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Astronomische Einheit

Gerlings Vorschlag

Bis Ende des 19. Jahrhunderts galten die Vermessungen der seltenen Venustransits als die präzisesten Beobachtungen zur Bestimmung der Abstände zwischen den Planeten, hier der Entfernung der Venus zur Erde. Aus dieser Entfernung kann man leicht die so genannte Astronomische Einheit berechnen, die mittlere Entfernung der Sonne von der Erde. Sie ist die Basisgröße in unserem Sonnensystem, die eine enorme Bedeutung in der Astronomie und Astrophysik hat.

Die beiden einzigen dieser Transitphänomene im 19. Jahrhundert fanden 1874 und 1882 statt. Gerling machte wegen der extrem seltenen Passagen der Venus vor der Sonne den Vorschlag, die Venusposition von verschiedenen Orten der Erde aus genau dann zu vermessen, wenn sie relativ zur Erde scheinbar still steht, sich also in den Umkehrpunkten ihrer Planetenschleife befindet. In diesem Stillstandspunkten sollten die Venus und einige helle Sterne tagsüber mit den hochpräzisen Meridianinstrumenten an zwei Orten der Erde auf etwa gleichem Längengrad vermessen werden. Um die Position der Venus relativ zum Sternenhintergrund zu erhalten, müssten dann zusätzlich die Venus als Morgen- und Abendstern im Osten bzw. im Westen mit Sternen im Hintergrund in einem parallaktisch montierten Teleskop aufgenommen werden.

Die Expedition in die südliche Hemisphäre

Messblatt der Expedtion nach Santiago, Nachlass C.L. Gerling Ms319-281, Universitätsbiliothek Marburg
Messblatt der Expedtion nach Santiago, Nachlass C.L. Gerling Ms319-281, Universitätsbiliothek Marburg

Diese Idee wurde von James M. Gilliss, einem amerikanischen Astronom, aufgenommen. Er hatte die Sternwarte der US Marine in Washington gegründet und machte sich von 1849 bis 1852 zu einer vom amerikanischen Kongress finanzierten Expedition nach Santiago, Chile, zur "Expedition in die südliche Hemisphäre von 1849-1852" auf. Mit Gerling stand er in Kontakt und berichte von seinen Messungen.

Die Kampagne hatte leider nicht den gewünschten Erfolg, da die Astronomen in Washington trotz Anweisungen nicht kooperierten. Dennoch hinterließ diese Expedition bleibende Eindrücke: Sie ist ein beredtes Beispiel für die internationale Zusammenarbeit im 19. Jahrhundert und sie führte zur Gründung der ersten Sternwarte auf dem südamerikanischen Kontinent. Der erste Direktor der Chilenischen Nationalsternwarte wurde  Carl. W. Moesta aus Zierenberg, ein Student Gerlings.

Detailliertere Informationen dazu finden Sie in der Publikation "An international campaign of the 19th century to determine the solar parallax -  The US Naval expedition to the southern hemisphere 1849–1852", Eur. Phys. J. H 39, 225–244 (2014). Der Briefverkehr vom Gerling mit J.M. Gilliss ermöglicht eine nachträgliche Beschreibung und Analyse der Suche nach dem besten Ort in Südamerika zur Durchführung dieser Beobachtungen. Carlos Sanhueza und Lorena Valderrama aus Santiago haben dies im Journal for the History of Astronomy in 2020, Vol 50, 187-208 veröffentlicht.