28.01.2025 EU-Forschungsprojekt „Vigilant“ entwickelt Breitbandmedikamente gegen Viren

Ein weiteres internationales Projekt unter Marburger Beteiligung baut einen Schutzschild gegen zukünftige Pandemien

Molekülstruktur des Furins
Bild: Torsten Steinmetzer
Kristallstruktur des aktiven Zentrums der humanen Virus-aktivierenden Wirtsprotease Furin im Komplex mit verschiedenen nichtpeptidischen Hemmstoffen, die im Arbeitskreis Steinmetzer synthetisiert wurden. Die Furinoberfläche ist entsprechend ihres elektrostatischen Potentials mit negativ geladenen Bereichen in rot, neutralen in weiß und positiv geladenen Regionen in blau dargestellt. Die Inhibitoren sind als unterschiedlich eingefärbte Stabmodelle gezeigt. Die Kristallstrukturen wurden durch Sven O. Dahms (Paris Lodron Universität Salzburg) bestimmt.

Pandemien bedrohen sowohl die Gesundheit der Menschen als auch die globale Wirtschaft. Impfstoffe sind ein essenzieller Bestandteil der Pandemiebekämpfung, stehen jedoch erst Monate nach dem Ausbruch einer Pandemie zur Verfügung. Medikamente mit breiter Wirkung könnten hingegen frühzeitig die Verbreitung eines Erregers einschränken und zahlreiche Leben retten. Während Breitbandmedikamente zur Behandlung bakterieller Infektionen verfügbar sind, fehlen vergleichbare Mittel gegen Viren. Der Forschungsverbund „Vigilant“ hat sich zum Ziel gesetzt, diese gefährliche Lücke zu schließen. Der Verbund wird vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung koordiniert und von der EU mit rund 7,5 Millionen Euro für vier Jahre gefördert. Von der Philipps-Universität Marburg beteiligen sich Prof. Dr. Eva Friebertshäuser vom Institut für Virologie und Prof. Dr. Torsten Steinmetzer vom Institut für Pharmazeutische Chemie an diesem Präventionsprojekt. Ihr Teilprojekt erhält eine Förderung in Höhe von 2,05 Millionen Euro.

Herausforderung zukünftiger Pandemien

Virus-Pandemien wie COVID-19 sind eine ernste Gefahr für die globale Gesundheit. Die Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen und antiviralen Medikamenten kann viele Monate in Anspruch nehmen. Darüber hinaus wirken antivirale Medikamente häufig nur gegen ein enges Spektrum von Viren. Um zukünftige Virus-Pandemien besser zu bekämpfen, ist die Verfügbarkeit von Medikamenten mit einer breiten antiviralen Wirksamkeit entscheidend, die sofort – also ohne vorherige Kenntnis des Erregers – einsetzbar sind. Solche Medikamente könnten bei einem Einsatz als Prophylaxe die Ausbreitung eines Erregers eindämmen und möglicherweise verhindern, dass sich ein lokaler Ausbruch zu einer globalen Pandemie entwickelt. Gleichzeitig könnten sie als Therapie infizierten Patienten helfen, schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden, und so die Überlastung der Gesundheitssysteme verringern.

Forschungsziel Breitbandmedikamente gegen Viren

Das Ziel des Forschungsverbundes „Vigilant“, der von der EU im Rahmen des Horizon Europe Programms gefördert wird, ist die Entwicklung von Wirkstoffen mit breiter antiviraler Aktivität. „Vigilant“ vereint die Expertise von Forschenden aus den Bereichen Biochemie, Medizinische Chemie, Molekular- und Zellbiologie sowie Virologie. 

Im Fokus der Forschungen stehen virale Hüllproteine. Diese Proteine dienen den Viren als „Schlüssel“ für den Eintritt in Wirtszellen. Wenn es gelingt, den Transport und die Aktivierung dieser viralen Hüllproteine in infizierten Zellen zu blockieren, würde die Vermehrung der Viren im Körper gestoppt werden. Da verschiedene Viren dieselben zellulären Faktoren für den Transport und die Aktivierung ihrer Hüllproteine nutzen, könnten die entwickelten Hemmstoffe eine breite antivirale Wirkung entfalten. Dies soll in Zellkulturen sowie in Tierversuchen mit Mäusen, Frettchen und Affen untersucht werden.

Vorarbeiten für klinische Studien

„Vigilant zielt auf Wirtsfaktoren ab, die für die Infektiosität der meisten behüllten Viren wesentlich sind: die Virus-aktivierenden Proteasen Furin, SKI-1 und Cathepsin B und L sowie das Translocon Sec61. Vigilant wird neue Inhibitoren entwickeln sowie bekannte Wirkstoffe optimieren und mit Hilfe modernster Zellkultur-, Organoid- und Tiermodelle auf ihre Sicherheit und Wirksamkeit gegenüber einem breiten Spektrum hochpathogener Viren testen, so dass diese für klinische Studien bereitstehen“, sagt Prof. Dr. Eva Friebertshäuser, Virologin der Uni Marburg. 

„Vigilant wird neue Wirkstoffe hervorbringen, die unsere Vorbereitung auf zukünftige Pandemien wesentlich verbessern werden“, sagt Prof. Dr. Stefan Pöhlmann, Koordinator des „Vigilant“-Verbundes und Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am Deutschen Primatenzentrum.

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Primatenzentrums Göttingen

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