16.11.2023 Marburg Center for Oriental Traditional Medicine

Foto AG Keusgen/FB Pharmazie

Zwischen dem 6. und dem 10. November 2023 fand am Fachbereich Pharmazie der Philipps-Universität Marburg der internationale Workshop „Nurturing the Future: Establishing the Marburg Center for Oriental Traditional Medicine“ statt. Aus der Pharmazie nahmen das Institut für Pharmazeutische Chemie, das Institut für Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie sowie das Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin statt. Weiterhin war das Centrum für Nah- und Mittelost-Studien durch Frau Prof. Dr. Bianca Devos vertreten. Darüber hinaus wurde der Donnerstagvormittag von der World Health Organisation (WHO), Dr. Pradeep Dua, gestaltet. Weitere internationale Teilnehmer waren aus Frankreich, Indien und den USA angereist. Finanziert wurde der Workshop vom DAAD innerhalb des Programms „Deutsch-Afghanische Hochschulkooperationen“. Als Vertreter des DAAD überbrachte Herr Dr. Alexander Kupfer die besten Wünsche und stand den Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops für schwierige Fragen zu weiteren Hochschulkooperationen mit Afghanistan zur Verfügung.

Der Workshop hatte mehrere Zielsetzungen. Zunächst wurde die traditionelle Medizin mit dem Schwerpunkt auf lokale Arzneipflanzen in Afghanistan und den benachbarten Ländern vorgestellt, die alle auf eine lange Tradition zurückblicken können. In den anschließenden, sehr ausgedehnten Diskussionen wurde der Unterschied zwischen einer mündlich übermittelten Volksmedizin und verschriftlichen Systemen der traditionellen Medizin wie beispielsweise Ayurveda und Unani ausgearbeitet. In den ländlichen Gegenden von Afghanistan kommt zumeist Volkmedizin zur Anwendung, auch wenn es ein gut organisiertes Netzwerk von „Hakims“ gibt, die überwiegend die Unani-Medizin vertreten. So wurde aus mehreren Quellen übereinstimmend berichtet, dass in abgelegenen Regionen von Afghanistan 80 % der angewandten Therapien der traditionellen Medizin im weitesten Sinn zuzuordnen sind.

Am zweiten Tag des Workshops standen insbesondere die Kooperationsmöglichkeiten mit weiteren Institutionen im Vordergrund. Herr. Prof. Raphael Reher gab einen bemerkenswerten Impulsvortrag, wie zukünftig unter konsequentem Einsatz von KI das Screening von Naturstoffen dramatisch beschleunigt werden kann. Dieses ist auch für die zukünftige Erforschung von traditionellen Arzneipflanzen von großer Bedeutung. Herr Prof. Dr. Farhan Jalees Ahmad, Jamia Hamdard Universität, Indien, gab zahlreiche Impulse, wie die Forschung an traditionell genutzten Arzneipflanzen mit modernen Aspekten und Anwendungen kombiniert werden kann. Dieser Programmpunkt wurde durch einen sehr charismatischen Vortrag von Dr. Nadir Sediqi, BioNatural Healing College (BNHC), California, USA, abgerundet.

Am Mittwoch bildete der Dialog mit der WHO, vertrete durch Dr. Pradeep Dua, den Schwerpunkt. Zunächst stellte Herr Dr. Dua umfassend die WHO-Strategie in Bezug auf Traditionelle Medizin dar. Seit gut 50 Jahren widmet sich die WHO diesem Thema, wobei es in den vergangenen 20 Jahren schwerpunktmäßig um die Implementierung von nationalen Regeln zur traditionellen Medizin geht, auch in Entwicklungsländern. Zusätzlich sollen global einheitliche Kriterien erarbeitet werden. So wird seit 2020 eine „International Herbal Pharmacopoeia“ erarbeitet, wobei die WHO auf externe Experten angewiesen ist. Weitere Zuarbeit wird von so genannten „WHO Collaborating Centres“ geliefert, was zukünftig auch das Marburg Center for Oriental Medicine sein könnte.

Der Donnerstag war für Kleingruppenarbeit reserviert, um unterschiedliche Aspekte wie die Inhalte des Zentrums und Kooperationsmöglichkeiten detailliert auszuarbeiten. Bei den Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Universität ist insbesondere die fachkundige Auswertung von historischen Schriften von Bedeutung, was über das Institut für die Geschichte der Pharmazie und Medizin realisiert werden kann. Im weiteren Verlauf der Diskussion waren sich Alle darin einig, dass der Name des Zentrums weiter spezifiziert werden müssen, denn schwerpunktmäßig geht es ja um die traditionell genutzten Heilpflanzen von Afghanistan unter Berücksichtigung der Nachbarländer. Weiterhin konnte eine Vision für das Zentrum erarbeitet werden: Das Zentrum für orientalische traditionelle Medizin soll den Status eines Referenz-Instituts für Informationen über traditionelle Medizin erlangen. Das Zentrum wird als „Hub“ für wissenschaftliche und Forschungsmaterialien dienen, darunter Bücher, Zeitschriften, Proben von Heilpflanzen und deren Inhaltsstoffe, Bibliografien, Referenzen und andere Ressourcen. Daraus ergibt sich folgende Mission: Das Zentrum ist interdisziplinär aufgestellt, wobei es sich sich mit Lehre, Forschung und Wissenstransfer verschiedener Aspekte der traditionellen Medizin (TM) mit Schwerpunkt Afghanistan beschäftigt. Das Zentrum fördert das Studium der TM-Forschung in zentralasiatischen Ländern mit dem Ziel, die Qualität und Gesundheit des menschlichen Lebens durch die Entwicklung wissenschaftlicher Informationen über TM und Medikamente, deren Sicherheit, Qualität und regulatorischen Status zu verbessern. Das Zentrum sollte Teil eines Netzwerks mit verwandten Institutionen sein. Weiterhin wurden zu berücksichtigende Aspekte ausgearbeitet und in einem ersten Schritt die entsprechenden Module angedacht.

 Zusammenfassend verlief der Workshop sehr erfolgreich und es konnte ein sehr intensiver Austausch von Ideen und Konzepten über die fünf Tage in zumeist konzentrierter Arbeitsatmosphäre stattfinden. Insbesondere konnte die Konzeption des Zentrums für traditionelle Medizin überarbeitet und konkretisiert werden sowie vielschichtige Kooperationsmöglichkeiten erschlossen werden. Die Hauptorganisatoren Prof. Dr. Babury und Prof. Dr. Keusgen bedanken sich recht herzlich bei Allen, die zum Gelingen des Workshops beigetragen haben, sowie bei den Geldgebern. Es bleibt zu hoffen, dass ähnliche Veranstaltungen auch zukünftig möglich sind.

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