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Ausstattung der Sternwarte
Die wesentlichste Teil der Ausrüstung einer Sternwarte im 19. Jahrhundert waren ein Durchgangs- oder Passageinstrument und mindestens eine Präzisionsuhr für die Anzeige der Sternzeit. Meistens gab es eine weitere Präzisionsuhr für die mittlere Ortszeit.
Das Passageinstrument
Passageinstrumente haben eine Azimutalmontierung und zeichnen sich durch die große Präzision der Winkelbestimmung (Azimut- und Höhenwinkel) aus! Gerling erwarb 1841 ein Passageinstrument mit einigem Zubehör aus der Werkstatt Ertel & Sohn, München, für 718 Gulden. Es ist das Gerät Nr. 9 des Firmenkatalogs von 1837.
Das Fernrohr hatte eine Objektivlinse mit einem Durchmesser von 54 mm und einer Brennweite von 596 mm. Das Fernrohr dieses Messinstrumentes bezeichnet man als ein “gebrochenes” Rohr: am unteren Ende ist ein Umlenkprisma montiert, welches das Licht in die horizontal liegende Achse der Aufhängung spiegelt. So konnte man also unabhängig von der Höhe, auf die das Rohr eingestellt wurde, beobachten! Dieser Trick wird bei modernen Großteleskopen auch heute noch angewandt (Nasmyth-Fokus).
Das Passageinstrument und seine Anwendung sind ausführlich im Lehrbuch “Theorie und Praxis der Astronomischen Zeitbestimmung” von Franz Melde, Gerlings Nachfolger, beschrieben.
Weitere Geräte der Sternwarte
Gerling führt eine Liste seiner Geräte nach der Einrichtung seiner Sternwarte in einer Publikation in den Astronomischen Nachrichten 1942 auf:
- Passageinstrument, Ertel & Sohn, München
- ein Fraunhofer-Refraktor, Brennweite fünf Fuß, also ca. 1,50 m; Nr. 9 des Katalogs der Fa. Fraunhofer von 1832
- eine parallaktische Montierung mit einem älteren englischen 4-Fuß-Refraktor, den Gerling 1817 schon in Marburg vorfand
- ein Fraunhoferscher Kometensucher
- ein Steinheilscher Prismenkreis
- eine Präzisionsuhr zur Anzeige der Sternzeit: ein Kesselscher Box-Chronometer, Nr. 1314. Die Uhr Nr. 1448 ist erhalten und befindet sich im Museum der Sternwarte Kremünster.
- eine von einem Marburger Uhrmacher namens Schmidt angefertigte Pendeluhr, die gleichzeitig die Sternzeit und die mittlere Zeit anzeigte; sie ersetzte eine alte, ebenfalls in Marburg angefertigte Uhr
Weitere kleine Hilfsgeräte, wie Zubehör zu den Geräten, Sextant, Taschenuhren, Halterungen, ... vervollständigten die Sammlung der Geräte der Sternwarte.
Verbleib der Ausstattung der Sternwarte
Keines der Geräte der Sternwarte aus Gerlings-Zeit ist heute noch in Marburg vorhanden. Gerlings Nachfolger, Franz Melde, hat die Grundlagen der astronomischen Zeitmessung in die Ausbildung der Studierenden eingebunden. Daher sorgte er sicherlich für einen ordentlichen Zustand der Messgeräte. 1915 erhält der damalige Direktor Franz Richards eine Anfrage zu einer Leihgabe historischer Instrumente. Richarz erwähnt die Instrumente Gerlings, jedoch nicht explizit einzelne Geräte. Im Inventarverzeichnis des damaligen Institurs ist das Passageinstrument bis 1934 aufgefährt. Diese Zeit fällt auch gut mit den letzten bekannten astronomischen Aktitivitäten in der Sternwarte zusammen. Daher kann man vermuten, dass die Geräte danach entweder an Liebhaber weitergegeben oder auch verschrottet wurden, wenn ihr Zustand zu schlecht war.
In der Physikalischen Sammlung der Universität Marburg befindet sich ein kleines Passageinstrument der Fa. Breithaupt, welches in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts vermutlich zu Lehrzwecken angeschafft wurde.