03.07.2017 Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt

Marburger Pharmaziehistorikerin wird Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt

Am 17. Juni 2017 wurde die Marburger Pharmaziehistorikerin Prof. Dr. Sabine Anagnostou in die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt aufgenommen. Die 1754 gegründete Gelehrtensozietät ist die drittälteste deutsche Akademie der Wissenschaften, in der naturwissenschaftliche, medizinische, mathematische, geisteswissenschaftliche und technische Disziplinen gleichrangig vertreten sind..

Die approbierte Apothekerin Sabine Anagnostou studierte Pharmazie in Würzburg. Nach dem Graduiertenstudium der Geschichte der Pharmazie an der Universität Marburg erfolgte ihre Promotion mit einer Dissertation zum Thema des interkontinentalen Transfers heilkundlichen Wissens. Daran schloss sich eine rege Lehr- und Forschungstätigkeit in Marburg, verbunden mit zahlreichen Auslandsaufenthalten an, die schließlich in der Habilitation und Verleihung einer außerplanmäßigen Professur der Universität Marburg mündete. Ihre Forschungsarbeit wurde u. a. durch die DFG, die Rudolf-Schmitz-Studienstiftung und die Internationale Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie gefördert.

Frau Anagnostous Forschungsinteressen richten sich vor allem auf den internationalen und interkulturellen Austausch von medizinisch-pharmazeutischem Wissen, insbesondere hinsichtlich des traditionellen Gebrauchs von Heilpflanzen zu unterschiedlichen Zeiten, in verschiedenen Kulturen und geografischen Regionen. Diese internationalen und interdisziplinären Forschungsarbeiten sowie die damit verbundenen Erkenntnisse zum Transfer medizinisch-pharmazeutischen Wissens bildeten die Basis für die Entwicklung eines theoretischen Konzeptes, womit die Wissensbildung und -übermittlung über die Wirkung und Anwendung von Heilpflanzen über Jahrhunderte analysiert werden kann, um Erkenntnisse über das Potential von in unterschiedlichen Kulturen traditionell gebrauchter Heilpflanzen als moderne Phytotherapeutika oder sogar Wirkstofflieferanten zu gewinnen. Da Heilpflanzen in aller Welt viele Jahrhunderte lang – und zum Teil noch bis heute – den größten Teil des Arzneischatzes repräsentierten und zu ihrem Gebrauch eine Vielzahl historischer Quellen vorliegt, eröffnet sich hier ein vielversprechendes Forschungsfeld. Da das Konzept zur Analyse der heilkundlichen Tradition abstrahiert wurde, ist es prinzipiell auf jede diachronische Wissensübermittlung von Kenntnissen über Heilpflanzen anwendbar.

Die bei der historischen Analyse ermittelten medizinisch-pharmazeutischen Kenntnisse über die jeweiligen Heilpflanzen werden schließlich vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes über deren Inhaltsstoffe und Wirksamkeit beurteilt, um sie dann gegebenenfalls zu weiterführenden, gezielten analytischen Untersuchungen der Pharmazeutischen Chemie, der Pharmazeutischen Biologie und der Pharmakologie vorzuschlagen, um nach entsprechender Evaluation und Validierung neue Phytotherapeutika zu entwickeln bzw. Wirkstoffe zu isolieren. Das Forschungsgebiet ist damit ideal mit den pharmazeutischen Fächern und der Medizin, aber auch mit den Geisteswissenschaften vernetzbar.

Dieses innovative und zukunftsorientierte Forschungskonzept fand umgehend einen Drittmittelgeber aus der Pharmazeutischen Industrie, der dem Institut für Geschichte der Pharmazie ein dreijähriges Forschungsprojekt (2011–2013) bereitstellte. Aus diesem Projekt ging unteranderem die viel beachtete Dissertation von Johannes Müller zu den Wundheilmitteln aus der mittelalterlichen arabischen Tradition hervor.

Drei Dissertationen, zwei Masterarbeiten und eine Diplomarbeit basierend auf diesem Forschungskonzept wurden bereits abgeschlossen, weitere befinden sich im Entstehen. Frau Anagnostous intensive Forschungstätigkeit spiegelt sich in über 100 Publikationen in Deutsch, Englisch und Spanisch sowie in über 90 Vorträgen im In- und Ausland wider. Sie ist seit 2012 Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie, Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften, Mitherausgeberin wissenschaftlicher Buchreihen und Zeitschriften sowie Gutachterin bei zahlreichen internationalen Zeitschriften und Organisatorin zahlreichen nationaler und internationaler Kongresse. Aufgrund der hohen Qualität ihrer wissenschaftlichen Forschungsarbeit erhielt Frau Anagnostou etliche Auszeichnungen: das International Society for the History of Pharmacy Fellowship 2003, den Prix de Carmen Francés der Académie Internationale d’Histoire de la Pharmacie 2003 für ihre Dissertation und den Dalberg-Preis für transdisziplinäre Nachwuchsforschung von der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt 2011 für ihre Habilitationsschrift, die in der hochangesehenen Reihe Sudhoffs Archiv erschien. Seit 2011 ist Frau Anagnostou überdies Mitglied der Académie Internationale d’Histoire de la Pharmacie. Auch ihre DoktorandInnen erhielten bereits hohe nationale wie internationale Auszeichnungen. Seit 2013 setzt sie ihre viel beachtete internationale Forschungsarbeit in dem jungen schweizerischen Pharmaunternehmen Alpinia Laudanum Institute of Phytopharmaceutical Sciences AG fort, in dessen Geschäftsleitung sie 2014 als Director Drug Discovery and Research eintrat. Inzwischen lehrt Frau Anagnostou Pharmaziegeschichte auch an der Universität Bern in der Schweiz.

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