG beschäftigt und veröffentlichte in den 40er Jahren weitere wissenschaftliche Arbeiten.40
Abschließend soll Ilse Rehren, die am Ende ihres „Lebenslaufs“ anmerkt, dass die „vorliegende Arbeit … in den Jahren 1923-26 im Marburger Physikalischen Institut ausgeführt“ wurde, kurz vorgestellt werden.
Ilse Rehren, evangelischer Konfession, wurde am 20. August 1901 in Chotzenmühl in Westpreußen als Tochter des Oberförsters Arno Rehren geboren.
Zu ihrem schulischen Werdegang schrieb sie:
„Während der ersten 6 Schuljahre erhielt ich Privatunterricht von einer Hauslehrerin. Von Ostern 1914 bis Herbst 1919 besuchte ich die realgymnasiale Studienanstalt der Viktoriaschule zu Danzig, wo ich lt. Ministerialverfügung vom 12. Juli 1919 das Reifezeugnis erhielt. Das folgende Jahr verbrachte ich in meinem Elternhaus in Chotzenmühl, von Februar 1920 ab in Friedewald Bez. Cassel.“41
Ihr Studium begann Ilse Rehren im Herbst 1920 in Göttingen, dann war sie einige Semester an der Universität in Freiburg i. Br. (Ostern 1921 bis Oktober 1922) immatrikuliert. Die folgenden Jahre ihres Studiums verbrachte sie in Marburg.42 Ihre Dissertation „Über die Dissoziation des Wasserdampfmoleküls unter Einwirkung von Stössen 2. Art“ wurde von Hermann Senftleben mit „sehr gut“ bewertet. Ihr Rigorosum fand im Juli 1926 statt, sie wurde von Schaefer und Senftleben in Physik geprüft.
Im April 1926 wurde bei der "Zeitschrift für Physik“ ein Artikel eingereicht mit dem Titel „Über die Dissoziation des Wasserdampfmoleküls. Von Hermann Senftleben und Ilse Rehren in Marburg/Lahn“.43 Weitere Veröffentlichungen von ihr oder Quellen über ihren weiteren Lebensweg konnten nicht ermittelt werden.Inhalt ausklappen Inhalt einklappen Literatur
Kirchhoff, A. (Hrsg.): Die akademische Frau. Gutachten hervorragender Universitätslehrer, Frauenlehrer und Schriftsteller über die Befähigung der Frau zum wissenschaftlichen Studium und Berufe. Berlin, 1897
Lorch-Göllner, S.: Die “mutvoll Trotzigen“. Die ersten Mathematikstudentinnen an der Königlich Preußischen Universität Marburg. In: Mathematische Semesterberichte, Band 65, Heft 1, März 2018, S. 35-64.
Schnack, I. (Hrsg.): Marburger Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Marburg, 1977
Tobies, R. (Hrsg.): „Aller Männerkultur zum Trotz“. Frauen in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik. Frankfurt/Main, 2008Inhalt ausklappen Inhalt einklappen Fußnoten
1 Das vollständige Zitat von Max Planck aus dem Jahre 1897 lautet: “Wenn eine Frau, was nicht häufig, aber bisweilen vorkommt, für die Aufgaben der theoretischen Physik besondere Begabung besitzt und außerdem den Trieb in sich fühlt, ihr Talent zur Entfaltung zu bringen, so halte ich es, in persönlicher wie auch in sachlicher Hinsicht, für unrecht, ihr aus prinzipiellen Rücksichten die Mittel zum Studium von vornherein zu versagen, ich werde ihr gerne, soweit es überhaupt mit der akademischen Ordnung verträglich ist, den probeweisen und stets widerruflichen Zutritt zu meinen Vorlesungen und Übungen gestatten, und habe in dieser Beziehung auch bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht “ Allerdings, so führte er weiter aus, müsse er aber daran festhalten, „daß ein solcher Fall immer nur als Ausnahme betrachtet werden kann, und daß es insbesondere höchst verfehlt wäre, durch Gründung besonderer Anstalten die Frauen zum akademischen Studium heranzuziehen, wenigstens sofern es sich um die rein wissenschaftliche Forschung handelt.“
In: Die Akademische Frau. Gutachten hervorragender Universitätslehrer, Frauenlehrer und Schriftsteller über die Befähigung der Frau zum wissenschaftlichen Studium und Berufe. Hrsg. v. Arthur Kirchhoff, Berlin, 1897, S. 256f.
2 Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen 1908, Nr. 8, S. 691f.
3 Matrikel der Universität Marburg vom Wintersemester 1908/09, UniA MR, 305 m1, Nr. 49.
4 CATALOGUS Professorum Academiae Marburgensis. Die akademischen Lehrer der Philipps-Universität Marburg von 1527 bis 1910, bearb. von Franz Gundlach (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 15, 1), Bd. 1, Marburg 1927. Siehe auch Marburger Professorenkatalog online (www.uni-marburg.de/uniarchiv).
5 Verzeichnis des Personals und der Studierenden auf der Königlich Preußischen Universität Marburg, SS 1908-WS 1908/09. (www.uni-marburg.de/uniarchiv).
6 Vgl. Matrikel der Universität Marburg vom Wintersemester 1908/09, UniA MR, 305 m1, Nr. 49.
7 Matrikel der Universität Marburg vom Sommersemester 1909, UniA MR, 305 m1, Nr. 50.
8 Kurt Hensel (am 29.12.1861 in Königsberg geboren, am 01.06.1941 in Marburg gestorben) war vom 15.10.1902 bis März 1929 ordentlicher Professor der Mathematik an der Universität Marburg. In: CATALOGUS Professorum Academiae Marburgensis. Die akademischen Lehrer der Philipps-Universität Marburg von 1527 bis 1910, bearb. von Franz Gundlach (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 15, 1), Bd. 1, Marburg 1927, S. 377. Siehe auch Marburger Professorenkatalog online (www.uni-marburg.de/uniarchiv).
