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Einfluss von Inzucht auf phänotypische Plastizität

Dr. Tobias Sandner, Prof. Diethart Matthies

Rote und grüne Blätter von Silene vulgaris
Foto: Tobias Sandner

Das Zusammenspiel von Inzucht und Stress auf die Fitness von Pflanzen ist noch nicht sehr gut verstanden. Noch weniger ist über den Einfluss von Inzucht auf phänotypische Plastizität in funktionellen Merkmalen bekannt. Phänotypische Plastizität beschreibt alle Unterschiede im Phänotypen (Erscheinungsbild) eines Individuums, die nicht genetisch bedingt, sondern auf die Umwelt zurück zu führen sind. Sind ingezüchtete Pflanzen weniger plastisch, das heißt, können sie schlechter auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren? Selbstbestäubte Silene vulgaris Pflanzen waren tatsächlich weniger plastisch, vor allem in Reaktion auf Schatten konnten sie ihren Chlorophyllgehalt, ihre Sprosslänge und ihre spezifische Blattfläche weniger gut anpassen als fremdbestäubte Pflanzen (Sandner & Matthies 2018).

In einer anderen Art, Mimulus guttatus, war Inzuchtdepression unter Staunässe höher als unter anderen Stressen (Sandner, Matthies & Waller 2021). Deshalb untersuchen wir mit klonierten Linien, ob Inzucht einen Einfluss auf die Plastizität funktioneller Merkmale in der Reaktion auf Staunässe hat. Die Plastizität in einzelnen Merkmale war nach Inzucht reduziert, abgesehen davon waren ingezüchtete Pflanzen aber ähnlich plastisch wie ausgekreuzte (Sandner et al. 2022). Plastizität in Reaktionen auf die Umwelt, die für das Überleben sehr wichtig sind, könnten also sehr robust gegenüber Inzucht sein. Nun interessiert uns, ob sich diese Plastizität auch auf die nächste Generation auswirkt. Solche „transgenerational plasticity“ gibt es zwar, sie ist aber nicht die Regel (Sandner, von Braak & Matthies 2018). Durch gezielte Handbestäubung klonierter Linien wollen wir den Einfluss der Umweltbedingungen, unter denen die Eltern wuchsen, auf die Stressreaktion der Nachkommen untersuchen.