25.08.2020 Pilz sortiert Zellwandproteine

Fachübergreifendes Team erforschte, wie ein Protein zu seinem Bestimmungsort findet

Marburger Fachleute aus Biologie und Chemie klärten gemeinsam auf, wie Pilze ihre Zellwand aufbauen (von links): Dr. Marian Samuel Vogt, Gesa Felicitas Schmitz, Professor Dr. Lars-Oliver Essen und Professor Dr. Hans-Ulrich Mösch.
Foto: Petra Gnau
Marburger Fachleute aus Biologie und Chemie klärten gemeinsam auf, wie Pilze ihre Zellwand aufbauen (von links): Dr. Marian Samuel Vogt, Gesa Felicitas Schmitz, Professor Dr. Lars-Oliver Essen und Professor Dr. Hans-Ulrich Mösch.

Eine Marburger Forschungsgruppe aus Biologie und Chemie hat die Struktur eines Enzyms aufgeklärt, das zum Aufbau der Zellwand vieler Pilze wie Bäckerhefe oder Schimmel beiträgt – ein erster Schritt, um diese Organismen wirksam bekämpfen zu können. Die Fachleute veröffentlichten ihre Ergebnisse im Wissenschaftsmagazin PNAS.

Pilze sind allgegenwärtig, sie nisten sich in Gebäuden ein oder rufen Krankheiten hervor, andere machen sich bei der Nahrungsmittelproduktion nützlich. „Die Bäckerhefe und andere Pilzarten weisen ungewöhnlich dicke Zellwände auf, die bis zu einem Drittel des Trockengewichts dieser Organismen ausmachen“, erklärt der Marburger Biologe Professor Dr. Hans-Ulrich Mösch, einer der Leitautoren der Publikation. „Diese Panzerung erlaubt es Pilzen, allen möglichen Stressfaktoren der Umgebung zu widerstehen.“

Die Zellwände tragen Oberflächenproteine, ergänzt Professor Dr. Lars-Oliver Essen vom Marburger Fachbereich Chemie, ein weiterer Leitautor: „Diese Proteine ermöglichen es den Pilzen, sich am Untergrund anzuheften.“ Das können Nahrungsquellen sein, aber auch die Gewebe von Tieren oder Pflanzen, wenn es sich bei den Pilzen um Krankheiterreger oder Schädlinge handelt.

Wie gelangen die Proteine zur Zellwand? Um das herauszufinden, nahm das Forschungsteam das Enzym Dfg5 unter die Lupe; es sorgt dafür, dass die Oberflächenproteine zur Zellwand gelangen, statt in der darunterliegenden Membran zu verbleiben. „Wir haben untersucht, wie Dfg5-Transglykosidasen dazu beitragen, dass sich die entsprechenden Proteine an der Oberfläche der Zellwand anheften können“, legt Essen dar.

Für ihre Untersuchungen verwendete das Team den Pilz Chaetomium thermophilum, der in Dung oder Kompost zu finden ist. „Da diese Art ziemlich temperatur-unempfindlich ist, sind ihre Proteine weitaus stabiler für strukturbiologische Untersuchungen“, erläutert Mitverfasserin Gesa Felicitas Schmitz, die ihre Doktorarbeit bei Mösch anfertigt.

Hyphen des filamentösen Pilzes Chaetomium thermophilum nach Einfärbung durch einen Chitin-bindenden Farbstoff (purpurn). Rechts ist ein elektronenmikroskopischer Ausschnitt der Chaetomium-Zellwand (purpurn) gezeigt. Dfg5-Enzyme bewirken die Übertragung von Zellwandproteinen (grün) aus der Plasmamembran (rot) auf Zuckerstränge der Oberfläche.
Viktoria Reithofer, L.-O. Essen
Hyphen des filamentösen Pilzes Chaetomium thermophilum nach Einfärbung durch einen Chitin-bindenden Farbstoff (purpurn). Rechts ist ein elektronenmikroskopischer Ausschnitt der Chaetomium-Zellwand (purpurn) gezeigt. Dfg5-Enzyme bewirken die Übertragung von Zellwandproteinen (grün) aus der Plasmamembran (rot) auf Zuckerstränge der Oberfläche.

Aufgrund der gewonnenen Daten entwirft das Forschungsteam eine Modellvorstellung davon, wie das Dfg5-Enzym arbeitet. Sie beschreiben den Mechanismus als Sortiervorgang: Das Enzym erkennt, wie die Proteine in der Membran unterhalb der Zellwand verankert sind. „Je nach Art des Ankers vermag es genau zu unterscheiden, ob ein Protein in die Zellwand weiter transportiert wird oder in der Plasmamembran verbleiben soll“, führt Essens Mitarbeiter Dr. Marian Samuel Vogt aus, der ebenfalls als Koautor firmiert. „Diesen Transportmechanismus gibt es nur bei Pilzen, jedoch nicht bei Pflanzen und Tieren.“

„Unsere Befunde haben offengelegt, wo neue Wirkstoffe gegen Pilze ansetzen können, damit diese mit ihren Oberflächenproteinen nicht mehr dort anheften können, wo wir es nicht wünschen“, sagt Essen.

Lars-Oliver Essen lehrt Biochemie in Marburg, Hans-Ulrich Mösch ist Professor für Genetik an der Philipps-Universität. Beide gehören auch dem Marburger „LOEWE“-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie an. Neben ihren Arbeitsgruppen beteiligte sich der Chemiker Dr. Daniel Varón Silva vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam an der Studie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützte die zugrundeliegenden Forschungsarbeiten finanziell über den Marburger Sonderforschungsbereich 987 „Mikrobielle Diversität in der umweltabhängigen Signalantwort“.
 

Originalveröffentlichung: Marian Samuel Vogt, Gesa Felicitas Schmitz & al.: Structural base for the transfer of GPI-anchored glycoproteins into fungal cell walls, PNAS 2020, DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2010661117