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Wissenschaftshistorisches Kolloquium - SoSe 25
Stand der Information: April 2025
Wir laden Sie wieder herzlich zu unserem „Wissenschaftshistorischen Kolloquium“ ein. Die Veranstaltungen finden immer mittwochs um 18:15 Uhr statt und können vor Ort im Hörsaal des Instituts für Geschichte der Pharmazie und Medizin (Roter Graben 10, 35037 Marburg) und online via BigBlueButton mitverfolgt werden. Bei Interesse an einer Online-Teilnahme wenden Sie sich bitte an unser Sekretariat.
7.5.2025
Mag. pharm. Dr. Heinrich Justin Evanzin, Universität Salzburg
Die Bedeutung der Armenologie als Hilfswissenschaft in der Pharmaziegeschichte
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Die Kenntnis der armenischen Medizin- und Pharmaziegeschichte und ihrer Literatur stellt eine nützliche Hilfswissenschaft dar, insbesondere bei der Erforschung historischer Arzneidrogen und Heilpflanzen. Aufgrund der geopolitischen Lage im Laufe der Geschichte Armeniens an der Schnittstelle zwischen Orient und Okzident entwickelte sich eine mehrsprachige medizinische Literatur, die nahezu seit Beginn der armenischen Schriftlichkeit meist polyglotte Anmerkungen enthält. In zahlreichen Werken trifft man auf Begriffe und Namen, die verschiedenen Kulturkreisen miteinander verbinden.
Ein herausragendes Beispiel ist die enzyklopädische Materia medica Angitac‘ Anpēt aus dem 15. Jahrhundert, verfasst vom armenischen Arzt Amirdovlat‘ Amasiac’i. Dieses Werk stellt ein umfassendes Kompendium medizinisch-pharmazeutisch eingesetzter Pflanzen und Drogen, sowie mineralischer und tierischer Arzneistoffe dar. Es kombiniert detaillierte Pflanzenbeschreibungen mit synonymen Bezeichnungen in mehreren Sprachen und liefert wertvolle Hinweise zur Identifikation historischer Arzneiwaren.
Die Erforschung (mittel-)armenischer Arzneimittelbeschreibungen ist somit nicht nur ein wichtiger Beitrag zur armenischen Kulturgeschichte, sondern auch ein wertvolles Instrument zur Interpretation westlicher und östlicher Pharmakopöen. Die interdisziplinäre Aufarbeitung dieser Quellen ermöglicht ein tieferes Verständnis historischer Drogendefinitionen und dem Transfer pharmazeutischer Kenntnisse.
4.6.2025
Dr. Francesco Rodberg, Wissenschaftliche Bibliothek und Stadtarchiv Trier
Titel folgt
11.6.2025
Prof. Dr. Volker Roelcke, Universität Gießen
Das Tiermodell menschlicher Krankheit: Zu Geschichte, Epistemologie und Ethik eines zentralen Konzepts der medizinischen Krankheitsforschung
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Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchen Mediziner, menschliche Krankheiten experimentell im Tier zu modellieren, zu analysieren und das so gewonnene Wissen dann wieder am Menschen anzuwenden. Neben einer epistemologischen Zielsetzung wurde und wird als Rechtfertigung für die Nutzung des Tiermodells menschlicher Krankheiten immer wieder auch eine ethische Begründung genannt, nämlich die Risiken der Krankheitsforschung am Menschen zu reduzieren. Der Beitrag zeichnet die sich verändernde Bedeutung der epistemologischen und der ethischen Dimension zur Begründung des Tiermodells in verschiedenen historischen Konstellationen nach und rekonstruiert einige inhärente Problematiken von Idee und Praxis dieser Form der medizinischen Forschung.
25.6.2025
Udo Andraschke, MA, Universität Erlangen-Nürnberg
Titel folgt
16.7.2025
Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff, Universität Marburg
Erklären und Verstehen bei Karl Jaspers: Nützlich auch jenseits der Psychiatrie?
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In seiner 1913 erstmalig erschienenen Allgemeinen Psychopathologie trifft Karl Jaspers die Unterscheidung zwischen zwei Methoden, die Frage nach dem „Warum“ seelischer Phänomene zu beantworten. Beim „Verstehen“ versuchen wir nachzuvollziehen, wie seelische Phänomene aus seelischen Erfahrungen und Zuständen hervorgehen. Das „Erklären“ dagegen bezieht sich auf die organische Funktion des Gehirns mit ihren kausalen Abläufen. Höchst umstritten ist Jaspers‘ Auffassung von Schizophrenie als „Prozess“, d.h. diese als organische Erkrankung und damit Objekt des „Erklärens“ zu sehen. Über diese Kontroverse scheint die grundsätzliche Unterscheidung von Verstehen und Erklären stillschweigend akzeptiert worden zu sein.
Ich werde anhand von Fallbeispielen diskutieren, ob die Unterscheidung von Erklären und Verstehen auch in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung sinnvoll ist. Meine These lautet, dass die Unterscheidung bei primär bzw. überwiegend somatischen Erkrankten eher noch relevanter ist als in der Psychiatrie. Dies wird durch Trends in Demografie und Epidemiologie, v.a. von Multimorbidität und Fragilität, unterstrichen. Die Unterscheidung kann die Perspektive für eine „klinische Neurowissenschaft“ eröffnen, welche wissenschaftliche Erkenntnisse und Versorgung miteinander verbindet. Ich schließe mit kognitiven, kommunikativen und ethischen Empfehlungen.