9 Ausführlich ist ihr Lebenslauf beschrieben in: Lorch-Göllner, Silke: „Die ‚mutvoll Trotzigen‘: Die ersten Mathematikstudentinnen der Königlich Preußischen Universität Marburg.“, in: Mathematische Semesterberichte, Band 65, Heft 1, März 2018, S. 54-57.
10 So z.B. Anna Disse, Grete Schürmann, Anna Sturmfels, Wilhelmine Sturmfels und Johanna Hilmer. Siehe: Personalunterlagen von Lehrer und Lehrerinnen an Volksschulen und höheren Schulen Preußens, Archiv der Bibliothek für Bildungshistorische Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Berlin.
11Jessie F. Cameron in Mathematik (WS 1912/13), UniA MR, Nr. 244, Johanna Baeumer und Margarete (Grete) Schürmann in Chemie (SS 1914), UniA MR, 307d, Nr. 252, Charlotte Grossmann und Gertrud Kahn (WS 1914/15) in Chemie, UniA MR, 307d, Nr. 254.
12 Siehe dazu auch seine kritischen Nachfragen bezüglich der Dissertation von Anna Sturmfels. In: Lorch-Göllner, S.: „Die ‚mutvoll Trotzigen‘, S. 53/54.
13 Vgl. von Fragstein, Conrad: Clemens Schaefer (1878 – 1968)/Physiker. In: Marburger Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hrsg. v. Ingeborg Schnack, Marburg, 1977, S. 441-453.
14 Ebd., S. 441.
15 Ebd., S. 442.
16 Es handelt sich hier um Erwin Fues, der von 1934 bis 1943 ordentlicher Professor der theoretischen Physik an der Universität Breslau war. Er war also in dieser Zeit Kollege von Clemens Schaefer. WIKIPEDIA (26.4.2018)
17 Von Fragstein, Marburger Gelehrte, S. 446.
18 Siehe in Personalverzeichnis der Universität Marburg 1920-1925 und hier im Wintersemester 1921/22, UniA MR, 305 m/3, Nr. 10.
19 Ebd. Recherchiert werden müsste, ob sie nicht auch die erste Frau auf einer Assistentenstelle an der Universität Marburg war.
20 Vgl. in: Der wissenschaftliche Assistent 6 (1926), S, 109f. Zit. nach: Geschichte der Universität unter den Linden, Bd.2. Hrsg. v. Michael Grüttner, Berlin, 2012, S. 141f.
21 So findet man in der gekürzten Dissertation von Conrad von Fragstein, die in „Annalen der Physik“, 5. Folge, Band 17, Heft 1, Mai 1933 veröffentlicht wurde, den Hinweis: Die Bestimmung der optischen Konstanten „wurde auf Veranlassung von Herrn Prof. Schaefer durch Frl. Dr. Gertrud Dlugosch durchgeführt“.
22 Personalblatt A für (Oberstudien-Direktoren, (Ober)-Studienräte ... ). http://archivdatenbank.bbf.dipf.de/actaproweb/image.xhtml?id=1c43b89e-421e-4096-858a-eea30ff09992
23 Siehe Aktenhinweis vom Hessischen Staatsarchiv Wiesbaden (HHStAW Bestand Nr. II 4560).
24 Hermann Senftleben (1890-1975) war Assistent bei Clemens Schaefer, bei dem er sich 1924 habilitierte. Bis zu seinem Ruf nach Münster im Jahre 1935 war er an der Universität Marburg als Privatdozent tätig. WIKIPEDIA (06.05.2018)
25 Siehe die Promotionsakten von Margarethe Schmidt und von Mia Toussaint, UniA MR, 307d, Nr. 284 und Nr. 286.
26 UniA MR, 307d, Nr. 284.
27 UniA MR, 307d, Nr. 286.
28 Ebd.
29 Sie wurde veröffentlicht in: Zeitschrift für Physik, 19, 271, 1923.
30 Siehe Promotionsakte, UniA MR, 307d, Nr. 286.
31 Wilhelm Strecker (1877 – 1947) war ab 1918 außerordentlicher Professor und ab 1922 ordentlicher Professor für Anorganische Chemie an der Universität Marburg. WIKIPEDIA (30.04.2018)
32 Promotionsakte, UniA MR, 307d, Nr. 286.
33Siehe ebd.
34 Walter Steubing (geb. 1885 in Dillenburg) hatte an der technischen Hochschule in Aachen zuerst eine Assistentenstelle bei Johannes Stark, dann eine außerordentliche Professur. 1927 nahm er den Ruf auf den Lehrstuhl für angewandte Physik der Universität Breslau an und wurde damit Kollege von Clemens Schaefer. Siehe: Persönliches, Walter Steubing 70 Jahre von Clemens Schaefer.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/phbl.19550110606 (06.05.2018)
35 In: Zeitschrift für Physik, 21, 128, 1924.
36 „Aller Männerkultur zum Trotz“ – Frauen in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik. Hrsg. v. Renate Tobies, Frankfurt/M, 2008, S. 323ff.
37 Ebd., S. 328.
38 Siehe Lebenslauf in ihrer Dissertation (UB Marburg).
39 A. Katsch: „Über eine experimentelle Untersuchungsmethode der Vorgänge in Glühkathodenlampen“. In Zeitschrift für Physik, Jg. 32,1925, S. 287-297.
40 Vgl. „Aller Männerkultur zum Trotz“, hrsg. v. R. Tobies, S. 328f.
41 Promotionsakte, UniA MR, 307d, Nr. 288.Inhalt ausklappen Inhalt einklappen Download